„Ich war sofort besessen“ – Showrunnerin Nicole Taylor über Zwei an einem Tag

Die schottischen Showrunnerin Nicole Taylor verrät im Interview, wie sie Zwei an einem Tag kreierte und wie die Zusammenarbeit mit Romanautor David Nicholls war.

Es gibt einen Grund, warum Menschen Romanzen lieben, die sich nur langsam entfalten. Ganz gleich, ob ein Paar durch die Distanz voneinander getrennt ist, unter schlechtem Timing oder unter Momenten unerwiderter Liebe leidet: Einige der großartigsten Liebesgeschichten strecken sich über Jahre.

Im Fall von Dexter Mayhew und Emma Morley in Zwei an einem Tag umspannt ihre Geschichte fast zwei Jahrzehnte. Die Netflix-Serie basiert auf dem gleichnamigen Roman von David Nicholls (in Deutschland 2010 erschienen), der die unwahrscheinliche Freundschaft zwischen Dex und Em erkundet: Am 15. Juli 1988 treffen sie sich erstmals, direkt nach ihrem College-Abschluss. Über 20 Jahre hinweg bleibt ihre Bindung bestehen, entwickelt sich und verändert sich – obwohl sie sich jedes Jahr nur an diesem einen Tag, dem 15. Juli, treffen.

Es ist eine Geschichte, die bei ihrer Romanveröffentlichung auch den Weg ins Herz der schottischen Showrunnerin und leitenden Produzentin Nicole Taylor gefunden hat. Ähnlich wie Dex und Em im Leben des jeweils anderen auftauchen und wieder verschwinden, fand Zwei an einem Tag auch seinen Weg zu Taylor – und sie wurde mit der großen Aufgabe betraut, das Buch in eine Serie zu verwandeln.

Hier spricht Taylor über den Entstehungsprozess sowie über die Zusammenarbeit mit Romanautor David Nicholls.

NICOLE TAYLORS ERSTE ERINNERUNG AN DAS BUCH

Ich habe es gelesen, als es zum ersten Mal herauskam – und war sofort besessen. Es gab eine Zeit in London, in der jeder in der U-Bahn das Buch las. Für mich und so ziemlich jede Frau in meinem Alter war Emma eine Figur, mit der wir uns alle verbunden fühlten. Sie ist eine der am besten gezeichneten weiblichen Figuren in der Belletristik. Die Gelegenheit, sie in 14 Episoden zum Leben zu erwecken, war für mich unglaublich aufregend.

Emma steht für viele Frauen. Illustration: Marianna Tomaselli

DIE SERIENVERFILMUNG VON ZWEI AN EINEM TAG

Jahre, nachdem ich das Buch zum ersten Mal gelesen hatte, wurde ich gerade Mutter. Da bat man mich, das Buch zu adaptieren. Ich habe es noch einmal gelesen und fast gehofft, dass es nicht so gut war, wie ich es in Erinnerung hatte. Dann hätte ich es ablehnen und mich an meinen Plan halten können, eine einjährige Babypause zu machen. Doch ich habe es in einem Rutsch gelesen. Es war sogar besser, als ich es in Erinnerung hatte! Ich fühlte alles, was ich zum ersten Mal beim Lesen gefühlt hatte – und noch mehr, weil ich jetzt älter war und die im Buch dargestellten Lebensabschnitte schon durchlebt hatte. Das Fernsehen ist das perfekte Medium für die Adaption dieses Buchs, da es von Natur aus episodisch ist. Und Netflix hat uns so viel Zeit gelassen, wie wir brauchten. Es ist eine Geschichte über Liebe und Freundschaft, aber man muss die Charaktere als Individuen kennenlernen. Daher war es großartig, 14 Episoden zu drehen.

Das Fernsehen ist das perfekte Medium für die Adaption des Buchs, sagt Nicole Taylor.

DIE AUSEINANDERSETZUNG MIT DEM ROMAN

Emmas mangelndes Selbstvertrauen war für mich interessant. Ich denke, das war ziemlich typisch für jede junge Frau aus dieser Schicht, die versucht, in die Kreativbranche einzusteigen. Es war etwas, wozu ich viel zu sagen hatte und das mich genauso interessierte wie die Liebesgeschichte. Emma bewegt sich im Vergleich zu Dex in die entgegengesetzte Richtung – ihr Selbstvertrauen nimmt mit der Zeit zu. Im Paris-Kapitel hat er das Gefühl, dass ihm viele Türen verschlossen bleiben – während sie das Gefühl hat, dass es so viele Möglichkeiten für sie gibt.

Em und Dex verbindet Freundschaft und Liebe. Illustration: Marianna Tomaselli

AMBIKA MOD UND LEO WOODALL, DIE SICH IN EM UND DEX VERWANDELN

Mein „Take“, sofern ich einen hatte: Ich wollte versuchen, dem Gefühl beim Lesen des Buches so nahe wie möglich zu kommen. Als wir die Casting-Tapes für Ambika und Leo sahen, waren sich alle sofort einig. Da ich schon immer von der Figur Emma besessen war, war es besonders spannend, die beste Schauspielerin für sie zu finden. Und als Ambika die Rolle bekam, fühlte es sich an, als würde ich für sie schreiben. Das hat mich sehr gefreut, denn sie hat so viel von der Intensität, die ich aus der Figur herausholen wollte. Sie macht das, was ich an Schauspielern am liebsten mag: ganz ohne Dialog viel vermitteln. Leo ist traumhaft und bringt etwas Neues in die Rolle. Denn er ist kein typischer englischer Snob – er ist sehr verletzlich. Die Frage für uns alle war: „Willst du dir acht Stunden lang diese Leute ansehen?“ Und ich dachte: „Ja, gebt mir 18 Stunden von ihnen!“

Die Buchvorlage und das Drehbuch überzeugten Leo Woodall und Ambika Mod sofort.

