Wie sahen Dinosaurier wirklich aus?

Es ist die älteste Geschichte der Erde: die Entwicklung von Leben auf unserem Planeten. Eine neue Netflix-Dokumentarserie erforscht all das: von frühen Mikroben und Plankton über den Tyrannosaurus Rex und Terrorvögeln bis zum Menschen. Es ist auch eine Geschichte des Massenaussterbens: Fünf katastrophale Ereignisse, die die meisten Lebewesen ausgelöscht haben – und ein sechstes, auf das wir möglicherweise zusteuern.

Heute bevölkern zwar schätzungsweise 10 Millionen Pflanzen- und Tierarten unseren Globus. Aber das sind nur 1 Prozent aller Arten, die jemals existierten. Die anderen 99 Prozent, einschließlich der Dinosaurier, die einst auf der Erde lebten? Die sind für immer verschwunden.

Um diese Urzeitgeschichte mit realistischen Bildern zum Leben zu erwecken (mit Hilfe des Produzenten Steven Spielberg und der Computergrafik-Zauberei von Lucasfilms berühmtem VFX-Studio Industrial Light & Magic), musste Leben auf unserem Planeten eine 66 Millionen Jahre alte Frage beantworten.

Wie muskulös ist ein T. rex? So sahen die Dinosaurier aus

Es gibt natürlich die Dinosaurier unserer Fantasie, von denen viele von uns schon seit unserer Kindheit träumen. Dann ist da noch Hollywoods Darstellung der prähistorischen Raub- und Beutetiere, unauslöschlich beeinflusst von Spielberg selbst in seinem Blockbuster Jurassic Park (1993). Aber es gibt auch ein wissenschaftliches Verständnis des Aussehens der Dinosaurier, bis hin zu Farbe, Augen, Bewegungsmuster, ihrer Skelettstruktur, Hautbeschaffenheit, Gangart und Geschwindigkeit, der Größe ihres Mauls und wie – und wen – sie aßen.

Für Leben auf unserem Planeten haben die Filmemacher*innen der Naturdoku-Produktionsfirma Silverback Films (Unser Planet) insgesamt 165 Paläontolog*innen und andere Geowissenschaftler*innen konsultiert, um die Darstellungen dieser längst ausgestorbenen Tiere so getreu wie möglich zu gestalten. Für jede einzelne Schuppe, jedes Gefieder und jeden Kampf hatten sie immer mindestens drei Referenzen, um ihre Erzählungen zu untermauern, oft noch mehr. So gut wie jede Entscheidung, die wir auf dem Bildschirm sehen, wurde nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen getroffen.

Tom Fletcher, der leitende wissenschaftliche Forscher von Leben auf unserem Planeten, ist Paläontologe und Ehrenmitglied der Universität von Leicester in England. „Die Möglichkeit, Millionen von Menschen zu erreichen, war aufregend, wenn auch ein wenig einschüchternd“, sagt Fletcher gegenüber Tudum. „Aber vier Jahre später bin ich sehr glücklich, dass ich vier Milliarden Jahre Lebensgeschichte erzählen kann. Und ich bin begeistert, wie sich unsere Kreaturen und ihre Geschichten entwickelt haben.“

Aber auch die Wissenschaft hat hier ihre Grenzen, wie er bereitwillig zugibt. Nicht alles, was wir in den acht Episoden sehen, kann verifiziert werden. „Die Antwort der Wissenschaft ist: Wir können es nie wissen.“

Zumindest nicht vollkommen – aber Fletchers Aufgabe ist es, allen verfügbaren Beweisen nachzugehen. Er und andere Wissenschaftler*innen recherchierten Tausende von Texten, um die verschiedenen konkurrierenden Hypothesen zu ergründen. Wer jemals mit Freund*innen darüber gestritten haben, wer einen Kampf zwischen Raptor und einem Protoceratops gewinnen würde, weiß: Diese Gedankenspiele bilden die Grundlage für eine legitime akademische Debatte.

„Einem Tier wie dem T. rex zum Beispiel wird so viel Aufmerksamkeit zuteil, weil es so groß und charismatisch ist. Und doch sind viele Aspekte seines Lebens immer noch sehr umstritten“, sagt Fletcher.

Hinter den Kulissen von Leben auf unserem Planeten reichen die diskutierten Details von der Größe und den Zähnen des T. rex bis hin zu der Frage, wie muskulös das Raubtier wirklich war. (Es stellt sich heraus: Der T. rex war in der Tat sehr kräftig ... aber vielleicht nicht so muskulös, wie uns die Kino-Blockbuster glauben machen).

