„Diesen Autor will man nicht enttäuschen“ - Die Showrunner von 3 Body Problem im Interview

Obwohl die Showrunner von 3 Body Problem jahrzehntelange Erfahrung mit Adaptionen beliebter Buchserien für das Fernsehen haben – David Benioff und D.B. Weiss mit Game of Thrones, Alexander Woo mit True Blood – stellte die Umsetzung von Liu Cixins Science-Fiction-Trilogie einige neue Herausforderungen dar. „Als Bücher funktionieren sie enorm gut. Wir waren begeistert von der Herausforderung, eine Serie zu schaffen, die die gleichen Gefühle vermittelt wie das Buch“, sagt Weiss. „Aber man kann die Bücher nicht einfach nur direkt übersetzen.“

Auf den mehr als 1.500 Seiten seiner Buch-Trilogie spinnt der chinesische Autor Liu eine Geschichte mit komplexer Physik, ausgeklügelten Kriegstheorien und menschlichem Drama. Die Geschichte wirft viele Fragen auf, die zum Nachdenken anregen. Wobei die wichtigste Frage lautet: Was würde passieren, wenn wir von einer bevorstehenden Invasion Außerirdischer wüssten – wir aber vierhundert Jahre Zeit hätten, uns darauf vorzubereiten?

Es entsteht ein komplexes Netz aus internationaler Politik: Die einen rüsten auf, die anderen freuen sich auf die Ankunft der Aliens.

Diese komplexen Themen und Theorien zu erzählen, ist schon schwer genug. Doch bei der Adaption der Bücher für die Serie mussten Benioff, Weiss und Woo ihre Aufmerksamkeit auch auf die Charakterentwicklungen der Protagonist*innen richten.

„Mein Fokus lag auf den Ideen, und die Ideen sind außergewöhnlich“, sagt Woo. „Sie sind anders als alles, was ich je gelesen habe, und es fällt mir schwer, mir überhaupt vorzustellen, wie ein Mensch auf diese Ideen kommen konnte. Aber schlussendlich glaube ich, dass die Charaktere der Schlüssel zu jeder Geschichte sind, die wirklich unter die Haut geht.“

Die Showrunner von 3 Body Problem haben ihre Serienadaption auf die Gruppe namens Oxford Five konzentriert: Hochrangige Physiker*innen und langjährige Freund*innen, die sich im Zentrum einer Verschwörung wiederfinden. Dabei erleben sie Phänomene, die die moderne Wissenschaft nicht erklären kann. Alles beginnt, als einflussreiche Wissenschaftler*innen weltweit plötzlich sterben und mysteriöse Botschaften hinterlassen..

Hier sprechen Benioff, Weiss und Woo im Interview über die Adaption von Science-Fiction für den Bildschirm, über ihre Zusammenarbeit und über den Nervenkitzel beim Erschaffen eines völlig neuen Universums.

Die Showrunner D. B. Weiss, Alexander Woo und David Benioff.

Was hat euch daran gereizt, diese Serie zu machen?

Weiss: Als wir diese Bücher zum ersten Mal lasen, sind uns mehrere Dinge aufgefallen. Wir hatten so etwas noch nie zuvor gelesen. Es ist nicht so, dass wir noch nie Science-Fiction gelesen oder gesehen hätten. Aber die Art und Weise, wie Liu Cixin denkt, unterscheidet sich so sehr von anderen Autoren. Er nimmt die Sache ernst, denkt lange und gründlich über alles nach. So bringt er das, was tatsächlich passieren könnte, an einen abgelegenen, kosmischen Ort, der anders ist als alles andere, was uns bekannt war.

Woo: Wir alle sind in unserer Karriere an einem Punkt angelangt, an dem wir selbst entscheiden können, welche Projekte wir annehmen. Eine Serie zu machen ist so umfassend, dass es sich nicht lohnt, wenn man sie nicht liebt. Wenn man etwas liest, das einen so begeistert und herausfordert, ist man bereit, sich für so eine Adaption zu verausgaben.

„Etwas, das in den dunklen Nischen des Gehirns eines Romanautors passiert ist, wurde für jede Minute, für Jahre und Jahre, zu unserem Leben. Diesen Autor will man nicht enttäuschen.“

David Benioff

Ihr habt den Autor Liu Cixin per Zoom getroffen. Wie war diese Erfahrung?

