Zombieverse: Wie der Zombie ins Kino kam – und uns heute noch auf den Fersen ist

Zombies gehören zu den gruseligsten Monstern. Man kennt die Kreaturen aus unzähligen Filmen und Videospielen. Aber woher kommt die anhaltende Faszination für die wandelnden Verfaulenden?

Die koreanische Reality-Serie Zombieverse fängt harmlos an. Am Set der Dating-Sendung „Love Hunter“ plaudern Leute, Hosts wärmen sich für den Dreh auf. Dann kommt eine Dating-Kandidatin herein, die keinen besonders gesunden Teint hat und den Kopf hängen lässt. Kurze Zeit später beißt sie ihrem Date Stücke aus dem Gesicht. Es bricht Panik aus. Die Untoten sind jetzt in Seoul los. Und eine Gruppe von Kandidat*innen muss sich ihren Weg durch die Zombiemassen kämpfen.

Zombies gehören zu den gruseligsten Monstern: Faulende Haut, Fleischwunden, herunterhängende Gliedmaßen, Appetit auf Lebendige. Man kennt die Kreaturen aus unzähligen Filmen und Videospielen. Aber woher kommt die anhaltende Faszination für die wandelnden Verfaulenden?

In Zombies spiegeln sich tiefe gesellschaftliche Ängste, zeigen viele wissenschaftliche Artikel und Bücher zum Thema. Geschichten über Monster gab es auch schon vor Serien wie The Walking DeadHier ist ein Überblick über die Entwicklung der Zombies in Film- und Serien.

Wo kommen Zombies her?

Der Begriff „zombi“ kommt aus der Folklore der Karibikinsel Haiti. Genauer genommen aus den Mythen und spirituellen Vorstellungen der Sklav*innen, die von französischen Kolonialisten auf die Insel gebracht wurden. Sie glaubten damals, dass Menschen, die gewaltsam gestorben sind, nicht zur Ruhe kommen und in einem Zustand zwischen Leben und Tod umherwandeln.

Während des ersten Weltkriegs besetzt dann die USA Haiti: „Die Gewalt, die den Bewohner*innen widerfuhr, wurde von tiefsitzendem Rassismus auf Seiten des US-Militärs angefacht,“ schreibt die Filmwissenschaftlerin Robin R. Means Coleman in ihrem Buch Horror Noir. Der Rassismus gegenüber den Haitianer*innen ist ein wichtiger Faktor für die Idee des Zombies nach Vorstellung der USA: Die Marine bringt in der Zeit ihre voreingenommenen Eindrücke von der haitianischen Kultur mit nach Hause. Deshalb ist es laut Coleman auch kein Wunder, dass in dieser Zeit der erste Horrorfilm entsteht, der von Haitis „Voodoo-Religion“ und „schwarzer Magie“ inspiritert ist. Und die Idee des Zombies aufgreift: White Zombie.

Geschichten über Monster gab es auch schon vor Serien wie The Walking Dead – auch wenn diese zwei schon gruseln.

Wann wurde der erste Zombie-Film veröffentlicht?

White Zombie kommt 1932 in die Kinos: Ein junges weißes Paar aus New York lernt auf Haiti einen weißen Geschäftsmann kennen. Der überzeugt sie, auf seinem abgelegenen Anwesen im Dschungel zu heiraten. Er hat allerdings selbst ein Auge auf die Braut geworfen und will sie stehlen. Ein Plantagenbesitzer und ein Voodoo-Meister verwandeln die Frau in einen willenlosen Zombie. Mehrere Menschen werden im Laufe des Films vom „bösen“ Haitianer*innen zu Zombies gemacht: Willenlose Kreaturen, die nur auf die Befehle ihrer Meister hören. Das weiße Paar kann am Ende fliehen.

Die neue Kreatur Zombie kommt in den USA an. Zombiefilme werden danach in Hollywood zuhaufe gedreht. Die Beliebtheit von Zombies liegt in der amerikanischen Kultur. Diese exotisiert den haitianischen spirituellen Glauben und macht ihn zu einem Horrorszenario, basierend auf Angst vor Fremden, vor allem vor Schwarzen Menschen. Der Mechanismus kommt aus dem Kolonialismus und der Sklavereigeschichte, sagt Coleman: „Der Film liefert eine Post-Sklaverei-Fantasie von Fügsamkeit – alterlose Sklaven, die für immer unermütlich unter den tötlichsten Umständen arbeiten, ohne sich zu beschweren.“

Nazis, Sowjets und Atombomben

1941 kommt Herr der Zombies – Insel der lebenden Toten in die US-Kinos. In der Horrorkomödie ist ein Flugzeug mit geheimem Regierungsauftrag auf dem Weg zu den Bahamas. Es stürzt ab und die Crew strandet auf einer Insel. Dort trifft sie auf einen mysteriösen österreichischen Wissenschaftler, der angeblich vor den Nazis geflohen ist. Am Ende des Films finden sie den Doktor bei einem Voodoo-Ritual, in dem er Zombies auf sie hetzt – aber eigentlich ist er ein Spion und versucht, GeheimdienstiInformationen von einem US-Admiral zu bekommen.