DER EINSATZ VON MUSIK UND KOSTÜMEN

David Nicholls war mit Musik-Supervisor Matt Biffa an der Auswahl der Musik beteiligt – das war großartig! Wir haben schon früh entschieden, dass wir keine spezifischen Anspielungen auf das wollen, was aus dieser Zeit im kollektiven Gedächtnis der Menschen existiert. Offensichtliche Anspielungen können die Menschen aus der Geschichte herausreißen. Meine Aufgabe war, mich auf den Vordergrund zu konzentrieren und auf das, was emotional vor sich ging. Aber die Inszenierung als Ganzes hat dafür gesorgt, dass die Atmosphäre der Zeit angemessen ist. Das Design, die Kostüme, die Haare und das Make-up ... alle Elemente wurden kombiniert, um die Epoche wiederzugeben.

Die Musik spielt bei Zwei an einem Tag eine Rolle. Illustration: Marianna Tomaselli

DIE ARBEIT MIT DAVID NICHOLLS

Es war sehr beängstigend, die Verfilmung des Buches in Angriff zu nehmen. Denn man will eines seiner Lieblingsbücher nicht vermasseln – und dann auch noch eines von David Nicholls! Ich bewundere ihn als Romanautor und als Drehbuchautor, er hat einige der besten Verfilmungen gemacht. Er ist leitender Produzent bei Zwei an einem Tag und die Zusammenarbeit mit ihm war einer der Höhepunkte. Er ist wirklich ein sehr offener und kooperativer Partner und wir haben gut zusammengearbeitet. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er mir im Nacken sitzt – sondern ich suchte ihn als Mentor, Resonanzboden und Freund. Ich hatte so viel Freiheit, aber auch so viel Unterstützung von ihm.

Das Team von Zwei an einem Tag: David Nicholls (Autor), Molly Manners (Regie), Ambika Mod, Nicole Taylor und Leo Woodall.

DIE DIALOGE AUS DEM BUCH

Da David auch Drehbuchautor ist, schreibt er besonders gute Dialoge. Normalerweise würde ich keine Dialoge direkt aus Romanen übernehmen, aber so viel Humor entsteht durch bestimmte Sätze im Buch. Wo es sich gut anfühlte und Sinn ergab, habe ich diese übernommen. Das hat auch geholfen, die Zeit einzufangen.

DER SCHWIERIGSTE TEIL VON ZWEI AN EINEM TAG

Von Jahr zu Jahr zu springen – ohne eine explizite Erklärung für die verstrichene Zeit – war die größte Herausforderung. Dafür zu sorgen, dass der Zeitsprung fesselnd und nicht verwirrend ist. Als Zuschauerin mag ich es, wenn ich aufgefordert werde, mitzudenken. Wenn man sich selbst fragen muss und die Lücken füllt, anstatt alle Antworten zu bekommen. Bei den Dreharbeiten zur Paris-Folge gab es einen Moment, in dem Dex Em besucht und erwähnt, dass sie Sex hatten – was die Zuschauer nicht gesehen haben. Das mag irritieren. Aber tatsächlich steht in den Folgen einer betrunkenen Begegnung etwas viel Dramatischeres auf dem Spiel, als wenn man die Begegnung selbst sieht. Ich bin froh, dass wir den Mut hatten, das zu tun.

Dex und Em verbringen Zeit in Paris. Illustration: Marianna Tomaselli

WOMIT SICH ALLE ZUSCHAUER*INNEN IDENTIFIZIEREN KÖNNEN

Es ist universell, einen Menschen in seinem Leben zu haben, der eine gewichtige Bedeutung hat – obwohl er mit einem nicht viel gemeinsam hat. Eines der aufregendsten, geheimnisvollsten und schönsten Dinge im Leben ist die Art und Weise, wie eine Person dich sehen kann – und du sie siehst, ohne dass es dafür eine Erklärung gibt. Manchmal ist das herausfordernd, provozierend, unangenehm. Aber manchmal ist es auch heilsam und hilft dem Leben, wenn alles im Chaos versinkt, einen Sinn zu geben. Ich habe das Gefühl, dass das universell und größer als Romantik ist. Es ist diese kosmische Sache, die ohne rationale Erklärung über die Zeit bestehen bleibt.

Die Verbindung von Em und Dex ist größer als Romantik, sagt Nicole Taylor.

WAS NICOLE TAYLOR HOFFT

Ich hoffe, die Fans sehen sich Ambika und Leo an und denken: Ja, das ist meine Emma, das ist mein Dexter. Ich hoffe, sie finden es kathartisch und aufbauend und lustig und niederschmetternd und verklärend! Ich lache jetzt über mich selbst, weil das alles nach übertriebenen Erwartungen klingt – aber genau so habe ich mich beim Lesen des Buches gefühlt. Ich habe alles gespürt! Und ich möchte, dass die Zuschauer das auch spüren.

Kelsey Barnes, Queue

Drücke ESC, um die Suche zu schließen.