Natürlich ist nicht alles so gut erforscht oder so gut erhalten wie das berüchtigte Raubtier. Für viele Lebewesen gibt es viel weniger fossile Beweise. In einigen Fällen ist zwar die Knochenstruktur klar genug, aber die Wissenschaft hat keinen Anhaltspunkt für die Farbe einer Art. Die Filmemacher nutzten also eigenes Wissen und ihre Vorstellungskraft, um etwas zu finden, das sich „richtig anfühlt“ – ein Gefühl, das immer von ihrem Beraterteam bestätigt werden musste.

Noch schwieriger war es bei den prähistorischen Tieren, die keine Knochen hinterlassen haben. Bei ihnen mussten sich Fletcher und seine Mitarbeitenden von ihren heutigen Verwandten inspirieren lassen.

„Wir haben immer versucht, uns an den Konsens zu halten“, sagt Showrunner Dan Tapster. „Die Wissenschaft ist das, was der Serie das Gefühl gibt, ‚echt‘ zu sein. Trotzdem war es schwer, der Versuchung zu widerstehen, den Stil über den Inhalt zu stellen!“

Was von den Dinosauriern und anderen prähistorischen Kreaturen aus Leben auf unserem Planeten wahr ist und woher wir das wissen, erfährst du hier.

T. rex vs. Triceratops (Episode 1)

Der erste große Dino-Kampf in Leben auf unserem Planeten ist zwischen einem T. rex und einem Triceratops, vor etwa 68 Millionen Jahren. Der T. rex ist ein Fleischfresser und Triceratops ist ein Herbivore, ein Pflanzenfresser. Aber es ist keineswegs sicher, dass der  T. rex den gigantischen, massiven, gut gepanzerten Triceratops mit seinem dreihörnigen Kopf immer besiegen konnte. Ein erwachsener T. rex wäre langsam und schwerfällig gewesen, was die Verfolgung umso schwieriger macht.

Den T. rex in Szene zu setzen, war für die Filmemacher*innen möglicherweise die größte Herausforderung. „Der T. rex ist ein sehr umstrittenes Tier, und in vielerlei Hinsicht ist es unmöglich, ein Tier zu entwerfen, dem alle Paläontologen zustimmen“, erklären sie gegenüber Netflix.

Nach neuesten Erkenntnissen ist der T. rex groß, aber definitiv nicht so groß wie die Wolkenkratzer in einigen fiktiven Filmen. Er hat mickrige Arme. Und er ist muskulös, aber nicht so definiert, wie es nur Hollywoods Dinos zu sein scheinen. Und obwohl er einen der stärksten Kiefer der Geschichte besitzt, gibt es nicht immer einen klaren Sieger, denn seine Beute ist gut gepanzert.

Arandaspis (Episode 2)

Leben auf unserem Planeten zeichnet den dramatischen Aufstieg und Fall von Tier-„Dynastien“ im Laufe der Erdgeschichte: Wie eine Spezies erst dominiert und wie sie dann zerschlagen wird.

Eine davon tauchte scheinbar aus dem Nichts auf: Arandaspis, einer der allerersten Fische. Der Arandaspis schwamm neben hartschaligen Trilobiten, Schwämmen (uralte Tiere, die es auch heute noch gibt) und dem unheimlich aussehenden Riesenkalmar Cameroceras (mehr dazu unten).

„Er ist fast die Definition eines Außenseiters – winzig, scheinbar nutzlos“, erklärt Tapster. (Tut mir leid, Arandaspis, aber du weißt, dass es wahr ist.) Doch vielleicht hat der Fisch mit Rückgrat die drohende Eiszeit auch deshalb überlebt, weil er so winzig ist. „Und 470 Millionen Jahre später gibt es uns Menschen nur wegen ihm.“

Cameroceras (Episode 2)

Fletchers persönlicher Favorit, der gepanzerte Kopffüßer, hat zwar keine großen physischen Spuren hinterlassen, war aber vor 468 Millionen Jahren „das Größte, was es gab“. Die krakenähnliche Kreatur ist nicht nur riesig, sondern auch bedrohlich mit ihren schleimigen Tentakeln und dem glasigen Blick ihrer Augen.

