Leave The World Behind: Wie realistisch ist ein Blackout in Deutschland?

Darum geht es in Leave The World Behind

Amanda (Oscar-Gewinnerin Julia Roberts) und ihr Mann Clay (Oscar-Kandidat Ethan Hawke) sowie ihre Kinder Archie (Charlie Evans) und Rose (Farrah Mackenzie) buchen übers Wochenende ein Luxus-Strandhaus auf Long Island, um gemeinsam auszuspannen. Doch statt unbeschwerter Tage zieht eine Katastrophe herauf.

Zunächst läuft ein Öltanker am Strand auf Grund. Dann stehen die angeblichen Eigentümer des Hauses vor der Tür. G.H. (zweifacher Oscar-Gewinner Mahershala Ali) und seine Tochter Ruth (Myha’la) bitten um Obdach, sie wollen sich vor einer Cyberattacke in Sicherheit bringen. Handys fallen aus, Computernetzwerke ebenfalls, ein Blackout erschüttert die Zivilisation, die Tierwelt spielt verrückt.

Je bedrohlicher die Situation wird, desto mehr müssen sich alle mit dem Zusammenbruch der Welt auseinandersetzen. Die Geschichte spielt raffiniert mit dem begrenzten Wissen der Figuren und zeigt, wie sich ihre Ängste in emotionalen Überreaktionen entladen. Vorurteile und Argwohn beeinflussen die Reaktionen der Charaktere. Werden die Menschen sich solidarisch verhalten oder sich spalten lassen?

Kann ein Cyberangriff ganz Deutschland lahmlegen?

Cyberangriffe – das Hacken von Computersystemen durch fremde Mächte mit dem Ziel, System lahm zu legen – sind längst keine reine Fiktion mehr. „Der Einsatz von russischen Cyberwaffen im Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine markiert ein neues Zeitalter internationaler Konflikte“, schreibt die Süddeutsche Zeitung.

Die Zeitung zitiert aus dem „Microsoft Defense Report 2022“.  Microsoft zufolge haben Hacker im Auftrag Russlands am Vorabend des Kriegs eine Reihe von Attacken auf Systeme ukrainischer Unternehmen und Behörden gestartet. Sie hätten das Ziel gehabt, die ukrainische Kommunikations- und Verteidigungsfähigkeit zu schwächen. Microsofts Analyst*innen zählten 237 Cyberangriffe, durchgeführt von sechs verschiedenen Hackergruppen, die mit russischen Geheimdiensten in Verbindung stehen.

Wie ist es um die Sicherheit der Netzwerke in Deutschland bestellt?

Wir haben nachgefragt bei der Bundesnetzagentur.

Wie wahrscheinlich ist ein Blackout-Szenario für Deutschland?
Michael Reifenberg von der Bundesnetzagentur: Ein großflächiger Blackout ist äußerst unwahrscheinlich. Das elektrische Energieversorgungssystem ist mehrfach redundant ausgelegt und verfügt über zahlreiche Sicherungsmechanismen, die selbst bei größeren Störungsereignissen einen völligen Zusammenbruch des Übertragungsnetzes verhindern sollen. Die Sicherungsmechanismen werden kontinuierlich auf ihre Eignung geprüft und bei Bedarf angepasst.

Welche Sicherheitsvorkehrungen gibt es, die einen Cyberangriff verhindern sollen?
Die Systemverantwortung für einen sicheren und zuverlässigen Betrieb von Übertragungs- und Verteilernetzen liegt beim jeweils verantwortlichen Netzbetreiber. Netzbetreiber in Deutschland sind gesetzlich dazu verpflichtet, konkrete Cybersicherheitsvorgaben umzusetzen. Für den Fall eines Cyberangriffs bestehen ebenfalls Sicherungsmaßnahmen, um die Auswirkungen möglichst gering zu halten und etwaige Störungen der Versorgungssicherheit schnellstmöglich zu beseitigen.

Gab es schon Cyberangriffe auf das deutsche Stromnetz?
Der Bundesnetzagentur ist bislang kein IT-Sicherheitsvorfall bekannt, bei dem es zu einem Ausfall oder einer erheblichen Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit eines Energieversorgungsnetzes gekommen wäre. In Deutschland besteht eine Meldepflicht für IT-Sicherheitsvorfälle im Energiebereich. Die vorliegenden Informationen lassen den Schluss zu, dass es in Deutschland bislang keinen IT-Sicherheitsvorfall mit Stromausfall als Folge gegeben hat.

Wann gab es „Blackouts“ in Deutschland und welche Ursache hatten sie?
In den letzten fünf Jahren hat es in Deutschland keine großflächigen Blackouts gegeben. Lediglich kleinere Regionen waren von einer Versorgungsunterbrechung betroffen.

Blackouts in anderen Ländern

Anders als in Deutschland gab es allerdings durchaus schon Fälle von Blackouts mit dramatischen Folgen. Etwa 2019, als in Venezuela fünf Tage lang landesweit der Strom ausfiel. Sogar Notstromgeneratoren in Krankenhäusern waren betroffen, wie die BBC berichtet.  Am Ende der fünf Tage waren schätzungsweise 26 Menschen in den Krankenhäusern des Landes an den Folgen des Stromausfalls gestorben. Unter den Todesopfern waren Patienten mit Nierenversagen, die nicht die lebenswichtige Dialysebehandlung erhalten konnten und Opfer von Schussverletzungen, die Chirurgen in der Dunkelheit nicht operieren konnten. Auch die Situation außerhalb war katastrophal. Ältere Menschen in Hochhauswohnungen mussten die Treppen hinunter getragen werden, weil die Fahrstühle nicht mehr funktionierten. Die Menschen kochten ihr Essen mit Feuer und aßen bei Kerzenlicht. Ohne Strom verdarben die Lebensmittel in den Kühlschränken, die Verkehrsampeln fielen aus und die Transportsysteme kamen zum Stillstand. Die Pumpen, die die Menschen mit fließendem Wasser versorgten, blieben stehen, so dass die Bewohner verzweifelt nach Wasser in nahe gelegenen Flüssen, Bächen und sogar in der Kanalisation suchten.

Und dies ist kein Einzelfall. Die BBC berichtet weiter, dass im Juni 2019 40 Millionen Menschen in Argentinien, Uruguay und Paraguay von einem Stromausfall betroffen waren. Melissa Lott, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Center on Global Energy Policy an der Columbia University in New York, sagte gegenüber der BBC: „Im Sommer 2012 waren durch Stromausfälle in Indien mehr als 600 Millionen Menschen zwei Tage lang ohne Strom. In Puerto Rico legte der Hurrikan Maria die Infrastruktur auf der gesamten Insel lahm, ließ die Menschen im Dunkeln sitzen und löste eine humanitäre Krise aus. Im Jahr 2018 waren nach einem Erdbeben auf der japanischen Insel Hokkaido mehr als 5 Millionen Menschen ohne Strom. Um zu verhindern, dass sich solche Ereignisse häufen, und um ihre Auswirkungen zu minimieren, müssen wir in unsere Netze investieren.”

So ist die Story des Thrillers Leave The World Behind zwar noch Science Fiction, aber leider keineswegs so unrealistisch, wie man hoffen könnte.