Warum 16 Minuten genügen, um sich in Hanuš aus Spaceman zu verlieben

In Spaceman: Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt entwickelt sich zwischen Adam Sandler und dem sechsäugigen Alien Hanuš eine Freundschaft der besonderen Art. Im Interview mit Netflix erzählt Autor Jaroslav Kalfař, welche Kindheitserinnerung ihn zu dieser Figur inspirierte, was hinter ihrem Namen steckt und welcher Schauspieler ihm seine Stimme leiht.

Wir treffen Hanuš in den ersten 16 Minuten von Spaceman: Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt. Und wer ihn einmal gesehen – und gehört – hat, wird ihn nie wieder vergessen.

Für ein außerirdisches Wesen, das seit Anbeginn der Zeit durch die Galaxien gereist ist und Menschen mit Spinnenphobie erschrecken kann, ist Hanuš ein sanfter Riese mit einer warmen Stimme. Sicher, er hat sechs Augen, aber sie sind sanft und wissend. Sein Körper ist pelzig, aber er gleitet über Jakubs Raumschiff auf der Suche nach Verbindung mit seinem neuen irdischen Freund – „Dünner Mensch“, wie er Jakub gerne nennt.

Hanuš (ausgesprochen ha-NOOSH) ist die Schöpfung des Autors Jaroslav Kalfař, auf dessen Roman Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt der Film basiert.

„Die Idee, seine Menschlichkeit einem Wesen erklären zu müssen, das nicht menschlich ist, hatte etwas sehr Schönes.“

Jaroslav Kalfař

„Ich wusste von Anfang an, als ich mit der Arbeit an dem Roman begann, dass ich wollte, dass Jakub einen Freund hat, da oben im Weltraum mit ihm. Aber kein menschliches Wesen und niemanden, der menschliche Dinge versteht“, sagt Kalfař. „Die Idee, dass man seine Menschlichkeit einem Wesen erklären muss, das nicht menschlich ist, hat etwas sehr Schönes an sich. Wir Menschen auf dieser Erde sind alle sehr unterschiedlich und wir missverstehen uns oft, aber letztendlich haben wir gemeinsame Erfahrungen und Gefühle.“

Er erzählt weiter: „Am Anfang war Hanuš nur das Konzept eines fremden Wesens, das mir die Möglichkeit geben würde, Jakub die grundlegendsten Dinge über das Leben zu erklären – Liebe, Verlangen, Sehnsucht, Schuld.“

Spinne Hanuš fliegt mit Jakub (Adam Sandler) durchs All.

Die Idee zu Hanuš entsprang einer von Kalfařs prägenden Kindheitserinnerungen an einen Besuch im Dorf seiner Großeltern in der Tschechischen Republik.

„Sie hatten eine Menge Spinnen in ihrem Haus, in jeder Ecke eines jeden Zimmers gab es all diese Weberknechte“, erinnert er sich. „Ich habe sie immer als Beobachter gesehen, weil sie tagelang völlig still in ihren Netzen saßen und uns beobachtet haben. Als Kind hatte ich diese Vorstellung im Kopf: Fragen sie sich, was wir da tun? Sind wir eine Seifenoper, die sie sich ansehen?“

„Als ich überlegte‚ welche Form diese außerirdische Kreatur haben soll, war eine schwebende Spinne das erste, was mir in den Sinn kam“, fügt Kalfař hinzu. „Und natürlich sieht Hanuš im Buch anders aus, weil es in einem Buch einfacher ist, Eindrücke zu vermitteln. Er hat also große, rote menschliche Lippen und menschliche Zähne. Im Film sieht er nicht ganz so absurd aus, weil sich das auf der Leinwand schwieriger umsetzen lässt.“

Der renommierte Kreaturendesigner Carlos Huante, dessen Arbeit bereits in Arrival und in der kommenden Zeichentrickserie Stranger Things zu sehen ist, wurde mit der filmischen Konzeption von Hanuš beauftragt.