Was ziemlich abgefahren klingt, liegt in einer neuen US-amerikanischen Angst begründet: Der Zweite Weltkrieg ist ausgebrochen. Die Angst vor dem Sieg der Deutschen findet sich auch in Zombiefilmen wieder. Da geht es jetzt um Spionage und Nazi-Untote: Der Film Revenge of the Zombie (1943) erzählt zum Beispiel von einem deutschen Wissenschaftler, der eine Zombie-Armee heraufbeschwört, um das Gebiet des Dritten Reichs zu vergrößern.

Mit dem Atombombenabwurf über den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki, dem Kalten Krieg und Atombombentests in der Sowjetunion, beginnt sich die kollektive Angst der US-Amerikaner*innen auf den Kommunismus und die nuklearen Zerstörung zu konzentrieren: Filme wie Creature with the Atom Brain oder Teenage Zombies erzählen in den Fünfzigern davon. Es geht um „Sowjets“, die alle US-Bürger in kontrollierbare Zombies verwandeln wollen.

Feinde im eigenen Land

Die 1960er-Jahre sind in den USA eine turbulente Zeit, die sich im Zombiefilm widerspiegelt: Das Aufbegehren der Jugend, ihre Proteste gegen den Krieg und die Forderungen der Bürgerrechtsbewegung stehen im Zentrum. All das führt zu dem wohl bedeutendsten Zombiefilm der Geschichte: George A. Romeros Nacht der Lebenden Toten (Night of the Living Dead) von 1968. Darin geht es um eine Gruppe von Menschen, die sich nicht kennt. Sie müssen sich aber gemeinsam in einem Haus verschanzen, weil Untote sie belagern.

Romero macht für diese Zeit etwas Ungewöhnliches: Er besetzt den Schwarzen Schauspieler Duane Jones in der Hauptrolle Ben. Ben ist im Film der Held der Stunde, der im Gegensatz zu allen anderen immer einen kühlen Kopf bewahrt. Der Rest der Gruppe ist weiß. Im Film spürt man immer wieder die Spannungen, die auch in der US-Gesellschaft allgemein die Zeit bestimmen: Die Weißen zeigen immer wieder rassistische Aggressionen gegenüber Ben, die Situation kann jederzeit eskalieren. Ben schafft es am Ende als einziger, die Nacht zu überleben. Als er dann aus dem Haus tritt, wird er von einer Gruppe weißer Männer erschossen.

Es ist kein Zufall, dass die Männer, die Ben erschießen, aussehen wie Südstaatler. Zu dieser Zeit organisieren sie sich in rassistischen Mobs und ermorden Schwarze Menschen, ohne dass es jemals Gerechtigkeit für die Opfer gibt.

Shopping-Zombies in den Ruinen des Konsums

1978 legt George A. Romero den nächsten gesellschaftskritischen Horrorfilm nach. In Dawn of the Dead tobt wieder eine Zombie-Epidemie in den USA. Eine Gruppe Überlebender, bestehend aus zwei SWAT-Polizisten, einem Verkehrsreporter und einer Fernsehproduzentin, verbarrikadiert sich in einem verlassenen Einkaufszentrum. Eine Weile erfreuen sie sich an den Konsumgütern der Mall und vergessen sogar die Gefahr, die überall um sie herum lauert – bis die Zombiehorden durch die Barrikaden brechen.

In den letzten Momenten des Films spielt sanfte Shopping-Musik, die Rolltreppen summen leise, die Brunnen sprudeln, während Zombies von allen Seiten ins Gebäude einfallen. Sie wirken zunächst wie normale Mall-Kundschaft. Das ist eine Kritik am hirnlosen Konsum im Turbokapitalismus und den Menschen, die darin nur noch als willenlose Zombies leben, während eine Katastrophe naht. Wenn es darauf ankommt, sind sie so nutzlos wie die Armbanduhren, Fernseher und Nerzjacken, die sie umgeben.

Virus, Pandemie, Apokalypse: Survival in der globalen Katastrophe

In den frühen 2000ern hat die Welt AIDS, Ebola, Sars und andere verheerende Virus-Ausbreitungen miterlebt. Die 2000er und 2010er-Jahre sind auch eine Zeit, in der die Globalisierung durch das Internet voranschreitet. Zombie-Angriffe passieren in Filmen nicht mehr als Einzelschicksale. In World War Z oder Pandemic Fear The Dead steckt die Erde in einer weltweiten Zombie-Krise mit Massen verfaulender Körper, panischer Menschen, Hubschraubern, UNO-Intervention und internationalen Anstrengungen um einen Impfstoff.

