Warum ist der Vorspann von 3 Body Problem so unheimlich?

Der Komponist Ramin Djawadi hat eine der meistgesummten Intro-Melodien aller Zeiten geschrieben. Nun  arbeitet er erneut mit den Game of Thrones-Schöpfern David Benioff, D.B. Weiss und Co-Showrunner Alexander Woo an einer ganz anderen Serie zusammen: 3 Body Problem.

Statt um Drachen und fantastische Revierkämpfe geht es im neuen Sci-Fi-Thriller um existenzielle Geheimnisse und das Leben einer internationalen Gruppe von Charakteren, mehrere Chronologien und Dimensionen.

Das Bindeglied zwischen den vielen Handlungssträngen und komplexen Themen ist Djawadis ausgefeilte Filmmusik, die mit individuellen Melodien für die Charaktere, bedrohlichen Rhythmen und abstraktem Sounddesign experimentiert – und einem strategisch gut getimten Hit von Lana Del Rey.

Hier verrät Djawadis mehr über seine Arbeit mit Benioff und Weiss an der Vorspannmusik von 3 Body Problem und der Vertonung einiger der dramatischsten Momente der Serie.

Sie kommen von großen Serien wie Game of Thrones und Westworld. Wie haben Sie sich bei diesem Projekt gefühlt?

Ich setze mich bei jedem einzelnen Projekt, das ich anfange, unter Druck. Ich beginne immer mit einer leeren Seite, einem leeren Bildschirm ... Jedes Mal frage ich mich: „OK, was werde ich diesmal tun? Was kann ich schaffen, das für dieses Projekt einzigartig ist?“ Und offensichtlich unterscheidet sich dieses Projekt so sehr von Game of Thrones, dass ich wirklich etwas schaffen wollte, das für die Serie einzigartig und anders ist, aber natürlich immer noch irgendwie meine Stimme hat. Aber es ist immer eine Herausforderung.

Wie war es, wieder mit David Benioff und D.B. Weiss zu arbeiten, und wie haben die beiden Ihnen 3 Body Problem schmackhaft gemacht?

Es war absolut fantastisch, wieder mit ihnen zu arbeiten! Inzwischen kennen wir uns ja schon lange. Wir haben 2011 angefangen, zusammenzuarbeiten. Da ist Vertrauen, da ist eine Freundschaft entstanden. Ich war sehr aufgeregt, als sie mich anriefen und sagten: „Ramin, wir brauchen dich in etwa einem Jahr. Wir haben ein neues Projekt, und bitte sorge dafür, dass du zur Verfügung stehst.“ Und dann haben sie mir ein wenig darüber erzählt, und ich war sehr aufgeregt.

Hatten Sie schon von dem Buch Die Drei Sonnen gehört, bevor Sie an Bord kamen?
Ich hatte von dem Buch gehört. Aber genau wie bei Game of Thrones hatte ich das Buch nicht gelesen. Und genau wie bei Game of Thrones war ich gespannt darauf, wie David und Dan das Buch umsetzen. Also habe ich beschlossen, das Buch gar nicht zu lesen. Ich wollte nur sehen, welche Geschichte sie erzählen und wie sie sie adaptieren.

Lassen Sie uns über den Vorspann sprechen. Haben Sie zuerst eine Idee für das Bildmaterial, oder fällt Ihnen die Musik zuerst ein?

Das lief parallel. Ich hatte eine gute Vorstellung davon, wie das Bild aussehen würde –  es war aber noch nicht in der endgültigen Form. In diesem Fall fing es ganz klein an: Die Kamera zoomt heraus, und der Auschnitt wird immer größer und größer, und wir gehen in den Weltraum. Ich hatte also eine Vorstellung von dem, was es sein sollte. Und dann habe ich es noch einmal mit David und Dan durchgesprochen. Die Idee beim Intro ist immer, dass man die Essenz der Serie einfangen will. In diesem Fall sagten sie: Wir brauchen Abenteuer, wir brauchen Geheimnisse, wir brauchen Gefahr, wir brauchen Emotionen.

Ein Thema, mit dem ich gerne gespielt habe und das in der Musik immer wieder auftaucht, ist die Kommunikation – hier geht es um die Kontaktaufnahme mit einer außerirdischen Art. Also dachte ich: „Was wäre, wenn wir eine Art Morsecode in der Musik hätten, der wie diese Muster klingt, die sich nicht einmal ständig wiederholen, sondern eine Art Kommunikationscode darstellen?“ Das hört man dann im Haupttitel, und das ist auch etwas, das ich im Rest der Musik verwende.

