„Papa, ich bin trans“ – Fünf Väter erzählen von Ängsten und Hoffnungen für ihre transgeschlechtlichen Kinder

Einer nach dem anderen stellt sich vor. Sie halten dabei Fotos ihrer Kinder in die Kamera. Die Protagonisten von The Dads – einem Kurzfilm, bei dem Luchina Fisher Regie führte und der von Dwyane Wade und Jon Marcus produziert wurde – stammen aus unterschiedlichen Verhältnissen, Heimatstädten und Generationen. Doch das verbindende Element der Männer wird in ihren offenen und bewegenden Gesprächen in der Wildnis von Oklahoma deutlich.

„Wir lieben unsere Kinder und wir sind bereit, auch für die Kinder anderer Leute alles aufs Spiel zu setzen”, sagt Jose Trujillo, der zusammen mit mehreren anderen Vätern im Rat „Parents for Transgender Equality” der Human Rights Campaign (HRC) sitzt. Sich zu bilden, ihre Kinder zu akzeptieren und sich offen für andere transgeschlechtliche Jugendliche einzusetzen, erforderte die Art von Gemeinschaft und gegenseitiger Unterstützung, die der Film so eindrucksvoll zeigt. „Sie sind in mancher Hinsicht nicht die typischen Väter, aber in anderer Hinsicht sind sie es – und das ist der Punkt”, sagt Fisher.

Luchina Fisher: „Väter müssen diese Gespräche manchmal getrennt von ihren Kindern und Familien führen”

Die Regisseurin lernte die Protagonisten des Films durch ihr eigenes Engagement bei HRC kennen. Als sie hörte, wie einige der Männer über ein Wochenende im Freien sprachen, kam sie auf die Idee, einen Film zu drehen und stellte eine vielfältige Gruppe von sechs Personen zusammen: Stephen Chukumba, Frank Gonzales, Trujillo, Peter Betz, Wayne Maines und Dennis Shepard.

Zuvor hatte Lucchina Fisher den Dokumentarfilm Mama Gloria (2020) veröffentlicht, der das Leben der Chicagoer Transfrau und lokalen Matriarchin Gloria Allen würdigt. Nun den Blick auf Väter der Bewegung zu lenken, war ein natürlicher nächster Schritt.

„Väter müssen diese Gespräche manchmal getrennt von ihren Kindern und Familien führen”, sagt Fisher. In The Dads bietet ihnen die Idylle der Natur den Raum, sich zur Gemeinschaft zu öffnen. Sie werfen Leinen ins Wasser, kochen zusammen Abendessen und rösten Marshmallows über dem Lagerfeuer – während sie über die inneren und äußeren Auseinandersetzungen sprechen, die ihre Entwicklungen zu unterstützenden Vätern ihrer Trans-Kinder begleitet haben.

„Wenn ein Kind eine Transition erlebt, verändert sich die ganze Familie”, sagt Fisher. „Jede Person in der Familie durchläuft ihren eigenen Prozess, der oft sehr einsam ist.” Das gilt besonders für Väter, die mit gesellschaftlichen Erwartungen an ihre Rollen als Mann und Elternteil konfrontiert sind.

Die Väter machen sich Vorwürfe

Einige der Männer in The Dads erzählen von Selbstvorwürfen, als ihre Kinder ihr Coming-out hatten. Sie dachten, nicht männlich genug zu sein oder gar als Vater zu versagen. „All die Ängste, die sie haben – nicht nur darüber, was das alles für sie selbst und ihre Familie bedeutet, sondern auch darüber, wie die Welt ihr Kind akzeptieren wird – können der Liebe wirklich im Weg stehen”, sagt die Regisseurin.

Gegenüber all dem steht – vor allem in den USA – eine zunehmend eskalierende Gewalt gegen Trans-Personen und ihre Rechte. Das HRC meldete im Jahr 2021 eine Rekordzahl von 50 Todesfällen. Dazu die jüngste Flut von Anti-Trans-Gesetzen, die die bürgerlichen Freiheiten von Trans-Personen massiv einschränken würden.

Das zeigt, wie dringend notwendig transformative Dialoge jetzt sind, um der weitverbreiteten Angst entgegenzuwirken. „Wir brauchen cis-geschlechtliche, heterosexuelle männliche Stimmen, um dem Hass und der Anti-Trans-Rhetorik entgegenzuwirken, die von eben dieser Bevölkerungsgruppe kommen”, sagt Fisher. „Es gibt viele Väter, die sich für ihre transsexuellen Kinder einsetzen und ihre Stimmen werden nicht so sehr beachtet. Wir müssen in diesem wirklich kritischen Moment von ihnen hören.”

Eine ehrwürdige Stimme im Film verbindet die heutigen Bemühungen um den Schutz von LGBTQIA+-Jugendlichen mit einer tragischen, noch gar nicht so lange zurückliegenden Vergangenheit. „Sie kämpfen jetzt denselben Kampf, nur ist es schlimmer”, sagt Shepard, dessen schwuler Sohn Matthew 1998 im Alter von 21 Jahren ermordet wurde, was landesweit auf die Folgen von gewalttätiger Homophobie aufmerksam machte.

Nach der Ermordung von Matthew setzten sich Dennis und Judy Shepard vehement für eine Gesetzgebung ein, die schließlich 2009 in den USA verabschiedet wurde und gezielte Gewalt gegen LGBTQIA+ Menschen als Hassverbrechen einstuft.

Shepard ist ein stilles Vorbild

„Dennis ist für mich ein großer Held”, sagt Fisher über die Einbeziehung von Shepard in The Dads. „Er und Judy haben sich nicht versteckt. Sie haben diesen Raum für sich beansprucht und gesagt: Es reicht! Wir werden uns weiterbilden und wir werden andere aufklären.” In dem Film erscheint Shepard als ein Vorbild, das sich aber auch zurückhält, während die anderen Väter ihre eigenen Erfahrungen schildern.

„Der Staffelstab wird quasi weitergegeben”, sagt Fisher – von Shepard zu Chukumba, einem anderen Vater im Film, der über die vielschichtigen Bedrohungen nachdenkt, denen sein Sohn Hobbes als Schwarzer Transmann ausgesetzt ist. „Stephen ist die nächste Generation von Vätern, von denen wir etwas hören müssen. Weil wir wissen, dass die Gewalt im Moment vor allem Schwarze transgeschlechtliche und queere Menschen trifft”, sagt Fisher.

Chukumba betont, wie wichtig es ist, dass gleichgesinnte Verbündete zusammenkommen und sich aufeinander stützen können. „Sie alle zu finden, hat mir das Leben gerettet”, sagt er. „Die Realität ist, dass wir es allein nicht schaffen.” Im einfachen Zusammenkommen und Teilen von gemeinsamen Gefühlen finden die Väter wertvolle Kraft.

„Es war wirklich wichtig für sie, sich zu versammeln und miteinander über ihre schwierigsten Momente zu sprechen. Aber auch über die Freude zu reden, die sie darin fanden, ihre Kinder zu akzeptieren und zu lieben”, sagt Fisher. Die Regisseurin hofft, dass The Dads mehr solcher Gespräche auslösen wird.

„So viele junge Leute kamen zu mir und sagten: Ich kann es kaum erwarten, dass dieser Film auf Netflix erscheint, denn mein Vater muss ihn sehen”, sagt Fisher. „Vielleicht kann der Film zu ihnen auf eine Weise durchdringen, wie es ihren eigenen Kindern nicht möglich war.”

Naveen Kumar, Queue

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