Ist dann erstmal der große Sturm vorbei, die meisten Menschen tot oder untot, die Zivilisation, wie wir sie kannten, in Trümmern, beginnt die nächste Art Zombiefilm. Einer der frühesten Vertreter des Genres ist I am Legend von 2007. Ein Film, in dem Will Smith seine Zeit einsam im menschenleeren New York verbringt und sich schon längst mit der überwucherten, vermüllten Welt der Postapokalypse arrangiert hat.

Wo kommen wir hier wieder raus? In dem Netflix-Film Cargo sucht ein Vater für sich und seine Tochter Schutz.

Es ist die Zeit des Survival-Zombiefilms. Ab jetzt konzentriert man sich auf das Überleben in einer Welt, die nicht nur blutrünstige Zombies bereithält, sondern auch verfeindete Clans verrohter Menschen. Denn in dieser Welt herrscht das Recht des Stärkeren und Ressourcenknappheit.

Der australische Zombie-Horrorfilm Cargo von 2017 zeigt, wie unerbittlich der Kampf Mensch gegen Mensch in der Zombie-Endzeit ist. Ein Vater ist mit seiner kleinen Tochter auf der Suche nach Sicherheit in der Wildnis – während sein Zombiebiss ihn immer mehr lähmt. The Walking Dead erzählt die Geschichte so einer Gemeinschaft: In der Serie treten immer wieder verbissene, durchgedrehte und gefährliche Charaktere auf, die die Postapokalypse noch unerträglicher machen, als sie eh schon ist.

2010er: Der ironische Zombie

Vor lauter verbissenem Überlebenseifer und supermännlicher Einzelkämpfer, kann das Genre Zombiefilm sich offenbar selbst nicht mehr so richtig ernst nehmen. Immer öfter werden Zombiegeschichten mit Augenzwinkern versehen, die sowieso schon absurden Szenarien nochmal hochgedreht – auf einmal gibt es in der Düsternis auch Spaß. Zombieland spielt in einem Vergnügungspark und zeigt Jesse Eisenberg als das absolute Gegenteil eines Zombie-Apokalypse-Helden: Er ist schüchtern, tollpatschig und neurotisch, was sich allerdings als Vorteil im Zombiekampf herausstellt. In Zombie Detective wird ein junger Untoter plötzlich Privatdetektiv. Army of the Dead erzählt von einem Casinoraub in Las Vegas während Zombies angreifen. In #amLeben merkt ein Computer-Nerd lange nicht, dass die Stadt voller Zombies ist und er in seiner Wohnung eingeschlossen ist.

Alle Kreaturen tot? Der Netflix-Film Army of the Dead erzählt von einem Casinoraub in Las Vegas – während Zombies angreifen.

Nach so vielen Jahre Zombie-Angriff sind nun Untote gar keine Ausnahmesituation mehr. Jetzt sind sie Teil des Alltags. Zombies an der Highschool (Die Nacht der lebenden Loser), im Medizinstudium (iZombie) oder im reichen Vorort (Santa Clarita Diet).

Neuere Zombiefilme gehen sogar noch einen Schritt weiter: Ihre Charaktere finden ihren Alltag im Spätkapitalismus so schrecklich, dass sie richtig erleichtert sind, als die Zombieinvasion kommt. In Daybreak zum Beispiel. Oder in Zom 100: Bucketlist of the Dead: Dort schreit der Hauptcharakter vor Freude, als er erfährt, dass er wegen einer Zombieapokalypse nicht ins Büro muss.

Die neue Netflix-Serie Zombieverse macht aus dem Horrorszenario Zombie-Epidemie eine Art reales Videospiel.

Zombieverse geht noch einen Schritt weiter: Die neue Netflix-Serie macht aus dem Horrorszenario Zombie-Epidemie eine Art reales Videospiel, durch das sich die Teilnehmer*innen kämpfen müssen. Während die meisten Charaktere in Filmen machtlos bleiben – gegen Zombies oder ihren Arbeitgeber – dürfen hier die Anwesenden kämpfen.

Die unterbewusste Furcht vor dem Zombie ist in ihrer Essenz Angst vor Kontrollverlust – über den Körper, den Geist und damit auch das eigene Schicksal. Seien es Kriege, politische Feinde, Krankheiten oder der Kapitalismus: Zombies sind die Gestalten in unserem Hinterkopf, die uns nicht in Ruhe lassen. Sie sind zwar langsam, aber bleiben uns hartnäckig auf den Fersen.

Netflixwoche Redaktion

Drücke ESC, um die Suche zu schließen.