Sie meinen den Klavierrhythmus?

Ja, dieser Rhythmus ... Er wird überlagert, aber das Muster ist kein buchstäblicher Code für irgendetwas – ich habe ihn einfach zu meinem eigenen gemacht, also behandle ich ihn, als wäre er eine Form der Kommunikation. Er ist beunruhigend, weil er kein gleichmäßiges Muster ist, das leicht in einen Groove fällt –  immer wenn man das Gefühl hat, dass es einen Downbeat geben sollte, gibt es keinen. Er treibt einen vorwärts und macht Lust auf mehr, aber er ist beunruhigend, weil er ungleichmäßig ist.

In 3 Body Problem geht es um Außerirdische, das Ende der Welt und viel um Wissenschaft. Berücksichtigen Sie diese außerweltlichen Themen, wenn Sie entscheiden, welche Instrumente oder Sounds Sie verwenden wollen? 

Auf jeden Fall. In der Musik gibt es definitiv Stücke, die ziemlich abstrakt werden, wo es mehr um Sounddesign geht und nicht so sehr um das eigentliche Thema. Aber für den Haupttitel haben wir eher organische Instrumente gewählt. Es fängt mit dem Klavier an, und wenn die Kamera herauszoomt, kommt das Orchester dazu, und es wird einfach episch. Es gibt auch ein paar Synthesizer, aber es bleibt sehr organisch, weil die ganze Serie sehr charaktergetrieben ist und wir einfach eine einprägsame Melodie haben wollten. Aber in der Musik geht es definitiv hier und da in andere Richtungen.

Eine Szene, in der die Filmmusik sehr zum Drama beitrug, war die, in der die Wissenschaftler Wills Gehirn in den Weltraum schießen und es so viel Hoffnung gibt, die sich dann aber als Fehlschlag erweist. Wie war es, diesen emotionalen Bogen zu spannen?

Das ist einer der Höhepunkte in der Serie, und es ist auch eine lange Szene, so dass die Aufgabe darin bestand, weiter zu wachsen, positiv zu bleiben und das Publikum dazu zu bringen, zu denken: „Oh, dieses ganze Experiment wird ein Erfolg werden.“ Später erfährt man dann, was passiert ist, und das war definitiv auch knifflig. Und weil die Szene im Weltraum stattfindet, gibt es auch keinen richtigen Ton. Die Musik ist also das einzige Geräusch, das man zu diesem Zeitpunkt hört, und sie trägt die Erzählung sehr stark mit.

Wade (Liam Cunningham) und Jin (Jess Hong) müssen auf das Ergebnis ihres riskanten Experiments warten.

Ein weiterer bemerkenswerter Moment in der Filmmusik war in Episode 6, als Will auf dem Papierboot sitzt und man die Instrumentalmusik zu Video Games von Lana Del Rey hört. Wie habt ihr diesen Song ausgewählt?

Der Song wurde von den Produzenten ausgewählt, das war ihre Idee. Es ist ein wunderschönes Lied. Und die Szene, die es einleitet, brauchte Musik. Anstatt ein völlig anderes Musikstück zu verwenden, dachten wir, dass es eine gute Gelegenheit wäre, den Song als Instrumentalstück zu spielen und mit der Musik zu unterlegen. Am Anfang merkt man vielleicht gar nicht: „Oh, warte, oh, warte, das ist Lana Del Rey.“ Dann fängt die Melodie an, und dann geht sie in den eigentlichen Song über. Es ist eine sehr kraftvolle Szene.

Was war der Song, der Sie zur Filmkomposition gebracht hat?

Elmer Bernsteins Filmmusik für Die glorreichen Sieben. Als ich den Film als Kind sah – diese Melodien! –  sie blieben bei mir hängen. Als der Film zu Ende war, hatte ich diese Melodien immer noch im Ohr, und mir wurde klar, welche Macht Musik in Verbindung mit einer visuellen Erzählung hat und was sie bewirken kann. Da wurde mir klar, dass das etwas ist, was ich machen möchte, wenn ich erwachsen bin.

STEPHAN LEE, TUDUM

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