Ist Luke tot? Fair Play-Regisseurin Chloe Domont über die blutige letzte Szene

Und plötzlich fällt das Messer: Regisseurin Chloe Domont verrät ihre Gedanken zur Schlussszene des neuen Netflix-Thrillers Fair Play.

Vorsicht, dieser Artikel enthält Spoiler!

Fair Play beginnt und endet mit Blut. Der erste Tropfen führt zu einer Romanze, der zweite zur Rechenschaft. In Chloe Domonts atemberaubendem Beziehungsthriller schließt sich der Kreis. Und die Anhaltspunkte sind alle da - wenn man weiß, wo man suchen muss. Im Folgenden erklärt die Autorin und Regisseurin den Höhepunkt des Films und alle Anzeichen, die auf das Ende hinweisen.

Der blutige Beginn

In einer der ersten Szenen des Films stiehlt sich das Paar Emily (Phoebe Dynevor) und Luke (Alden Ehrenreich) von einer Familienhochzeit weg, um im Badezimmer Sex zu haben. In der Hitze des Gefechts stellen sie fest, dass Emily ihre Periode hat. Ihr heißer Moment wird zwar jäh gestoppt, macht aber einem süßen Ende Platz: Luke geht auf die Knie und macht Emily einen Heiratsantrag. Als Nächstes steigt er mit ihr aus dem Fenster über eine Feuerleiter hinab – weg von dem, was er scherzhaft einen Tatort nennt.

Das ist der Moment, den man genießen sollte. Denn das ist das letzte Mal, dass man die beiden in den nächsten zwei Stunden lächeln sieht.

Ihre Bindung müssen sie vor ihrem gemeinsamen Arbeitgeber geheim halten. Die Unternehmensrichtlinien im fast schon mörderischen Hedgefonds sind streng. Einmal mehr wird die Beziehung von Luke und Emily dann auf die Probe gestellt als eine Stelle in den oberen Rängen der Firma frei wird und Emily anstatt Luke überraschend befördert wird. Eine  Spirale aus Eifersucht, Ärger und Scham zerstört schließlich alles, was sie sich aufgebaut haben.

Alden Ehrenreich als Luke und Phoebe Dynevor als Emily in dem Netflix-Film Fair Play.

Chloe Domont: „Man muss sich während des Antrags in die Figuren verlieben“

Wichtig sei, erklärt Regisseurin Chloe Domont, dass das Publikum zu Beginn mit dem Paar mitfühle. „Man muss sich während des Antrags in die Figuren verlieben“, sagt sie Tudum. „Und ich habe mir gedacht: 'Was ist die lächerlichste Art und Weise, wie sie sich verloben können, so dass man sie liebt?' Für mich war es, sie mit Blut zu bedecken. Das macht sie auf charmante Weise dysfunktional, chaotisch und menschlich – auf eine etwas eigenartige Art, die das Publikum auch an der Gurgel packt. Und dann sagt ihnen das Blut natürlich auch: 'Macht es euch nicht zu bequem. Ich dachte, die Vorahnung der kommenden Gewalt sei genauso wichtig.“

Die Gewalt schleicht sich langsam, aber stetig ein. Und zwar so stetig, dass das Paar sein Unbehagen verdrängt, bis es zu spät ist. Als Emily beginnt, ihre Position zu stärken, wird Luke immer unruhiger. Er unterbricht sie mit harschen Äußerungen, die zu einem körperlichen Angriff eskalieren.. Mit dem Gefühl, nichts mehr zu verlieren, geht Luke sogar betrunken in eine von Emily geleitete Besprechung und enthüllt, dass die beiden miteinander geschlafen haben. Anschließend beschuldigt er sie wegen sexueller Belästigung.

Auf der Verlobungsparty des Paares spitzt sich die Lage dann noch weiter zu: Luke und Emily geraten in einen heftigen Streit. Er endet damit, dass sie ihm eine Bierflasche auf den Kopf schlägt. Wieder einmal stehlen sie sich von der Familie weg in ein Badezimmer – aber anders als in der Szene zu Beginn des Films wird aus einer groben, freiwilligen sexuellen Begegnung eine Vergewaltigung.

Luke (Alden Ehrenreich) ist wütend. Doch sein Gefühle muss er im Büro für sich behalten.

Glaubt Campbell Emily?

Am nächsten Tag trifft sich Emily mit ihrem Chef Campbell (Eddie Marsan) und entkräftet Lukes Anschuldigungen mit einer eigenen Lüge. Anstatt zuzugeben, dass die beiden verliebt waren und ein gemeinsames Leben planten, erzählt sie ihrem Chef, dass Luke sie seit Monaten belästigt und sie befürchtet, ihn zu provozieren. Glaubt Campbell ihr? Domont glaubt das nicht.

„Campbell weiß, dass sie lügt, aber das ist ihm egal, weil es eine Verschwendung seiner Zeit ist“, erklärt  Domont. „Er sagt ihr im Grunde: 'Es ist mir egal, wen du umbringst, es ist mir egal, wen du f**kst, aber mach es in deiner Freizeit und lass vor allem deine schmutzige Wäsche zu Hause'. In seiner Sicht der Dinge geht es nur um das Geld und den Schutz seines Images für seine Kunden. Am Ende des Tages spielen Schuld und Verantwortlichkeiten in jeder Hinsicht keine Rolle. Aber als Emily ein letztes Mal mit Luke konfrontiert wird, wird ihr klar, dass Verantwortung sehr wohl eine Rolle spielt, und sie wird etwas dagegen unternehmen.“

Warum greift Emily Luke an?

