Alles Licht, das wir nicht sehen: So endet die Miniserie

Vorsicht, der Artikel enthält Spoiler!

Regisseur Shawn Levy, beeindruckt nach dem fünften Lesen des Romans Alles Licht, das wir nicht sehen, hatte hohe Erwartungen an die vierteilige Serienadaption. „Ich wusste: Wenn ich mich selbst als begeisterter Fan dieses Buches glücklich mache, dann werden auch die Fans glücklich sein“.

Andere haben bereits versucht, den über 500 Seiten umfassenden Roman in einen Spielfilm zu verwandeln. Aber als der Autor Anthony Doerr zum ersten Mal Drehbücher für einen 90-minütigen Film liest, stellt er fest: „Oh, so viele Figuren sind weg.“ Aber Levys Erfolg bei der Arbeit mit Kinderdarstellern –  wie in Stranger Things und The Adam Project –  sowie seine völlige Hingabe an den Stoff lassen Doerr denken: „Du triffst all diese Töne für mich.“

Alles Licht, das wir nicht sehen ist die Geschichte zweier Schicksale, die miteinander verschmelzen. Am Ende von Episode 4 treffen Werner und Marie endlich aufeinander. Doch ihre Verbindung bestand schon lange zuvor. Und sie trennen sich, als er sich den Amerikanern ergibt, und sie den verfluchten Diamanten ins Meer wirft. Aber wie sind sie dorthin gekommen? Hier sind die Antworten auf alle offenen Fragen zum Ende von Alles Licht, das wir nicht sehen.

Die Flugblättern-Szene mit Marie eröffnet die Serie.

Ist Alles Licht, das wir nicht sehen eine wahre Geschichte?

Nein, das Buch ist eine historische Fiktion. Die Belagerung und der Kampf um die Kontrolle von Saint-Malo im Jahr 1944 waren jedoch sehr real. „Es war mir wichtig, dass jedes kleine Detail von Saint-Malo stimmt“, sagt Doerr, „damit jemand, der diese Belagerung miterlebt hat, von der Wahrhaftigkeit des Projektes überzeugt ist.“

Was ist das Meer der Flammen?

In der Serie ist das Meer der Flammen ein seltener, verfluchter Diamant. Daniel, der das Juwel im Pariser Naturkundemuseum bewacht, erklärt seiner Tochter: „Wer den Stein berührt, ist ebenfalls verflucht. Der Fluch lautet: Wenn du den Stein berührst, werden deine Liebsten ein schreckliches Unglück erleiden. Aber wenn du den Stein besitzt, wirst du selbst niemals sterben.“

Von Rumpel hofft, im Meer der Flammen seine Rettung zu finden.

Levy wollte die sagenumwobene Macht des Diamanten in der Serie beibehalten. „Ist er verflucht? Ist er es nicht? Ist es Daniels Umgang mit dem Stein, der zur Erblindung seiner Tochter geführt hat? Wird dieser Stein von Rumpel retten? Anthony Doerr und Drehbuchautor Steven Knight blieben in ihren Versionen agnostisch, und ich wollte dasselbe tun“, sagt Levy.

„Von Rumpel hat den tiefen Glauben, dass das seine Rettung ist. Und es ist eine Serie über den Glauben. Es ist eine Serie über Hoffnung“, sagt Levy. „Marie-Laure hat seit über einem Jahr nichts mehr von ihrem Vater gehört, aber er ist immer noch bei ihr. Und selbst wenn sie nicht weiß, ob er lebt oder tot ist, wird er immer bei ihr sein.“

Levy sieht darin „eine interessante Parallele zu den Fragen Was ist eine Fabel? Was ist Glaube? Und vielleicht sind diese Dinge dasselbe wie die Liebe. Sie ist nicht beweisbar. Es ist ein Gefühl, das tief in uns verankert ist. Und auf diese Weise sind Glaube, Liebe und Hoffnung, was ja auch das Thema dieser Show ist, unzerstörbar.“

Ist das Ende von Alles Licht, das wir nicht sehen anders als im Buch?

