„Wie würdest du handeln?“ – Drehbuchautor Steven Knight über die wichtigste Botschaft von Alles Licht, das wir nicht sehen

Mit Alles Licht, das wir nicht sehen hat Autor Anthony Doerr das Subgenre der Kriegsliteratur neu erfunden – und wurde dafür mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Sein Roman erzählt eine mitreißende, persönliche Geschichte über den Zweiten Weltkrieg. Während der Nazi-Besetzung von Paris müssen Marie-Laure (Aria Mia Loberti), ein blindes Mädchen mit einer Vorliebe für Jules-Verne-Romane, und ihr Vater Daniel (Mark Ruffalo) in die Küstenstadt Saint-Malo fliehen. Sie verstecken einen begehrten blauen Diamanten, der „Das Meer der Flammen“ genannt wird. Man munkelt, dass der Stein verflucht sein soll.

In Saint-Malo landet auch Werner (Louis Hofmann), ein deutscher Waisenjunge, der aufgrund seiner Handfertigkeit mit Radio und Funktechnik widerwillig von den Nazis in den Krieg eingezogen wurde. Zwei Fremde an sich gegenüberstehenden Kriegsfronten: Die Begegnung von Marie-Laure und Werner wird das Leben beider für immer verändern.

Drehbuchautor Steven Knight (Peaky Blinders, See) adaptierte den Roman für die vierteilige Miniserie zusammen mit Regisseur Shawn Levy (Stranger Things). Im Interview erzählt Knight, wie er Doerrs Drama über dem Zweiten Weltkrieg zu neuem Leben erweckt.

Was hat dich an dem Buch gereizt?

Steven Knight: Der literarische Wert des Buches ist offensichtlich, aber für eine Adaption muss man bedenken, dass das geschriebene Wort nicht auf der Leinwand erscheint. Der Roman ist wirklich gut, weil er anerkennt und zeigt, dass in der Realität die seltsamsten Dinge passieren. Menschen werden durch mehr zusammengeführt als nur Zufall. Dieses übernatürliche Element, symbolisiert durch das „Meer der Flammen“, hat mich sehr angesprochen.

Was waren die größten Herausforderungen in der Adaption?

Es bringt nichts, sich vor einem renommierten Autor zu fürchten –  aber wenn die Erfahrung des Lesens eines Buches so tief greift, dann denkt man sich schon: Ich muss versuchen, dass die Adaption das Gleiche schafft. Das Schöne an dem Buch ist der fließende Wechsel der Zeit: Ein Kapitel endet im Jahr 1934, dann ist es 1944 und dann wieder 1934. Das wollte ich beibehalten, aber wenn man das verfilmt, droht die Verwirrung. Ich möchte nicht, dass die Zuschauer den Überblick verlieren.

Was macht Marie Laure, die blinde Protagonistin der Serie, besonders?

In der Verfilmung verändert sie den Verlauf des Krieges durch ihren Mut. Sie sendet den alliierten Bomberflugzeugen Nachrichten, um die Nazis aus Frankreich zu verdrängen. Wer von uns hat jemals in seinem Leben so viel bewirken können?

Ich bin mir nicht sicher, ob ich angesprochen wurde [die Serie zu schreiben], weil ich die Serie See geschrieben habe. Für See habe ich sehr viel über den Alltag von Menschen recherchiert, denen einer ihrer Sinne fehlt. Ich habe also viel gelesen, bewegende Gespräche geführt und Beziehungen zu Menschen aufgebaut. Das alles hat mir sehr geholfen.

Was war dir bei der Adaption von Werner als Figur wichtig?

Seine Geschichte ist so herzzerreißend. Werner steht auf der falschen Seite. Er ist in der deutschen Armee und spürt Widerstandskämpfer auf, die getötet werden sollen. Diese Spannung liebe ich in allem, was ich schreibe: Man will als Autor, dass gute Menschen schlechte Dinge tun und schlechte Menschen gute Dinge tun, weil das Leben einfach so ist. Dieser Junge, der etwas wirklich gut kann, wird wegen seiner Fähigkeiten ausgenutzt. Aber er ist immer noch derselbe Junge. Und all der Schmerz, seine Herkunft aus dem Waisenhaus, das ist alles da. Das finde ich an Louis Hofmann, dem Darsteller, außergewöhnlich: Er kann diese Spannung so gut verkörpern.

Was hoffst du, können Zuschauer*innen von dieser Geschichte mitnehmen?

Ich hoffe, dass die Zuschauer sich in die Figuren hineinversetzen können. Dass sie sich selbst in solchen Extremsituationen sehen und sich fragen: Wie würde ich handeln? Es geht um einen Vater und eine Tochter, die versuchen, aus Paris zu fliehen. Wenn du ein Vater bist, oder eine Tochter, oder einen Vater, eine Tochter kennst, stelle dir vor, wie du damit umgehen würdest. Was würdest du tun, wenn dein Land eingenommen wird? Wie gehst du mit einem Luftangriff um? Wie würdest du handeln?

Wir machen immer wieder die gleichen, dummen Fehler. Und wir lernen es nicht, oder wir lernen es 20 Jahre lang und vergessen dann wieder. Diese Geschichte ist eine Auseinandersetzung mit dem Wahnsinn des Zweiten Weltkriegs.

Als ich mir die letzten Folgen ansah, gab es eine Szene, in der Marie sagt: „Unsere Generation darf so etwas nicht tun.“ Das hat mich wirklich berührt, und ich dachte: Die Generation meiner Kinder darf so etwas einfach nicht mehr tun. Es wird dumme Menschen geben, die ignorante Dinge sagen. Fallt nicht darauf herein. Ich kann mir nichts vorstellen, was für die heutige Zeit aktueller wäre als diese Botschaft.

Alle in diesem Artikel vorgestellten Inhalte wurden gemäß den Richtlinien der Screen Actors Guild (SAG) und der Writers Guild of America (WGA) erfasst.

Miranda Tsang (Text), Liz Lee (Interview), Queue

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