Arthropleura alias Riesentausendfüßler (Episode 3)

Dieser uralte Gliederfüßer (eigentlich kein Insekt, aber doch verwandt) war so lang wie ein Auto. Seine zahlreichen, gar-nicht-so-kleinen Beine bewegten sich wie Maschinen. Das Produktionsteam arbeitete mit Wissenschaftler*innen zusammen, um das bisher genaueste – und gruseligste – Computermodell dieses riesigen Tausendfüßlers zu erstellen.

Keine Sorge: Der Arthropleura ist vor etwa 300 Millionen Jahren ausgestorben – auch wenn man sich wünscht, es wären 400 Millionen gewesen. Nur um sicherzugehen.

Lappenflosser (Episode 3)

Er sieht nicht nach viel aus, aber der Lappenflossenfisch ist ein wichtiges Übergangswesen. Wir Menschen sind auf dem Land gelandet, weil unsere Wirbeltiervorfahren aus dem Wasser aufgestiegen sind. In Wirklichkeit geschah dies schrittweise über Millionen von Jahren, aber die Filmemacher*innen von Leben auf unserem Planeten suchten nach einem Bild, um diesen Prozess zu veranschaulichen. Der Wissenschaftler Per Ahlberg beschreibt einen Moment, in dem ein solcher Fisch mit Hilfe starker Vorderflossen an Land kriecht und zum Atmen neben den Kiemen auch seine primitiven Lungen nutzt. (Diese Reise sollte allerdings nicht gut enden, als er auf viel größere Amphibien trifft, die ihm bereits zuvorkommen). Das VFX-Team der Serie arbeitete besonders hart daran, die Bewegungen der Flossen des Fisches, die sich durch den Sand schieben, genau zu modellieren.

Gorgonopsid (Episode 3)

Der monströse Gorgonopsid ist der Beweis dafür, dass auch das Leben vor den Dinosauriern furchteinflößend war. Sie sind fast 50 Millionen Jahre vor den Dinosauriern die größten Raubtiere ihrer Zeit. Und sie c

Der Gorgonopsid war nicht nur einzigartig hässlich, sondern hatte auch gefährliche, säbelartige Zähne. Aber da „nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen seine Zähne nur bei geöffnetem Kiefer zu sehen sind“, so die Filmemacher*innen, bleiben die Beißer verborgen ... zumindest bis zum Angriff.

Lystrosaurus (Episode 3, 4)

Ein weiterer Außenseiter, der als Sieger hervorgeht: Lystrosaurus ist eine kleine schweinsähnliche Kreatur, die sich nach Ansicht der Wissenschaftler in den Boden eingräbt und alle Reste frisst, die sie findet. Als weiterer Vorläufer der Säugetiere kann Lystrosaurus kaum als niedlich bezeichnet werden, aber er übersteht das Armageddon, das unzählige andere Kreaturen vernichtet.

Übrigens war der Lystrosaurus das Thema der ersten visuellen Effektsequenz, die das Produktionsteam ausgearbeitet hat. Es begann mit Vorvisualisierungen, bei denen Plastikspielzeug und Papierschnipsel als Bäume und Wasser verwendet wurden.

Plateosaurus (Episode 4)

Der Plateosaurus gehört zu den frühen Dinosauriern, die in der Trias (vor der Jurazeit) schlüpften. Sein Skelett wird seit fast 200 Jahren von Wissenschaftler*innen erforscht. Um diese Forschung zu würdigen, waren Dutzende von Menschen an der Gestaltung des Dinosauriers in Leben auf unserem Planeten beteiligt. Die Akte des Filmteams über den Dinosaurier ist ganze 55 Seiten lang.

Besonders aufmerksame Zuschauer*innen (und/oder Spielberg-Fans) werden das Augenzwinkern zu Jurassic Park in der Kameraeinstellung bemerken, die den erwachsenen Plateosaurus enthüllt.

Diplodocus vs. Allosaurus (Episode 5)

Ein weiterer Kampf zwischen Schwergewichten der Dinosaurierwelt: Dippie vs. Allo, wie die Filmemacher*innen die Sequenz nennen, beweist sich als die komplizierteste visuelle Effekt-Sequenz der Serie. Dabei werden nicht nur die ausgestorbenen Dinosaurier dargestellt, sondern auch die Vegetation.

Während der erwachsene Diplodocus mehr oder weniger räubersicher gewesen sein mag, waren die Diplo-Babys sehr anfällig für Raubtiere, einschließlich des monströsen Allosaurus. Die Wissenschaftler*innen glauben, dass die Diplodocus-Babys eine Versteckhaltung einnahmen, um sich zu schützen, ähnlich wie heutige Antilopen.

