„Es ist meine Vagina!“ – Das sind die 15 wichtigsten Lektionen in Sex Education

Mit der vierten Staffel geht Sex Education zu Ende. Doch die Lernmomente werden die britische Komödie lange überdauern.

Bodylotion, Taschentücher, ein anzügliches Magazin – fein säuberlich legt Otis alles auf sein Bett, bevor er sich auf den Weg zur Schule macht. Nicht, um sich damit nach dem Unterricht eine schöne Zeit zu machen. Sondern um seine Mutter davon zu überzeugen, dass er ein ganz normaler Teenager ist – ein Teenager, der sich selbst befriedigt.

Das ist der Beginn von Sex Education, einer Serie, die seit ihrem Start 2019 deutlich gemacht hat: Geht es um Intimität und Beziehungen, gibt es keine Norm. Im Mittelpunkt stehen Otis Milburn (Asa Butterfield) und Maeve Wiley (Emma Mackey), die heimlich an ihrer Schule Sex- und Beziehungscoaching anbieten. Das Geschäft boomt, aber im Privatleben stoßen die zwei schnell an ihre Grenzen. Otis’ bester Freund Eric (Ncuti Gatwa) fühlt sich ausgeschlossen und Maeve hadert mit ihren Gefühlen für Jackson (Kedar Williams-Stirling), den beliebtesten Jungen an der Schule. Mit der Zeit geraten immer mehr ihrer Freund*innen in den Strudel von Otis’ und Maeves unüblicher Geschäftsidee.

Im Laufe der vergangenen drei Staffeln lernen die Schüler*innen der Moordale Secondary, ihre eigene Sexualität zu erkunden, Scham abzulegen und trotz aller Ängste zu ihrem wahren Ich zu stehen. Und auch das Publikum hat eine beachtliche Lernkurve hinter sich. Denn egal wie fortschrittlich der Sexualkunde-Unterricht an manchen Schulen im Vergleich sein mag, so umfassend wie Sex Education ist er wahrscheinlich nicht. Hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Lernmomente bisher:

1. Wo befindet sich das Hymen?

Maeve hält die Paraurethraldrüsen für das Hymen.

Ein bestimmtes Geschlechtsteil zu haben bedeutet nicht, dass jede*r sich automatisch damit auskennt. Das wird in Sex Education immer wieder klar. Im Bio-Untericht haben Otis und Maeve die Aufgabe, auf einem Blatt Papier zu notieren, wo sich das Hymen befindet. Dank seiner Mutter weiß Otis genau Bescheid, Maeve hingegen nicht.

2. Ob emotional oder nicht – ein Schwangerschaftsabbruch bleibt eine persönliche und komplexe Erfahrung

Sarah (Mitte) hat bereits Erfahrungen mit Schwangerschaftsabbrüchen.

Maeves Schwangerschaftsabbruch gehört zu den Szenen der Serie, über die am meisten gesprochen wurde. Er ist einer der Momente, mit denen sich Sex Education mutig einem Tabu zuwendet, über das viel diskutiert wird, ohne dass klar ist, was genau eigentlich passiert. In der Klinik begegnet Maeve einer Mutter (Lu Corfield), die sich ebenfalls für einen Abort entschieden hat und damit sehr lässig umzugehen scheint. Erst nach dem Eingriff wird klar, dass die Entscheidung ihre emotionalen Spuren hinterlässt, auch wenn sie diese nicht zum ersten Mal getroffen hat.

3. Nicht alle männlichen Teenager wollen ständig masturbieren

Bitte keine Gespräche über Masturbation mit Mama!

Otis hat dank seiner Mutter, Sexualtherapeutin Dr. Jean Milburn (Gillian Anderson), ein unüblich großes Wissen über Sex. Aber wie andere in seinem Alter fühlt auch er sich zu Beginn der Serie bei dem Thema unter Druck gesetzt. Er kann sich einfach nicht dazu überwinden, sich selbst zu befriedigen. Damit er sich wegen seiner Hemmungen nicht von Jean therapieren lassen muss, hinterlässt er in seinem Schlafzimmer Indizien. So soll seine Mutter ihn für einen hormongesteuerten Jugendlichen halten, der einfach nicht aufhören kann, seinen Körper zu erkunden – und keine Fragen stellen.

4. Die Folgen von Slut- und Bodyshaming

Ruby traut sich, dank der Unterstützung zu ihrem Körper zu stehen.

