Tom & Jerry: Schadenfreude erwünscht!

Nach über 80 Jahren, 161 Kurzfilmen, TV-Serien und einem Zeichentrick-Spielfilm ist nun der erste Tom & Jerry-Film auf Netflix, der Animation und Realverfilmung mischt (mit u.a. Chloë Grace Moretz, bekannt aus Kick-AssNimona). Der Film bedient einmal mehr unsere Schadenfreude.

Warum freuen sich eigentlich seit Jahrzehnten Millionen von Fans, wenn Tom gehauen, getreten, eingezwickt, in die Falle gelockt, in die Luft gejagt oder an einen Feuerwerkskörper gebunden wird?

Hätte eine Katze wirklich nur sieben Leben, wäre aus Tom & Jerry kein Dauerbrenner geworden. Kater Tom hätte vermutlich schon in Folge 2 seine gesamten Leben ausgehaucht. In Echt – pardon, in den seit 1940 laufenden Episoden und Filmen –  braucht Tom locker 1.000 Leben, um weiter, immer weiter auf Mäusejagd zu gehen. Dabei wurde er von Maus Jerry zerstückelt, zerquetscht, erschossen, in die Luft gejagt, geköpft, ach, eigentlich auf jede erdenkliche Art malträtiert, die normalerweise zum Tode führt.

Doch Tom ist ein Steher. Ein ewig Auferstandener sozusagen. Und wir Fans – egal ob Kind oder Erwachsene – johlen, lachen, kreischen vor Schadenfreude, wenn Tom und Jerry sich aufs Übelste bekriegen. Warum eigentlich? Woher kommt die Freude an der Schadenfreude?

Die gute Nachricht: Schadenfreude ist völlig ok. Sie gehört sogar zu unserer Entwicklung, zu unserem „Mensch-sein-und-werden“ dazu.

Warum Schadenfreude nichts Schlechtes sein muss

„Um Schadenfreude empfinden zu können, müssen wir die Fähigkeit der Perspektivenübernahme erlangt haben“, sagt Dr. Leah Boecker, Psychologin an der Leuphana Universität in Lüneburg. Boecker forscht zum Thema Schadenfreude. In der Psychologie und den Kognitionswissenschaften wird die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und deren Perspektiven anzunehmen Theory of Mind (ToM) genannt. Dazu gehören Gefühle, Bedürfnisse und Absichten.

Schadenfreude – übrigens wird dieser deutsche Begriff in vielen Sprachen ohne Übersetzung übernommen – empfinden wir immer dann besonders stark, wenn einer höhergestellten Person ein Missgeschick passiert. Oder wenn wir den oder diejenige als unsympathisch empfinden. Widerfährt das Unglück einem Menschen, den wir in seiner Beziehung zu uns als angenehm und auf Augenhöhe sehen, ist unsere emotionale Reaktion eher Mitgefühl oder Mitleid. Zumindest, wenn wir geistig gesund und keine Axtmörder sind.

Bezogen auf Tom und Jerry bedeutet dies, dass wir den großen, eigentlich stärkeren Kater Tom als Angreifer des normalerweise kleinen, wehrlosen Beutetieres Maus wahrnehmen. Und es ist ja auch nahezu immer Tom, der „anfängt“, der als Aggressor auftritt. Jerry, in der David-Rolle des kleinen Verteidigers, gehören da unsere Sympathien. Weshalb wir mit zufriedener Schadenfreude verfolgen, wie Tom seine „gerechte Strafe“ bekommt.

Dass diese Strafe grausam und brutal ist – nun ja, wir Menschen sind eben keine Engel.

Schimpansen übrigens auch nicht. Denn bei den uns verwandten Primaten haben Forscher*innen ebenfalls Schadenfreude festgestellt.

Wissenschaftler*innen der Max-Planck-Institute für Kognitions- und Neurowissenschaften und für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben herausgefunden, dass Schimpansen sogar Kosten und Mühen auf sich nehmen, um mit Begeisterung bei der Bestrafung von Artgenossen, die sich unsozial verhalten, dabei sein zu können.

Wie entsteht Schadenfreude?

Beim Menschen entwickelt sich dieses soziale Differenzieren etwa ab dem 6. Lebensjahr. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass bereits sechsjährige Kinder ungerechtes Verhalten bestrafen wollen und einen Drang verspüren zu beobachten, wie andere für ihr unsoziales Verhalten bestraft werden. Hier liegen also die evolutionären Wurzeln für diese Verhaltensweise, die ganz wesentlich ist, um das Leben in Gemeinschaften zu organisieren“, erklärt Natacha Mendes, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften und Co-Autorin der zugrundeliegenden Studie.

Also alles ganz normal. Schadenfreude ist nicht nur erlaubt sondern als Regulator von sozialen Dominanzverhältnissen sogar sinnvoll und ausdrücklich erwünscht. Bei Tom & Jerry kann dies dann auch schon mal kippen: Treibt Jerry es zu weit mit der Bestrafung von Tom, sehen wir Jerry plötzlich in der Dominanzrolle und Tom bekommt unser Mitleid. Und wir freuen uns mit dem Kater, wenn er hin und wieder Teilerfolge hat und auch Jerry mal mit einem Bulldozzer überrollt wird.

Darum geht es in Tom & Jerry

Tom und Jerry beschließen, ihre ewigen Streitereien zu beenden und getrennter Wege zu gehen. Als sich Jerry in einem New Yorker Nobelhotel einnistet, wird die Angestellte Kayla (Chloë Grace Moretz) vom Hotelmanager Mr. DuBros (Rob Delaney) damit betraut, den Nager wieder loszuwerden. Dafür engagiert sie Tom, der schnell Jagd auf Jerry macht, dabei aber nur für noch mehr Chaos im Hotel sorgt.

Netflixwoche Redaktion

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