„Das war eine der aufregendsten Jagdszenen“, sagt Kameramann Jamie McPherson. Die Filmemacher*innen wollten die Szene in einer regnerischen Nacht spielen lassen, um den Schrecken auf die Spitze zu treiben. Es hat funktioniert.

Anchiornis (Episode 6)

Kein Ausflug der verschiedenen Dinosaurier-Dynastien ist vollständig ohne einen Blick auf die berühmten Flugsaurier. Anchiornis, einer der ersten Flugsaurier, ist ein Cousin des bekannteren Archaeopteryx.

Die Forscher*innen von Leben auf unserem Planeten haben das Glück, dass Anchiornis (zumindest für prähistorische Verhältnisse) sehr gut erhaltene Fossilien hinterließ. Sogar seine Farbe ist vollständig erhalten. Die Animator*innen haben sich viel mit den bunten Federn abgemüht, die diese 160 Millionen Jahre alte Kreatur so auffällig machen.

Terrorvogel vs. Theosodon (Episode 6)

Frühe Vögel sind auch in Leben auf unserem Planeten zu sehen. In dieser Episode jagt der treffend benannte Terrorvogel das Säugetier Theosodon. Obwohl der Terrorvogel nicht fliegen konnte, ersetzte er diese Fähigkeit vor etwa 20 Millionen Jahren durch rohe Kraft. Das bedeutet: Ein kräftiger Hals, ein massiver Killerschnabel und scharfe Krallen, die Falken im Vergleich harmlos aussehen lassen.

Megacerops (Episode 7)

Leben auf unserem Planeten nähert sich in der siebten Episode der heutigen Zeit und enthüllt die Geschichte der Säugetiere. Die Wurzeln dieser Dynastie, zu der auch wir Menschen gehören, reichen 250 Millionen Jahre zurück.

Nach dem sechs Meilen breiten Asteroiden, der vor 66 Millionen Jahren die Herrschaft der Dinosaurier beendet, erobern Säugetiere die Erde. Millionen von Jahren später durchstreift der Megacerops Nordamerika, frisst Blätter und sucht nach einer Partnerin.

Da Megacerops den heute noch lebenden Nashörnern so sehr ähnelt, musste Industrial Light & Magic besonders sorgfältig vorgehen, um seine majestätische Gestalt wieder zum Leben zu erwecken. Fletcher tauschte zahlreiche Notizen mit dem Studio aus, um mit den Animator*innen die Nuancen herauszuarbeiten, die den Megacerops von den heutigen Säugetieren unterscheiden, wie zum Beispiel seine Hornstruktur.

Smilodon vs. Doedicurus (Episode 7)

Der absurdeste aller Zweikämpfe in Leben auf unserem Planeten stellt die Säbelzahnkatze Smilodon einem Gürteltier gegenüber. Genauer gesagt: Doedicurus, ein gürteltierähnliches Wesen von der Größe eines VW Käfers.

Aber so liebenswert langsam die Kreatur auch ist, sie ist durch ihren undurchdringlichen Panzer und ihren Schwanz bestens geschützt. Das Verhalten der jugendlichen Raubkatze wurde modernen Tieren wie Geparden und Löwen nachempfunden, die sich zunächst anschleichen.

Wollmammut (Episode 8)

Kaum zu glauben, dass es das Wollmammut, das in Filmen so oft durch eine verschneite Einöde stapft, vor nur 4.000 Jahren noch gab. Sicher, das ist eine ziemlich lange Zeit, aber im großen Zeitrahmen der Erde ist es im Grunde gestern ausgestorben.

Dieses gewaltige Säugetier mit seinem Zottelteppich und den kunstvollen Stoßzähnen kann sich während der letzten Eiszeit und darüber hinaus behaupten, bevor es ausstirbt – aus Gründen, die vielleicht auf unsere Vorfahren zurückzuführen sind. Und wie die Filmemacher*innen von Leben auf unserem Planeten erklären, ist die Idee, diese Tiere wieder zum Leben zu erwecken, nicht unmöglich. Denn Wissenschaftler*innen haben gefrorene Überreste des Wollhaarmammuts in Permafrostboden entdeckt. Ist das der Anfang von der Verwirklichung unserer Jurassic Park-Träume?

Paul Schrodt, Tudum

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