„Ein Krieg gegen Aliens würde etwa fünf Minuten dauern“ - Ein Exosoziologe über 3 Body Problem

Alien-Invasionen hat die Menschheit schon viele gesehen. Zumindest in der Fiktion. Auch in der Sci-Fi-Serie 3 Body Problem und der Roman-Trilogie Die 3 Sonnen, auf der die Serie basiert, geht es um den Erstkontakt mit Außerirdischen. Seit dem 21. März ist die Serienadaption von den Machern von Game of Thrones auf Netflix zu sehen.

Doch wie würde das Szenario in der Realität aussehen? Darüber haben wir mit Dr. Michael Schetsche gesprochen, einem Soziologen, Zukunftsforscher und außerplanmäßigem Professor am Institut für Soziologie der Universität Freiburg.

Dr. Schetsche, glauben Sie an Aliens?

Ich bin Wissenschaftler. Ich glaube erstmal gar nichts! Es geht immer um Fakten und Prognosen. Fakten haben wir keine. Wir wissen nur: Es gibt die Menschheit. Einige behaupten, die wäre leidlich intelligent. Andere bezweifeln das.

Vielleicht besser: Gibt es noch anderes leidlich intelligentes Leben im Universum? 

Es spricht vieles dafür. Es gibt astronomische und astrobiologische Daten, die darauf hinweisen, dass das Universum von Leben angefüllt ist. Im interstellaren Raum findet man Aminosäuren, die Bausteine des Lebens. Wir wissen inzwischen, dass es alleine in der Milchstraße hunderte Millionen Planeten gibt. Das wäre nun wirklich eine riesige Platzverschwendung, wenn wir hier die Einzigen wären!

Und werden wir irgendwann mit außerirdischem Leben in Kontakt treten können?

Das ist abhängig davon, wie man sich einen Kontakt vorstellt. Es gibt drei wesentliche Szenarien. Beim ersten würden wir irgendwelche Radiosignale empfangen. So ähnlich, wie es auch in der Trisolaris-Trilogie passiert. Und diese Signale wären künstlichen Ursprungs.

Das Problem dabei ist: Sie wären mutmaßlich viele tausend Jahre zu uns unterwegs. Die Signale müssten genau zum richtigen Zeitpunkt ausgesendet worden sein, damit wir sie jetzt empfangen können. Falls dies nur ein paar hundert Jahre zu früh geschehen wäre, hätten wir sie ja gar nicht empfangen können. Damals wusste die Menschheit noch nicht einmal, was elektromagnetische Wellen sind. Es müsste also schon ein großer Zufall sein, dass die Signale gerade zur jetzigen Zeit bei uns eintreffen. Dieses Szenario halte ich deshalb eher für unwahrscheinlich.

Welches Szenario ist wahrscheinlicher?

Das zweite, wahrscheinlichere Szenario, ist, dass wir in unserem Sonnensystem irgendein fremdes Artefakt finden, das hier zurückgelassen wurde. Stellen Sie sich vor, vor einer Million Jahre ist eine außerirdische Expedition durch unser Sonnensystem geflogen. Sie haben ihren Abfall hier gelassen. Auf irgendeinem Asteroiden, einem Himmelskörper, der keine Atmosphäre hat. Dort werden Objekte für Millionen Jahre konserviert. Solche Gegenstände könnten wir noch heute finden.

Was würde uns so ein Objekt sagen?

Dass wir nicht alleine sind. Viel mehr vielleicht nicht. Wir wüssten, vor vielen Millionen Jahren war mal jemand hier. Zurückkommen werden sie wahrscheinlich nicht. Vielleicht gibt es sie heute gar nicht mehr. Und selbst wenn die gefundenen Objekte fremdartige Zeichen enthielten, könnten wir diese Botschaft wahrscheinlich gar nicht entschlüsseln. Die Linguistik sagt uns, dass wir ohne einen Referenzrahmen keine Chance haben, eine fremdartige Nachricht zu übersetzen.

Wie tragisch! Wir wüssten von Außerirdischen, könnten sie aber nie verstehen?

Das gilt in gleicher Weise für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir fremde Radiobotschaften aus den Weiten des Universums empfangen. Bei den großen Entfernungen und der damit zusammenhängenden langen Laufzeit eines Signals dürfte ein Dialog so gut wie ausgeschlossen sein.

Es geht über unseren menschlichen Zeithorizont hinaus, eine Unterhaltung zu führen, bei der jede Botschaft Jahrtausende unterwegs ist. Aber die kulturellen Auswirkungen einer solchen Entdeckung kämen ja nicht nur vom Inhalt der Nachricht, sondern vor allem vom Wissen, nicht allein zu sein im Universum. Die Menschen suchen seit jeher Spiegelwesen, ein Gegenüber. Wir haben bei Schimpansen gesucht, bei Delfinen, bei den Göttern. Jemanden, mit dem wir kommunizieren können, und der kein Mensch ist. Vielleicht würde uns das bloße Wissen um eine außerirdische Existenz gut tun. Auch, wenn wir sie niemals treffen werden.

Für wie wahrscheinlich halten Sie das typische Sci-Fi-Szenario, einen Besuch durch Außerirdische? 

