„Wir alle streben nach Wahrheit“ – Die Stars von Alles Licht, das wir nicht sehen im Gespräch

Mark Ruffalo, Hugh Laurie, Lars Eidinger  für seine Miniserie Alles Licht, das wir nicht sehen hat Regisseur Shawn Levy einige Größen aus Film und TV versammelt. Doch sie alle waren beeindruckt von einem sehr jungen Duo: Newcomerin Aria Mia Loberti und Louis Hofmann (Dark), die mit Bravour die Hauptrollen spielen. Im Interview erzählt der Cast, warum die Serie und die Zusammenarbeit so besonders sind.

Alles Licht, das wir nicht sehen ist eine Schicksalsgeschichte. Marie-Laure (gespielt von Aria Mia Loberti), ein blindes französisches Mädchen, flieht vor der Besetzung von Paris durch die Nazis. Sie schließt sich in der Küstenstadt Saint-Malo der Résistance an. Dort lernt sie Werner (gespielt von Louis Hofmann) kennen, ein deutscher Waisenjunge, dessen Geschick im Umgang mit Radios die Aufmerksamkeit von Hitlers Regime auf sich zieht. Es entsteht eine tiefe, wenn auch gespannte Verbindung zwischen den beiden.

Regisseur Shawn Levy (The Adam Project, Stranger Things) war von Anthony Doerrs gleichnamigen Roman fasziniert. Er wartete jahrelang auf die Rechte, um das Buch zu verfilmen.

Als er sich schließlich an die Adaption machte, lieferte ihm das Schicksal die passendsten jungen Schauspieler, die er sich hätte wünschen können. „Wir haben einen weltweiten Casting-Aufruf für blinde und sehbehinderte Schauspielerinnen veröffentlicht“, sagt der Regisseur. „Wir erhielten Tausende von iPhone-Videos. Einige von ihnen hatten bereits professionell geschauspielert oder waren angehende Schauspielerinnen. Andere hatten noch nie an die Schauspielerei gedacht. Eine dieser Personen war Aria Mia Loberti.“

Aria Mia Loberti als Marie-Laure in Alles Licht das wir nicht sehen.

Loberti war nicht auf der Suche nach ihrem Durchbruch in Hollywood, als der Casting-Aufruf für Marie-Laure verschickt wurde. Sie beendete gerade ein Fulbright-Stipendium an der Penn State University und begann ein Doktorandenprogramm. „Ich war an einem Punkt, an dem ich alles hatte, wovon ich geträumt und worauf ich akademisch hingearbeitet hatte“, sagt Loberti. „Aber ich war nicht allzu glücklich. Ich fühlte mich festgefahren und fehl am Platz.“

Da kam das Schicksal ins Spiel. Eines Tages erhielt sie aus heiterem Himmel eine SMS über den Casting-Aufruf von einer ehemaligen Lehrerin für Orientierungsmobilität: „Ich weiß, dass du in der akademischen Welt tätig bist und ich habe schon lange nicht mehr mit dir gesprochen. Aber ich habe immer gesehen, dass du etwas Kreatives machst, und ich dachte, das wäre perfekt für dich.“ „Ich fand das wirklich süß“, erinnert sich Loberti, „aber ich habe es beiseite gelegt und ein paar Tage lang nicht angeschaut.“

 „Wenn ich über das Treffen mit Aria spreche, bekomme ich eine Gänsehaut. Als wir sie sahen, wussten wir sofort Bescheid.“

Dan Levine, leitender Produzent

Der Reiz, etwas Kreatives zu machen, hat schließlich doch Lobertis Interesse geweckt. Nachdem sie das Buch (zweimal) gelesen hatte, machte sie sich daran, ein Casting-Video zusammenzustellen. „Ich habe es einfach in meinem Schlafzimmer gefilmt. Ich habe eine 40er-Jahre-Bluse von meiner Großmutter angezogen, mir eine kleine Siegeslocke ins Haar gedreht und hatte viel Spaß“, erinnert sie sich. „Ich dachte nicht, dass jemand es sehen würde. Ich habe das Band am Donnerstagabend geschickt, am Montag kam die Rückmeldung.“

Für Aria Mia Loberti ist es ihre erste große Rolle.