Ja, Levy und sein Team haben einiges verändert. „Es gibt Momente auf den letzten 50 Seiten des Romans, die in der Serie nicht vorkommen. Ich sage nicht, dass sie nicht passiert sind, aber ich möchte sie nicht zeigen. Meine Zuschauer haben die Möglichkeit, daran zu glauben, dass es anders hätte ablaufen können“, sagt Levy.

Werner in der letzten Folge von Alles Licht das wir nicht sehen.

Wenn man das Buch gelesen hat, denkt man wahrscheinlich an (Spoiler!) Werners Tod, als er auf eine Landmine tritt. „Fans des Buches wissen, dass es auf den letzten 50 Seiten einige zutiefst traumatische Ereignisse gibt, die den Figuren, die wir lieben, widerfahren“, sagt Levy. „Als ich das Buch gelesen habe, hat es mich umgehauen.“

Die Filmemacher wollen die Geschichte mit dem Versprechen einer Hoffnung für die Zuschauer beenden. „Wir haben das Buch geliebt. Das ist kein Urteil über das Buch, aber wir wollten an einem hoffnungsvolleren Ort enden“, sagt der ausführende Produzent Dan Levine.

„In der TV-Adaption deutet nichts darauf hin, dass die Dinge in Doerrs Nachwort nicht passieren“, stimmt Drehbuchautor Steven Knight zu. „Sie könnten trotzdem passieren, aber wir haben uns entschieden, in diese Richtung nicht zu schauen.“

Was wurde in der Mini-Serie sonst noch geändert?

Während einige dieser Schlussszenen in der Serie nicht vorkommen, werden andere Beziehungen in der Serie vertieft. Wie zum Beispiel die von Etienne (Hugh Laurie) und seiner Nichte Marie und Etienne und Werner.

„Das ist eine Beziehung, die es im Buch nicht gibt. Steven Knight hat sie geschaffen, weil er das Gefühl hatte, dass Etienne vom Trauma des Ersten Weltkriegs verfolgt wird“, sagt Levy. „Werner wird durch das Trauma des Zweiten Weltkriegs verfolgt. Die Handlung bringt sie auf natürliche Weise zusammen. Warum sollten wir die Ähnlichkeiten der Kämpfe und der Verfolgung zwischen diesen beiden Charakteren nicht erforschen? Besonders wenn Hugh Laurie den einen und Louis Hofmann den anderen spielt – natürlich will ich diese Talente zusammen sehen.“

Für Levy war es wichtig, die Beziehung zwischen Werner und Etienne zu erforschen.

Ein weiterer Unterschied ist Daniels Schicksal, nachdem er Saint-Malo verlassen hat. Im Buch erfahren wir nur, dass er nach seiner Rückkehr nach Paris in ein Gefangenenlager der Nazis gebracht wird und an Grippe erkrankt ist. „In der Serie sehen wir, was passiert. Und das hat uns eine Sequenz ermöglicht, die ich mir im Buch immer vorstellen wollte – Daniels und von Rumpels Konfrontation. Aber auch hier gilt, dass wir immer den Charakter der Figuren respektieren. Wir haben uns gut überlegt, was sie tun und nicht tun würden.“

Während des Schreibprozesses hatte Knight das Ziel, dass Werner und Marie sich endlich treffen. Er hatte ein wenig Freiheit, wie er diesen romantischen Höhepunkt erreichen wollte. „Es ist eine Liebesgeschichte, in der sich die beiden Liebenden noch gar nicht begegnet sind“, sagt der Drehbuchautor.

Er sah ihre Verbindung durch das Hören der Musik, die der Professor während seiner Sendungen spielte – Clair de lune von Debussy. Als sie endlich zusammen sind, legen sie diese Platte auf. „Was machen Menschen, wenn sie Musik hören? Sie tanzen. Und dann besiegelt der Kuss die Verbindung“, sagt Knight. „Egal, was danach passiert, diesen Moment werden sie immer haben.“

Welche Elemente von Doerrs Buch sollte die Verfilmung unbedingt bewahren?

Levy wusste, dass bestimmte Dinge aus dem Buch unantastbar waren. Vor allem die Beziehung von Marie zu ihrem Vater. „Die Liebe und die Taten der Liebe, die zwischen Vater und Tochter stattfanden, sind großartig. Sie sind für mich als Vater von vier Töchtern sehr aufschlussreich. Ich wusste, dass das ein zentrales Thema sein würde“, sagt Levy.