Als ein intimes Bild vom größten Mean Girl der Schule, Ruby Matthews (Mimi Keene), die Runde macht, bekommt sie unerwartet Hilfe von Maeve. Obwohl beide einander nicht leiden können, weiß Maeve sehr gut, was es bedeutet, öffentlich erniedrigt zu werden. Seitdem sie vor Jahren einen Jungen nicht küssen wollte geht das Gerücht um, sie habe ihm in den Schritt gebissen. Das hat ihr den Spitznamen „Schwanzbeißerin“ eingebracht. Sie versucht daher, den Schaden für Ruby abzuwenden. Das Ganze gipfelt in der emotionalen Szene, in der die Schüler*innen während einer Versammlung gemeinsam verkünden: „Es ist meine Vagina!“

5. Nein heißt Nein

Liam muss auf die harte Tour lernen, was Nein bedeutet.

Mit Ablehnung umzugehen, ist nicht leicht. Da hilft es auch nicht, dass es lange als romantisch galt, seinen Schwarm hartnäckig zu verfolgen. In seiner inoffiziellen Arbeit als Sex- und Beziehungscoach hat Otis mit Liam (Tom Mackley) einen besonders schwierigen Klienten. Denn Mitschülerin Lizzie (India Ria Amarteifio, auch bekannt als Queen Charlotte) ist eindeutig nicht an ihm interessiert, was ihn in seinen Annäherungsversuchen immer verzweifelter werden lässt. Am Ende lernt er seine Lektion – aber erst nachdem er bei einer Schulveranstaltung im Drogenrausch von der Bühne stürzt.

6. Kommunikation > Gebrauchsanleitungen aus dem Internet

Otis lernt im Netz, beim Fingern ein Ziffernblatt zu beschreiben.

In seiner neuen Beziehung mit Ola (Patricia Allison) muss Otis erkennen, dass auch er in Sachen Sex noch einiges zu lernen hat. Was macht er also? Statt seine Freundin zu fragen, was ihr im Bett gefällt, konsultiert er das Internet und verlässt sich auf einen dubiosen Ratgeber. Der Schuss geht nach hinten los und zeigt: Intimität braucht vor allem Kommunikation.

7. Welche Unterstützung Opfer von sexuellem Missbrauch benötigen

Als Aimee eine Angst vorm Busfahren entwickelt, stehen ihr ihre Mitschülerinnen zur Seite.

Als ein Mann im Bus auf Aimees Hose ejakuliert, ist das der Beginn einer der bedeutsamsten Storylines in Sex Education. Von der Tatsache, dass sich Aimee (Aimee Lou Wood) zunächst weigert, den Vorfall einen sexuellen Missbrauch zu nennen, zu ihrer Angst vorm Busfahren, über ihre neue Ablehnung von Sex bis hin zur Therapie bei Jean Milburn – die Serie zeigt, was es wirklich bedeutet, dass global eine von drei Frauen in ihrem Leben sexualisierte Gewalt erfährt. Und sie zeigt auch, welche Unterstützung Betroffene brauchen, sei es vom Gesetz, von Therapeut*innen oder von Freund*innen und Partner*innen.

8. So funktioniert Douching

Rahim gibt spontan Unterricht im Douching.

Schul-Neuzugang Rahim (Sami Outalbali) steht nicht nur unerschrocken zu seiner Homosexualität, er kennt sich auch besser mit Fragen zum Thema Sex unter Männern aus als Biolehrer Mr. Hendricks. Also erklärt er Otis und Eric mithilfe einer eindrücklichen Illustration, wie das sogenannte Douching funktioniert, also die Reinigung des Enddarms mithilfe eines Einlaufs. Außerdem gibt Rahim einem Mitschüler den wertvollen Rat, keinen Sex mit seinem Freund zu haben, wenn er sich nicht traut, mit ihm über Körperhygiene zu sprechen. So einen Lehrer brauchen wirklich mehr junge homosexuelle Männer.

9. Asexuell zu sein bedeutet nicht, kaputt zu sein

Florence über ihre Beziehung zu Sex: „So als würde ich vor einem riesiggroßen Festessen sitzen, mit allem was es so gibt. Aber ich habe keinen Hunger.“

Ein Teenager zu sein bedeutet oft, einsam zu sein. Für asexuelle Menschen kommt oft noch das Gefühl hinzu, mit ihnen stimme etwas nicht. So geht es auch Florence. Sie wendet sich hilfesuchend an Otis und überlegt, einfach mit jemandem zu schlafen, um sich nicht mehr „wie ein Freak“ zu fühlen. Er rät ihr, sich Zeit zu lassen und auf die richtige Person zu warten. Das ist grundsätzlich kein schlechter Tipp, aber für asexuelle Menschen nicht hilfreich. Zu Florences Glück arbeitet Jean inzwischen an der Schule und sie sagt der Schülerin: „Sexualität folgt keinen Regeln. Nichts ist richtig oder falsch. Wieso sollte also etwas bei dir kaputt sein?“

10. Sex ≠ Penetration

Ola und Lily leben anders ihre Lust aus.