Als Levy und Produzent Dan Levine ihr Vorsprechen sahen, war ihnen sofort klar, dass sie ihre Marie-Laure gefunden hatten (die jüngere Verkörperung der Figur wird von Nell Sutton gespielt). „Wenn ich über das Treffen mit Aria spreche, bekomme ich eine Gänsehaut. Als wir sie sahen, wussten wir sofort Bescheid“, sagt Levine. „Sie trug die alten Bluse ihrer Großmutter und hatte einen zeitlosen Look. Ich weiß, das klingt übertrieben, aber sie war wirklich einzigartig. Dass wir sie gefunden haben — oder besser gesagt, dass sie uns gefunden hat — ist unglaublich.“

 „Ich habe mir mindestens tausend Schauspieler für Werner angesehen.“

Shawn Levy, Regisseur

Genau wie Loberti erregte auch Louis Hofmann die Aufmerksamkeit der Casting-Direktor*innen und Produzenten, als er zum Vorsprechen für die Rolle des Werner erschien. Im Gegensatz zu Loberti war Hofmann kein Neuling im Schauspiel. Er hatte bereits als Jugendlicher Erfolge in der deutschen Film- und Fernsehbranche gefeiert (Dark, Life After Life, Center of My World).

Louis Hofmann als Werner in Alles Licht das wir nicht sehen.

Für Levy war es eine große Herausforderung, einen jungen deutschen Schauspieler für die Darstellung der komplexen Figur des Werner zu finden, bis er auf Hofmann stieß. „Ich habe mir mindestens tausend Schauspieler für Werner angesehen“, sagt Levy, „und als Louis vorsprach, beherrschte er sein Handwerk auf eine Weise, die man von jemandem, der so jung ist, nicht erwarten würde. Er hatte dieses angeborene Verständnis für Werner – die Romantik, die Sanftheit, das Gefühl, in einer Flut von Umständen mitgerissen zu werden, über die man keine Kontrolle hat.“

Werners Radio-Talent bringt ihn in die Hände der Nazis.

Hofmann genoss es, sich auf die Feinheiten von Werners Charakter einzulassen. Um Werners Talent im Bau von Radios zu meistern, übte Hofmann eine Woche lang drei bis fünf Stunden am Tag.

„Werner ist sehr sensibel. Er ist ein Genie mit dieser wunderbaren Gabe, und ich finde es immer interessant, wenn etwas so Positives etwas so Negatives nach sich zieht.“ Denn sein Radio-Talent bringt den unschuldigen Werner schließlich in die Hände der Nazis. „Das Schöne ist, dass er immer wieder versucht, das Gute zu bewahren. Und das führt ihn schließlich zu Marie“, sagt Hofmann.

Werner in der letzten Folge von Alles Licht das wir nicht sehen.

Obwohl die Schauspieler*innen die meisten ihrer Szenen getrennt voneinander verbrachten, lernten Hofmann und Loberti einander gut kennen. Hofmanns Erfahrung am Set und seine Sicherheit vor der Kamera machten ihn zu einem vertrauenswürdigen Berater. „Es war großartig, jemanden wie Louis um sich zu haben, der in meinem Alter ist und eine Karriere im Schauspiel gemacht hat“, sagt Loberti. „Er kann all dieses Feedback einbringen. Er hat mir die Kamerabewegungen auf einer anderen Ebene erklärt, durch die Linse der Performance. Ich bin wirklich dankbar für seine Freundlichkeit und Großzügigkeit.“

„Ich wollte so viel wie möglich für sie da sein“, sagt Hofmann. „Ich weiß, dass Sets beängstigend sein können. Da rennen eine Million Leute herum. Manchmal ist das überwältigend. Also habe ich versucht, ihr so gut wie möglich zu helfen. Und sie ist erstaunlich. Dass jemand, der noch nie geschauspielert hat, eine vierteilige Serie trägt? Das war beeindruckend.“

Aria Mia Loberti am Set.