„Carlos' Arbeit zeichnete sich dadurch aus, dass sie sich nicht auf andere Filme bezog“, sagt Regisseur Johan Renck. „Sie war viel eigenwilliger und spezifischer und hatte nichts mit Dingen zu tun, die wir schon gesehen haben.“

Huante schickte Renck gefühlte Hunderte von Skizzen für die Figur auf Papier, die sich im Laufe einiger Wochen langsam zusammenfügten, als sie sich auf die Farbe und Form seiner Augen und die Bewegung seines kleinen Mundes einigten. In Kalfařs Buch wird Hanuš als dobermanngroß beschrieben. Aber bestimmte Merkmale – wie die roten Lippen – passten nicht zu einer filmischen Weltraumspinne.

Hanuš erklärt Jakub (Adam Sandler) die grundlegenden Dinge des Lebens.

„Wenn du auf ihn zugehst und sein Gesicht siehst, merkst du, dass er mehr ist, als erwartet“, sagt Huante. „Jetzt hat die Figur eine Dimension, weil du gedacht hast, er sei unheimlich. Aber wenn er sich einem nähert, fühlt es sich eher so an: ‚Oh, er redet und oh, ich kann irgendwo ein freundliches Gesicht sehen. Okay, vielleicht ist es nicht das, was ich dachte.‘“

Noch entscheidender für Hanuš' sanftes Wesen ist die Stimme. Renck fand seinen Hanuš im englischen Originalton in Paul Dano, dem Die Fabelmans-Star, den der Filmemacher instinktiv für die Rolle ausgewählt hatte.

„Paul war die erste Person, die mir in den Sinn kam, als ich über Hanuš nachdachte. „Denn er hat diese einzigartige Kadenz und sorgfältige Formulierung der Worte und diese einzigartige Stimme“, sagt Renck. „Er ging wirklich in die Tiefe, wenn es darum ging, wer Hanuš war und wie man sich dieser Figur nähern konnte.“

Dano war fasziniert von der Herausforderung, denn es war erst das zweite Mal, dass er als Synchronsprecher in einem Film mitwirkte. Dano arbeitete ausgiebig mit VFX Supervisor Matt Sloan und Animation Supervisor Brett Purmal sowie dem Rest des VFX-Teams zusammen, um Hanuš zum Leben zu erwecken.

„Ich erinnere mich, dass sie mir bei unseren Gesprächen viele Fragen stellten, die nicht technischer Natur waren. Es waren Fragen, die emotional, philosophisch oder psychologisch waren“, sagt Dano. „Es gibt eine Menge technischer Arbeit, die in die VFX einfließt, aber sie gingen eindeutig von einem emotionalen Zentrum aus. Das hat mich sehr inspiriert und beeindruckt.“

„Als ich mir überlegte, welche Form diese außerirdische Kreatur annehmen sollte, war eine schwebende Spinne das Erste, was mir in den Sinn kam.“

Jaroslav Kalfař

In Sandlers Szenen mit Hanuš manifestierte sich die Spinne in einer amüsanten physischen Form.

„Wir hatten eine riesige Plüschspinne, die wir so anbringen konnten, dass unser Kameramann Jakob immer wusste, wo Hanuš sein würde“, sagt Sloan. „Und wir hatten ein 3D-gedrucktes kleines Hanuš-Gesicht als Augenlinie, mit dem Adam sprechen konnte.“

Hanuš' Bindung zu Jakub ist anders als alles, was wir in anderen Filmen gesehen haben, die im Weltraum spielen, sagt Produzent Michael Parets.

„Spaceman gehört eindeutig zu einer Reihe von Filmen, die die Erforschung des Weltraums und den Wunsch der Menschheit – so weit weg zu gehen, wie man es sich vorstellen kann – nutzen, um sehr intime persönliche Geschichten zu erzählen“, sagt Parets.

