„Wir sind nicht so weit von dieser Dystopie weg, wie wir es gerne hätten“ – Kostja Ullmann über Paradise

Mit genug Geld kann man so ziemlich alles kaufen. Lebenszeit aber bisher nicht. In der Zukunft von Paradise sieht das anders aus. In der Near-Future-Welt des Thrillers wurde eine Methode zur Übertragung der Lebenszeit von einer Person auf eine andere entwickelt.

Max (Kostja Ullmann) arbeitet für AEON, den Konzern, der das Verfahren ermöglicht. Sein Alltag besteht daraus, Menschen in Geldnöten davon zu überzeugen, ihre Lebensjahre zu verkaufen. Doch als plötzlich 40 Jahre Lebenszeit von seiner Frau Elena (Marlene Tanczik) eingefordert werden, versucht Max alles, um das Geschehene ungeschehen zu machen.

Paradise erscheint am 27. Juli 2023 auf Netflix. Vorab hat Kostja Ullmann mit Netflixwoche  über Jugendsünden, das ewige Leben und darüber gesprochen, ob es in einem Szenario wie dem von Paradise überhaupt richtiges Handeln geben kann.

Netflixwoche: Würdest du dir jemals Zeit kaufen, wenn du es könntest?

Kostja Ullmann: Eine schwierige Frage! Vielleicht schon, wenn es nicht auf Kosten anderer gehen würde. Ich fände es spannend, länger zu leben, weil sich aktuell alles im Wandel befindet. Es wäre toll, diese Entwicklungen miterleben zu können.

Also, ja?

Ja, für eine gewisse Zeit wäre es sicherlich reizvoll. Aber genauso spannend finde ich auch die Frage: Was passiert nach dem Tod mit uns? Wohin geht die Reise, wenn sie hier zu Ende ist? Darauf bin ich mindestens genauso neugierig wie auf die Zukunft.

Die ewige Jugend reizt dich nicht?

Es ist ein Privileg, alt werden zu dürfen! Jedes Jahr ist etwas Besonderes, jede Falte erzählt etwas über unser Leben. Das macht uns spannender. Ich glaube, das Älterwerden braucht wieder mehr Raum in unserer Gesellschaft.

Gehen wir mal davon aus, du könntest dir Zeit kaufen – ohne anderen die Zeit zu rauben – und wärst wieder 18: Welchen Fehler würdest du heute vermeiden?

Ich bin heute glücklich. Und jeder Fehler war Teil der Reise dorthin. Ich würde alle Entscheidungen noch einmal treffen.

Welchen Fehler würdest du unbedingt noch einmal machen?

Ich würde wieder HSV-Fan werden! Damals bin ich von Hamburg nach Berlin gezogen und wurde plötzlich zum Hamburg-Patrioten. Das ist ein Fehler, den ich sehr liebe.

Würdest du denn deine Zeit verkaufen, wie deine Figur Max in Paradise?

Vielleicht kann ich das mit einem Beispiel beantworten: Ich habe mich schon mit der Frage beschäftigt, ob ich zu Lebzeiten Organe spenden würde. Die Antwort lautet ja. Besonders für Freunde oder Familienmitglieder. Da würde ich sicherlich auch Lebenszeit spenden, wenn ich es könnte. Aber ich weiß, dass sich diese Frage mir nie real stellen wird. Nicht nur, weil es die Technologie nicht gibt. Sondern auch, weil das keiner dieser Menschen annehmen würde!

Was denkst du: Wie weit weg ist die Dystopie, die wir im Film zu sehen bekommen?

Ich glaube, nicht so weit, wie wir es vielleicht gerne hätten. Es gibt Menschenhandel, illegalen Organhandel. Beides ist sehr nah an dieser Paradise-Realität dran. Die moralische Frage, die der Film stellt, ist: Wie weit würden wir gehen, um unser eigenes Leben auf Kosten anderer zu verbessern? Die traurige Wahrheit ist, dass wir uns schon jetzt jeden Tag aneinander bereichern.

Im Film bilden sich Protestgruppen, die für ihre Ideale bereit sind, zu morden. Sind sie trotzdem die „Guten“? Oder gibt es so etwas in Paradise gar nicht?

Auf den ersten Blick würde man vielleicht sagen, dass die Rollen klar sind. Der Konzern ist böse. Die Rebellen sind gut. Aber die Art und Weise, wie die Rebellen gegen den Konzern vorgehen, ist sehr extrem. Und mit Extremismus kommt man nie weit. Klare Zeichen setzen ist gerade jetzt wichtig. Aber man sollte immer im Blick haben: Wen treffe ich mit meinem Protest?

Was ist mit Max – ist er ein „Guter“?

Max ist erstmal ein Typ, der als Angestellter eines Großkonzerns nach Leuten sucht, die ihre Lebenszeit für reiche Menschen opfern könnten. So gesehen nicht unbedingt sympathisch. Er selbst sieht darin aber auch etwas Gutes: eine Chance, der Armut zu entkommen. Er leistet Hilfe zur Selbsthilfe.

Netflixwoche Redaktion

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