Die Rolle der Marie-Laure erforderte eine ausgefeilte Emotionalität und Tiefe. Die Darstellung eines jungen Menschen, der die Strapazen der Nazi-Invasion und das Leben im Versteck durchlebt, erforderte nicht nur emotionale, sondern auch körperliche Anstrengung. Loberti meisterte es mit Bravour.

„Sie ist wahnsinnig intelligent, geistig und körperlich sehr geschickt, fast wie ein Geist.“

Hugh Laurie über seine Schauspielkollegin Aria Mia Loberti

Die Schauspielerin bestand darauf, dass sie ihre eigenen Kampfszenen spielt. Darunter eine Szene, in der Marie-Laure auf den Nazi-Offizier (gespielt von Lars Eidinger) trifft. Er ist hinter dem Diamanten her, den sie und ihr Vater Daniel (Mark Ruffalo) beschützen und der seinem Besitzer ewiges Leben schenken soll.

Ihre Kampfszene hat Aria Mia selbst gespielt.

„Die Leute gehen davon aus, dass blinde Menschen körperlich nicht belastbar sind. Aber jeder, der schon einmal einen Ausschnitt von den Paralympics gesehen hat, weiß, dass es blinde Sportler*innen gibt“, sagt Loberti. „Ich bin keine Sportlerin, aber ich bin eine ehemalige Tänzerin. Ich bin körperlich stark, und das ist ein wichtiger Punkt, der deutlich gemacht werden muss. Am Ende war ich zwar angeschlagen und mit blauen Flecken versehen, aber das war es wert.“

Lobertis erfahrene Schauspielkolleg*innen waren von ihrem Engagement beeindruckt. Hugh Laurie spielt den zurückgezogenen Onkel von Marie-Laure, bei dem sie und ihr Vater in Saint-Malo Zuflucht gefunden haben. Er sagt: „Aria ist absolut großartig. Sie ist die einzige Person, die Marie-Laures außergewöhnliche Bandbreite an Eigenschaften verkörpern kann. Sie ist wahnsinnig intelligent, geistig und körperlich sehr geschickt, fast wie ein Geist. Sie bewegt sich und spricht mit einer Leichtigkeit und Anmut. Sie ist schlagfertig, mutig, unbeugsam.“

Hugh Laurie als Onkel von Marie-Laure.

Auch Hofmann erntete Lob von seinen Schauspielkolleg*innen. Eidinger (Reinhold von Rumpel in der Serie), der schon lange in Deutschland und in Hollywood Karriere macht, freute sich über die Zusammenarbeit mit seinem Landsmann. „Es macht so viel Freude, ihm zuzusehen“, sagt Eidinger. „Einerseits hat er eine große Verletzlichkeit. Auf der anderen Seite ist er aber auch sehr stark und selbstbewusst. Das macht ihn zu einem perfekten Helden.“

Letztendlich führt das talentierte Duo die Darsteller*innen zu großen Höhen und verleiht bewegenden Erzählung Menschlichkeit und Anmut. „Für mich geht es in Alles Licht, das wir nicht sehen um Güte, Liebe, Hoffnung und Unschuld“, sagt Hofmann, „all das sind Dinge, die man nicht sehen kann, die man aber weitergeben kann.“

Die Flugblättern-Szene mit Marie eröffnet die Serie.

Durch das Schicksal, das Loberti zu dem Projekt führte, erhalten die Botschaften der Erzählung eine neue Bedeutung. „Indem man jemanden authentisch in eine Rolle versetzt, stellt man sicher, dass man diese Geschichten durch die Linse der Wahrheit erzählt“, sagt Loberti. „Wir alle streben nach Wahrheit über uns selbst und die Menschheit. Und wie könnte man das besser erreichen, als indem man alle in die Kunst und die Geschichten, die wir kreieren, einbezieht?“

Madeleine Saaf-Welsh, Queue

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