Benioff: Ich erinnere mich, dass ich davor sehr nervös war, einfach weil wir schon viereinhalb Jahre an dem Projekt gearbeitet hatten. Etwas, das in den dunklen Nischen des Gehirns eines Romanautors passiert ist, wurde für jede Minute, für Jahre und Jahre, zu unserem Leben. Diesen Autor will man nicht enttäuschen.

Wie hat er reagiert?

Benioff: Mich hat sehr überrascht, dass er uns so explizit seinen Segen gab. Er sagte: „Ich weiß, dass ihr Änderungen vornehmen müsst. Ich weiß, dass ihr einige der Figuren verändern werdet. Und ich verstehe, warum.“ Das war in meiner Erfahrung mit Adaptionen einmalig, dass ein Autor im Wesentlichen sagte: „Mach weiter und tu, was ihr für richtig haltet. Ich bin gespannt, was daraus wird.“

Auggie Salazar (Eiza González) und Saul Durand (Jovan Adepo) schauen in den unendlichen, sternenbedeckten Himmel.

David Benioff und D.B. Weiss, euch kennt man schon als Duo von Game of Thrones. Wie habt ihr Alex Woo zum Projekt geholt?

Benioff: Wir haben Alex im Februar 2020 getroffen. Wir haben ein Drehbuch gelesen, das er geschrieben hatte und das uns gefiel. Er kam persönlich in unser Büro, danach dauerte es zwei lange Jahre, bis wir uns wieder persönlich trafen – wegen der Pandemie. Es war ziemlich ungewöhnlich, aber es hat funktioniert. In vielen, vielen Stunden auf Zoom sprachen wir dazwischen über die Bücher und die Figuren.

Woo: Wir sind alle aus verschiedenen Medien zum Fernsehen gekommen und sind es gewohnt, beim Schreiben alleine zu arbeiten. Es gibt eine Menge sehr erfolgreicher Showrunner, die am liebsten zusammen in einem Writers Room schreiben – wir drei sind nicht so. Alleine entstehen für uns die besten Ideen – wenn man lange über etwas nachdenkt. Nicht live in einem Raum, wo man sehr schnell denken muss.

Benioff: Ja, keiner von uns wäre gut im Freestyle-Rappen. Wir ziehen es alle vor, einsam in einem dunklen Raum zu sitzen, wenn wir das Schreiben angehen.

Die junge Ye Wenjie (Zine Tseng) studiert Astrophysik bevor sie einen anderen Lebensweg einschlägt.

„Ich weiß nicht, ob ein einziger Showrunner all die Dinge bewältigen könnte, die bei einer ersten Staffel dieser Größenordnung angefallen sind.“

Alexander Woo

Gab es auch mal Streit unter euch Showrunnern?

Weiss: Ich glaube, ich bin zu alt, um zu streiten … Auf der anderen Seite lernt man aber auch schnell, dass die Energie, die man in einen Streit steckt, das Ergebnis so selten wert ist. Man sollte einfach nicht störrisch auf der eigenen Meinung beharren.

Woo: In der Serie gibt es das astronomische 3-Body-Problem, bei dem diese drei Körper immer in ständigem Chaos sind. Bei uns war es genau das Gegenteil. Es war gut, dass wir uns aufteilen konnten. Ich weiß nicht, ob ein einziger Showrunner all die Dinge bewältigen könnte, die bei einer ersten Staffel dieser Größenordnung angefallen sind.

Später wird Ye Wenjie (Rosalind Chao) zur spirituellen Anführerin der ETA, die die Aliens auf der Erde empfangen möchte.

Musstet ihr euch bei dieser Science-Fiction-Serie anders vorbereiten als bei früheren Produktionen, an denen ihr gearbeitet habt?

Weiss: Wir mussten recherchieren und Menschen finden, die tatsächlich etwas von der komplexen Wissenschaft verstehen. Zwei von ihnen haben wir dazugeholt, um uns und allen anderen von Cast und Crew die Wissenschaft zu erklären. Wir alle haben viele Jahre lang mit dem High-Fantasy-Genre gearbeitet. Es war aufregend, einen Schritt in ein neues Genre zu wagen.