Als Emily nach Hause kommt, findet sie  Luke mit gepackten Sachen vor. Er zieht nach San Francisco, wo er ein Vorstellungsgespräch bei einem Risikokapitalfonds bekommen hat. Als er ihr seine Pläne erklärt, wirkt Emily zunehmend misstrauisch: Warum entschuldigt er sich nicht für den sexuellen Übergriff? Will er wirklich so tun, als hätte er sie nicht seit ihrer Beförderung manipuliert?

Als sie ihn damit konfrontiert, ist Luke schockiert und leugnet, dass er so etwas getan hat. Sogar nachdem Emily ihm den Bluterguss in ihrem Gesicht zeigt.

Wütend schnappt sich Emily ein Messer aus der Küche und zwingt ihn, auf die Knie zu sinken und um Vergebung zu bitten. Obwohl er zunächst zögert, merkt Luke schnell, dass Emily es ernst meint. Spätestens als sie ihm den Arm aufschneidet. Während Blut auf den Boden tropft, entschuldigt sich Luke unter Tränen und fragt, was er tun kann, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen. „Ich tue alles, um es für dich wieder gut zu machen“, bettelt er. Als sie sich neben ihn kniet, hat Emily nur eines zu sagen: „Jetzt wisch das Blut von meinem Boden und verschwinde. Ich bin fertig mit dir.“

Fair Play: Alden Ehrenreich und Phoebe Dynevor spielen Emily und Luke

Eine Schlussszene mit wahrer Bedeutung

Für Domont liegt in dieser Schlussszene die wahre Bedeutung des Films. „Es gibt zwar Elemente weiblicher Wut, aber in der letzten Szene geht es nicht um weibliche Rache, sondern darum, einen Mann zur Verantwortung zu ziehen. Er muss sich seiner eigenen Unterlegenheit stellen“, sagt sie. „Lukes Unfähigkeit, sich das einzugestehen, verursacht bei beiden so viel Schmerz und Zerstörung. Für mich baut sich der ganze Film auf den Moment auf, in dem Emily Luke endlich dazu bringt, sein eigenes Versagen und seine eigene Schwäche einzugestehen. In diesem Moment murmelt er endlich die Worte 'Ich bin nichts'. Denn mehr als ein Film über weibliche Selbstbestimmung ist dies ein Film über männliche Zerbrechlichkeit.“

Domont probte diesen anspruchsvollen Höhepunkt vor den Dreharbeiten mehrmals mit Dynevor und Ehrenreich. Sie wollte erreichen, dass sich die Schauspieler sicher und wohl fühlten, um dann loslassen zu können. „Es war eine komplizierte Szene mit Stunts und Spezialeffekten und natürlich anspruchsvoll, was die Leistung angeht“, erzählt sie. Um die Schauspieler nicht für Kameraeinstellungen unterbrechen zu müssen, setzte die Regisseurin einen Kran ein. Dieser verfolgte Dynevor von dem Moment an, in dem sie die Wohnung betrat, bis zu dem Moment, in dem sie ihren letzten Satz sagte.

„Ich wollte, dass Phoebe sich in Emilys Schmerz hineinversetzt, der letztlich ihre Wut anheizt“, sagt Domont. „Und je mehr wir Emilys Schmerz in der Schlussszene in ihre Handlungen einfließen lassen konnten, desto einfühlsamer wurden diese Handlungen. Egal wie hässlich sie sind: wir als Publikum verstehen, woher die Reaktion kommt und warum sich Emily zu diesem Verhalten entschließt. Phoebe hat das auf eine herzzerreißende Art und Weise getan. Man spürt ihren Schmerz und sogar ihre Liebe, die durch diese Szene pulsiert.“

Hose statt Rock: Phoebe Dynevor wechselt bei Emily nicht nur die Stimmung.

Wie geht es mit Luke und Emily weiter?

Obwohl der Film direkt nach Emilys Abschied abblendet, macht sich Domont natürlich Gedanken darüber, wie es mit den Figuren weitergehen könnte. „Ich glaube, das war das letzte Mal, dass sich Emily mit einem solchen Mann eingelassen hat“, sagt sie. „Für mich ist das Fallenlassen des Messers ein echtes Mic Drop. Sie ist fertig, sie ist darüber hinweg. Sie wird sich weiterhin auf ihre Karriere konzentrieren, ohne auf Eierschalen zu laufen. Und sie wird die roten Fahnen sehen, bevor sie sich wieder kopfüber in eine andere Beziehung stürzt.“

Was Luke betrifft, sieht Domont die gewalttätige Konfrontation als den Moment an, der ihn endlich ändert. „Ich glaube, wenn Emily ihn ohne diese Art von Konfrontation hätte gehen lassen, wäre er weiter auf dem Weg nach oben gescheitert. Er hätte seine eigene Geschichte geglaubt – dass ihm Unrecht getan wurde und er nicht das bekommen hat, was er 'verdient' hätte“, sagt sie. „Indem er gezwungen wird, sich die Brutalität einzugestehen, die er ihr angetan hat – und sich auf einer tiefen emotionalen Ebene mit seinem eigenen Versagen auseinanderzusetzt –, hoffe ich, dass er daraus lernt und es beim nächsten Mal besser macht.“

Dennoch verweist die Regisseurin auf eine frühere, unblutige Szene im Film, die sie persönlich am kathartischsten findet. „Die befriedigendste Szene, in der Emily zurückschlägt, war, als sie sich am Küchentisch anschreien und sie ihm schließlich sagt, dass Campbell ihn feuern wollte, weil er derjenige ist, der schwach ist“, erzählt Domont. „Emily wehrt sich mit ihren Worten, die wohl schneidender sind als der echte Schnitt, den sie Luke am Ende verpasst.“

Anne Cohen, Tudum

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