Als Ola und Lily (Tanya Reynolds) endlich zusammenkommen, können die beiden es kaum erwarten, miteinander zu schlafen. Lily leidet jedoch an Vaginismus, was bedeutet, dass Penetration ihr große Schmerzen verursacht. Aber davon lassen sich die beiden nicht aufhalten und finden einen anderen Weg, miteinander Lust zu erleben, nämlich indem sie gemeinsam masturbieren.

11. Auch Menschen mit Behinderungen haben Sex

Bei Isaac und Maeve geht es so heiß her, dass die Lasagne anbrennt.

Zu den Szenen in Sex Education mit der wirkungsvollsten Kommunikation gehört eindeutig der Moment, in dem Maeve und Isaac miteinander intim werden. Isaac (gespielt von George Robinson) ist durch einen Unfall querschnittsgelähmt und sitzt im Rollstuhl. Maeve zögert zuerst, weil ihr die Worte fehlen, um zu fragen, ob Isaac noch Sex haben kann. Er erzählt ihr daraufhin, was er spüren kann und welche Berührungen ihn zum Kommen bringen. Und auch wenn Maeve zuerst nicht weiß, wie sie das Gespräch beginnen soll, entsteht ein Dialog, der gar nicht peinlich ist, sondern dazu führt, dass beide besser auf ihr gegenseitiges Verlangen eingehen können.

12. Was alle über HIV und AIDS wissen sollten 

Ein lädierter Anwar erfährt, dass er wahrscheinlich eine Allergie und nicht HIV hat.

Wie wichtig umfassende Sexualaufklärung für Teenager ist, zeigt sich in dem Moment, als Anwar (Chaneil Kular) wegen einer allergischen Reaktion davon überzeugt ist, sich mit HIV angesteckt zu haben. Nach einem Besuch in einer Klinik stellt sich heraus, dass er Kondome mit Erdbeeraroma nicht verträgt. Anwar erfährt dort außerdem mehr über Safer Sex und über PrEP, ein präventives Medikament, mit dem sich HIV-Infektionen vorbeugen lassen.

13. Manche Meinungen sollten Ärzt*innen für sich behalten

„Haben Sie selbst Kinder? Und denken Sie nicht, dass es sich negativ auswirkt, ein Riesenarschloch zum Vater zu haben?“ Jean lässt sich nicht runtermachen.

Jean ist fast 50, als sie überraschenderweise nochmal schwanger wird. Bei einer Routineuntersuchung im Krankenhaus kommt ein Arzt nicht drum herum, ihr ungefragt seine persönlichen Ansichten über Schwangerschaften bei älteren Frauen mitzuteilen. „Viele vergessen, dass sich eine späte Elternschaft negativ auf ihr Kind auswirken kann.“ Doch Jean lässt sich nicht einschüchtern und benachrichtigt seinen Vorgesetzten. Damit setzt sie ein Zeichen für alle Mütter, die sich ähnliche passiv-aggressive Vorwürfe von medizinischem Personal anhören müssen.

14. Jugendliche sollten ein Recht auf sexuelle Aufklärung haben

Die Moordale-Schüler*innen setzen sich kreativ für Sexualunterricht ein.

In der dritten Staffel soll die neue Schulleiterin Hope (Jemima Kirke) an der Moordale für Ordnung sorgen, weil diese zuletzt wegen mehrerer Sex-Skandale in die Schlagzeilen geriet. Ihr Plan: Eine neue Schule unter neuem Namen, an der die Themen Sexualität und reproduktive Gesundheit komplett tabu sein sollen. Dass wollen sich die Teenager nicht gefallen lassen und organisieren einen medienwirksamen Protest, mit dem sie sich für Sex Positivity und Toleranz stark machen. „Leider wurde vielen Menschen beigebracht, sie müssten sich für ihren Körper oder ihre Identität schämen“, heißt es in einem selbst produzierten Video, mit dem die Schüler*innen Hopes Präsentation kapern – und zwar in Vulva- und Penis-Kostümen.

15. Die Brust abbinden will gelernt sein

In Cals Worten zu Layla: „Wow, du strahlst ja.“

Unter Hopes neuer Leitung leiden vor allem jene Schüler*innen, die eh schon besonders mit ihrer Identität und ihrer Zugehörigkeit zu kämpfen haben. Denn die Direktorin würde am liebsten jede Art der persönlichen Entfaltung unterbinden. Vor allem von non-binären und trans* Identitäten will sie nichts wissen. Dass Layla am Ende endlich den Mut aufbringt mit Cal (Sänger*in Dua Saleh) über sogenannte Binder zu sprechen, ist ein großer Triumph. Denn davor griff Layla nach extra engen Verbänden, um die eigene Brust abzubinden, was zu sichtbaren Hämatomen und Quetschungen geführt hat. Mit dem Weggang von Hope kann Layla endlich einen Teil der Scham ablegen und unbeschwerter zu sich selbst finden.

Netflixwoche Redaktion

Drücke ESC, um die Suche zu schließen.