„Die Taten der Liebe, die zwischen Vater und Tochter stattfanden, sind großartig“ – Levy.

Er wollte auch die Geschichte von Werners Beziehung zu seiner Schwester Jutta (Luna Wedler) erzählen. Und die unfreiwillige Indoktrination Werners in die Nazi-Partei, die ein Weltbild vertrat, an das Werner nie glaubte.

Neben dem Schauplatz Saint-Malo wollte Levy außerdem die Überschneidungen zwischen den geografischen und erzählerischen Strängen sowie das Wesen jeder Figur in seiner Adaption würdigen. Für Levy und Doerr war es wichtig, blinde Schauspielerinnen für die Rolle der Marie zu finden. Und zwar sowohl eine jüngere als auch eine erwachsene Version. Ebenso wichtig war es, die Neugierde zu bewahren, die sowohl Werner als auch Marie auszeichnet.

Auf welche Fan-Reaktion auf die Änderungen hofft Levy?

Levy hofft, dass „die Fans feststellen, dass wir das Buch geehrt haben. Wir haben es auf eine Art und Weise extrapoliert, die das Ausgangsmaterial zutiefst respektiert, weil dieser Respekt aufrichtig ist.“

Über die Adaption sagt Doerr: „Ich kann es kaum erwarten, dass alle sie sehen“. Er fügt hinzu, dass er Ehrfurcht vor Levys Fähigkeit habe, die Zuschauer sofort in die vierstündige Geschichte hineinzuziehen. „Die Serie ist wunderschön anzusehen – von der Eröffnung mit all den Flugblättern bis hin zu der Montage von Daniel, der seiner Tochter ein maßstabsgetreues Modell von Saint-Malo baut.“

Knight hatte während des Schreibens der Serie keinen Kontakt zu Doerr. Er glaubt: „Alles, was Anthony uns wissen lassen will, steht im Buch.“ Ihm ging es mehr um Doerrs Reaktion danach: „Und er liebte es.“

Daniel hat für seine Tochter ein maßstabsgetreues Modell von Saint-Malo gebaut.

Was bedeutet der Titel Alles Licht, das wir nicht sehen?

Als Doerr das Set besucht hat, hat Levy ihm bei einem Essen genau diese Frage gestellt. Es hat sich gezeigt, dass der Titel nichts mit der Blindheit von Marie zu tun hat. „Die Blindheit kam später“, erinnert sich Levy an Doerrs Worte. „Am Anfang wollte ich eine Geschichte über das Radio erzählen, über all die Arten, in denen unsere Wahrnehmung eingeschränkt ist. Wir denken, wir stehen an der Spitze der Nahrungskette. Aber wir sehen nur 10 Billionstel des gesamten Lichts im Universum. Das zeigt, wie begrenzt wir sind. Es gibt so viel Licht, das wir nicht sehen können.“

Für Doerr deutet der Titel auch darauf hin, wie viel wir bereit sind, moralisch zu akzeptieren oder zu ignorieren. „Oft ist Werner die moralisch blinde Figur, und Marie ist eigentlich von Anfang an moralisch viel gefestigter“, sagt er. „Sie sieht klarer, als Werner es lange Zeit getan hat.“

Als angehende Rhetorik-Wissenschaftlerin, die an der Penn State promoviert, hat Hauptdarstellerin Loberti in dem Titel eine tiefere Bedeutung gesehen als nur einen oberflächlichen Hinweis auf Maries Blindheit. „Es ist eine Botschaft der Hoffnung. Wenn man in Zeiten der Dunkelheit – wenn alles Vertraute einen verlassen hat, wenn die Menschen, die man liebt, einen verlassen haben – immer noch ein Licht auf der anderen Seite sehen kann“, sagt sie. „Menschen wie Marie und Werner sind nicht nur durch Radiowellen verbunden. Sie sind auch durch ihren Sinn für Integrität und Hoffnung verbunden. Sie wollen nicht, dass die Welt ihre Individualität und ihre Persönlichkeit zerstört.“

Tara Bitran, Tudum

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