„Aber es gibt nichts Vergleichbares zu der Beziehung, die Jakub zu Hanuš aufbaut. Unabhängig davon, ob du Hanuš als real ansiehst oder nicht, erwartest du bei seiner Ankunft sofort, dass seine Anwesenheit eine Art Bedrohung für Jakub darstellt. Spaceman widersetzt sich diesem Trend und nutzt die körperliche Nähe der beiden, um etwas viel Beängstigenderes zu erforschen: die uneingeschränkte Selbsterkundung.“

Jakub (Adam Sandler) versucht vom All aus seine Ehe zu retten.

Carey Mulligan, die Jakubs Frau Lenka spielt, sagt, dass die Bedeutung von Hanuš für Jakub gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

„Ich stelle mir vor, dass wir, wenn wir alle so lange auf uns allein gestellt wären, eine Art Spiegel erfinden oder in uns selbst finden würden. Und ich denke, Hanuš ist ein Spiegel, der die Wahrheit dessen reflektiert, was du durchgemacht hast“, sagt Mulligan. „Er sagt dir ehrliche Dinge, die du bereits über dich weißt, mit denen du dich aber irgendwie nicht auseinandersetzen willst. Und das mit der Stimme von Paul Dano – was wahrscheinlich die beruhigendste Art ist, mit der man dir sagen kann, dass dein Leben auf eine Katastrophe zusteuert.“

„Hanuš ist eine gute Seele und ein weiser Mann. Er ist ein Reisender durch Raum und Zeit. Es fiel mir leicht, ihn zu lieben, und ich hoffe, das Publikum tut das auch.“

Paul Dano

„Paul ist absolut perfekt als Hanuš“, bestätigt Kalfař. „Als ich das Buch geschrieben habe, war es ein Drahtseilakt, ihn sowohl unheimlich und vielleicht manchmal sogar gefährlich und geheimnisvoll und unmöglich zu verstehen, als auch liebenswert und freundlich zu machen. Und ich denke, Paul Dano ist der Mann, den du brauchst, wenn du all diese Dinge willst.“

„Ich hoffe, dass Hanuš am Anfang ein bisschen unheimlich ist. Ich meine, er ist eine riesige Spinne. Und Spinnen, besonders haarige Spinnen, sind nicht jedermanns Sache“, sagt Dano. „Aber er ist eine gute Seele und ein weiser Mann. Er ist ein Reisender durch Raum und Zeit. Es fiel mir leicht, ihn zu lieben, und ich hoffe, das Publikum tut es auch.“

Hanuš ist in der Tat so liebenswert, dass er vielleicht sogar die Abneigung des Filmemachers gegen Krabbeltiere gelindert hat.

„Ich glaube, ich habe sie nicht mehr, aber ich hatte mein ganzes Leben lang eine schwere Spinnenphobie“, gibt Renck zu. „Die Aufgabe bestand natürlich darin, eine Figur zu schaffen, die zunächst unangenehm ist, aber dann verbringst du Zeit mit ihr und fängst an, sie zu mögen – vielleicht sogar zu lieben.“

Was verbirgt sich hinter dem Namen?

„Hanuš war der Name eines Uhrmachers“, erzählt Jaroslav Kalfař. „In Prag haben wir diese große berühmte astronomische Uhr namens Orloj. Sie ist wahrscheinlich das bekannteste Wahrzeichen der Tschechischen Republik.

Die Geschichte ist zwar inzwischen widerlegt, aber als ich aufwuchs, gab es die Legende, dass die damaligen Prager Ratsherren Hanuš diese Uhr bauen ließen. Nachdem er sie gebaut hatte, hatten die Ratsherren einen Mann zu ihm nach Hause geschickt, um ihm die Augen mit einem heißen Stab auszustechen, weil sie nicht wollten, dass er ein solches Werk für andere bauen konnte. Und zur Strafe ging Hanuš in die astronomische Uhr und griff hinein und ließ sie für 100 Jahre stehen bleiben. Niemand war in der Lage sie zu reparieren, außer ihm. Daher kommt auch der Name Hanuš.“

Netflixwoche Redaktion

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