Ein großer Teil unserer Arbeit bestand darin, neue Szenen viele, viele Male umzuschreiben, bis sie einen Sinn ergaben. Wir haben versucht, die wahrhaftig wissenschaftlichen Ideen von Liu Cixin einem Publikum in der begrenzten Zeit der Serie zu vermitteln, ohne dass es sich wie Hausaufgaben anfühlt.

Der Multimillionär und Geschäftsführer einer Snack Firma Jack Rooney (John Bradley) findet sich auch im verstrickten Netz wieder.

Was war das Leitmotiv beim Schreiben dieser Serie?

Woo: Dass wir uns alle von Natur aus zu einer Sache hingezogen fühlten. Als wir uns mit Liu Cixin trafen, hat er unsere Aufmerksamkeit auf genau dieselbe Sache gelenkt. Er sagte: „Wenn ihr daraus eine Serie machen wollt, müsst ihr an den Figuren arbeiten.“ Das bedeutete, dass wir auch einige Figuren aus dem zweiten und dritten Buch schon in unsere erste Staffel übernehmen mussten. Das ist wahrscheinlich eine der größten Veränderungen in dieser Serie.

„Die Serie ist ebenso sehr ein düsterer Noir-Krimi wie eine Science-Fiction-Geschichte. Der Thriller-Aspekt, vor allem am Anfang, ist sogar stärker als alle Science-Fiction-Aspekte.“

D. B. Weiss

Gab es neben den Romanen noch andere Quellen, die ihr zur Inspiration für die Serie herangezogen habt?

Weiss: Immer, wenn man einen Science-Fiction-Geschichten erzählt, sollte man sich 2001: A Space Odyssey noch einmal ansehen. Denn es gibt einfach keinen Science-Fiction-Film, der so gut aussieht – obwohl er vor dem Durchbruch der visuellen Effekte gedreht wurde.

Die Serie ist ebenso sehr ein düsterer Noir-Krimi wie eine Science-Fiction-Geschichte. Der Thriller-Aspekt, vor allem am Anfang, ist sogar stärker als alle Science-Fiction-Aspekte. Ich habe mir also genau angesehen, wie Filme und Serien in diesem Bereich das erreichen, was sie erreichen.

Jin Cheng (Jess Hong) and Jack Rooney (John Bradley) wissen, welche Bedrohung sie aus dem Weltall erwartet.

Hatten ihr beim Schreiben der Figuren schon bestimmte Schauspieler*innen im Kopf?

Benioff: Der eine Darsteller, den wir sogar schon vor dem Schreiben haben wollten, war Benedict Wong. Er war unsere einstimmige Wahl für Da Shi. Es war nur die Frage, ob wir Benny für die Rolle tatsächlich gewinnen können. Als er ja sagte, war es die größte Erleichterung.

Später, als wir Liam Cunningham für die Rolle des Wade besetzten, wurde uns klar, dass wir mit Benny und Liam zwei erfahrene Schauspieler haben, für die zu Schreiben einfach so viel Spaß macht.

Der ehemalige MI5 Agent Da Shi (Benedict Wong) soll die Serie mysteriöser Todesfälle aufklären, bevor alles zu spät ist.

Worauf seid ihr bei dieser Serie am meisten stolz?

Woo: Das wird auch davon abhängen, was andere davon halten. Ich habe das Gefühl, dass es uns gelungen ist, Ehrfurcht und Staunen zu vermitteln. Auch das Gefühl, dass sich die Büchse der Pandora vor einem öffnet – diese Erfahrung, die man beim Lesen der Bücher macht.

Weiss: Man vergisst schnell, wie schwierig es ist, etwas von Grund auf neu zu beginnen. Es ist schwer ein Publikum in eine neue Welt mit unbekannten Figuren einzuladen und sie dazu zu bringen, sich für ihre Geschichten zu interessieren.

Die Tatsache, dass alles zusammenpasst und dass eine Geschichte von diesem Umfang auf eine Art und Weise adaptiert wurde, die grundlegend Sinn macht, dass wir Charaktere geschaffen haben, die fesselnd sind und sich wie Menschen aus Fleisch und Blut anfühlen – ich bin einfach stolz darauf, dass das alles zusammenkam.

MIRANDA TSANG, QUEUE

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