Direktkontakt ist das dritte Szenario. Sehr unwahrscheinlich. In den Romanen besteht überhaupt nur die Möglichkeit dafür, weil der Heimatplanet der Außerirdischen im direkten Nachbarsonnensystem liegt, nur wenige Lichtjahre von uns entfernt. Wahrscheinlicher wäre, dass eine außerirdische Zivilisation Tausende Lichtjahre entfernt existiert. Ausgeschlossen ist ein Besuch nicht. Nur wären die Besucher wohl keine biologischen Lebensformen, sondern künstliche Intelligenzen. Die könnten mal eben für Jahrtausende durch den Weltraum reisen.

Die Romanreihe sieht das Universum metaphorisch wie einen dunklen Wald voller Leben. Die beste Überlebensstrategie ist es, nicht auf sich aufmerksam zu machen. Ist das realistisch?

Das ist ein sehr schlauer Gedanke, der sogar in der Fachliteratur diskutiert wird. Die Metapher funktioniert sehr gut. Wir wissen nichts über diesen Wald. Da ist es sehr dumm, laut zu schreien.

Wie gefährlich könnte es denn sein, wenn Aliens uns schreien hören?

Wir wissen nicht, wie die Moral von Außerirdischen aussieht. Vielleicht haben sie keine. Oder sie ist unserer so unähnlich, dass sie die Erde mit einem Augenzwinkern vernichten würden, ohne darüber nachzudenken. Weil es in ihrem moralischen System nichts Schlimmes wäre. Das könnte sehr gefährlich für uns werden.

Prof Dr Michael Schetsches Forschungsgebiet ist die Exosoziologie Die Forschungsrichtung beschäftigt sich unter anderem mit Kontaktszenarien und deren möglichen Folgen

Die Menschen suchen seit jeher Spiegelwesen, ein Gegenüber. Wir haben bei Schimpansen gesucht, bei Delfinen, bei den Göttern.

Dr. Michael Schetsche

Wie könnten wir uns auf ein Kontaktszenario vorbereiten?

Vor allem müssen wir regeln, wer für die Menschheit spricht. Bei der UN gibt es nicht mal ein winziges Büro, das sich mit der Frage beschäftigt. Und wenn es nicht geregelt ist, sprechen im schlimmsten Fall Militärs. Da gibt es welche, die ernsthaft Aufsätze schreiben darüber, wie man einen Krieg mit Aliens führen könnte. Absurd!

Könnten wir einen solchen Krieg gewinnen?

Ein Krieg gegen Außerirdische würde etwa fünf Minuten dauern. Dann wären wir besiegt. Wenn die in der Lage sind, hierher zu kommen, dann sind sie uns technologisch so weit voraus, dass da überhaupt keine Chance für uns besteht, diesen Konflikt zu gewinnen.

Die Menschheit hat ja bereits Signale gesendet …

Ja, ich persönlich halte das für so ziemlich das Dümmste, was man machen kann. Die Astrobiologen, die sich damit beschäftigen, wie außerirdisches Leben beschaffen sein könnte, sind sich relativ einig: Wenn eine Spezies im Rahmen ihrer Evolutionsgeschichte intelligent wird, stammt sie von Prädatoren ab. Also von Jägern, so wie wir. Die müssen raffiniert sein, Strategien entwickeln können. Man braucht eine gewisse Veranlagung für Heimtücke. Wie sonst hätten Steinzeitmenschen ein Mammut bezwingen können? Will man wirklich von Fremden, die eine ähnliche Abstammung haben, entdeckt werden?

Gibt die Geschichte auf der Erde uns Anhaltspunkte, wie ein Kontakt verlaufen könnte?

Der Mensch ist nicht gut darin, entdeckt zu werden. Das zeigen uns Kontakte zwischen Kulturen, die noch niemals etwas miteinander zu tun hatten. Meistens sind diese Begegnungen nicht gut ausgegangen für die Entdeckten, wenn beide Kulturen auf einem unterschiedlichen technologischen Niveau waren.

Auf den nordamerikanischen Kontinenten haben wir innerhalb von 200 Jahren über 90 Prozent aller indigenen Kulturen verloren. Und zwar komplett. Viele durch Krankheiten und Konflikte – aber auch einfach nur durch den Kulturschock. Sogar ganz unabhängig von den Motiven der Entdecker gibt es diesen Schockmoment bei den Entdeckten. Die sozialen Systeme gehen kaputt. Sollten Außerirdische uns entdecken, würde uns diese Rolle des Entdeckten nicht bekommen.

Zu guter Letzt die Frage, die alle Verschwörungstheoretiker interessiert: Waren Aliens schon mal auf der Erde?

Die Idee wird generell eher belächelt. Das halte ich für einen Fehler. Die Grundidee, dass vor Tausenden von Jahren außerirdische Raumsonden auf der Erde waren, ist nicht ausgeschlossen. Ob wir das jemals wissen werden, hängt davon ab, wie lange ein solcher Besuch zurückliegt. Sind es 5000 Jahre? Dann gibt es vielleicht kulturelle Erinnerungen. Dann könnte es Aufzeichnungen von frühen Hochkulturen geben. Das ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dann hätten wir heute eindeutigere Funde. Und wenn es noch viel früher passiert ist, werden wir wahrscheinlich niemals etwas darüber erfahren.

Netflixwoche Redaktion

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