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Es ist Monate her, dass Mai Whelan in ihren grünen Trainingsanzug aus Squid Game: The Challenge schlüpfte. Ob er nun mit Tinte bespritzt war oder nicht: Die 456 Spieler*innen, die an der Reality-Wettbewerbssow teilnahmen, durften ihre Outfits nicht mit nach Hause nehmen – die Details der Show sollten geheim bleiben. Aber wenn es nach Mai ginge (Kandidatin 287), hätte sie auch heute noch ein Souvenir im Schrank hängen.
„Der Trainingsanzug ist gar nicht so weit von dem entfernt, was ich normalerweise trage“, sagt Mai bei einem Besuch von Tudum. „Ich würde ihn wieder tragen. Er ist sehr bequem.“
Sie tauscht ihn nun durch ein mit Perlen besetztes schwarzes Samtkleid von Ralph Lauren ein. Denn es ist ihr neues Outfit während ihrer bevorstehenden Pressetour als Gewinnerin des Wettbewerbs.
Das Kleid ist die Art von Anschaffung, die die 55-jährige Rentnerin vor der Show nie in Betracht gezogen hätte. Doch jetzt, als Empfängerin eines 4,56 Millionen Dollar Preises, gönnt sie sich die Robe.
„Es ist ein wunderschönes Kleid. Ich konnte nicht anders", sagt sie. „Aber draufgängerisch kann ich nicht werden.“
Mais Leben nach Squid Game: The Challenge
Seit Mai die beiden anderen Finalisten Sam (Spieler 016) und Phill (Spieler 451) besiegt hat, hat sich abgesehen vom Gewinn wenig im ruhigen Leben der frischgebackenen Multimillionärin geändert. Seit dem Ende der Serie begnügt sich Mai damit, zu Hause mit ihrem Mann und ihren beiden Hunden zu entspannen sowie Zeit mit ihrer 12-jährigen Enkelin zu verbringen.
„Es war eine Erleichterung, zum normalen Leben zurückzukehren und sich keine Sorgen um das Ausscheiden zu machen. Das brauchte ich nach zweieinhalb Wochen intensivem Hin und Her sowie emotionalem Auf und Ab“, sagt sie. „Aber die Person, als die ich in den Wettbewerb ging, bin ich immer noch. Ich bin immer noch Mai und habe mich nicht verändert – außer, dass ich stärker geworden bin.“
Es hat jedoch einige Zeit gedauert, bis Mai die Ängste, die sie während des Spiels plagten, ablegen konnte. Die ständige Frage, wer Verbündete*r und wer eine Bedrohung ist, führte dazu, dass sie sich manchmal isoliert fühlte. Sie blieb dennoch agil, um die fast ständigen Herausforderungen zu überstehen, die ihr in den Weg gelegt wurden.
„Jeden Tag hatte ich Angst. Angst davor, ausgeschlossen zu werden. Angst davor, schikaniert zu werden“, erzählt sie.
Teilnehmende verhielten sich wie Jekyll und Hyde
Zu einigen Spieler*innen baute Mai dennoch eine enge Bindung auf. Andere verhielten sich im Wohnheim wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde. „An einem Tag ist man glücklich und redet mit jedem – am nächsten Tag heißt es: Oh, ich weiß nicht, ob ich dieser Person vertrauen kann“, sagt Mai.
„Es war sehr schwer, sich selbst zu schützen. Jede Persönlichkeit, die man trifft, zu verarbeiten. Man verbringt jede Minute eines jeden Tages damit, darauf zu warten, entweder auszuscheiden oder ins nächste Spiel zu kommen.“
Um Verbündete und Feinde zu besiegen, muss man allerdings auch schwierige Entscheidungen treffen. Für Mai war die Entscheidung, Ashley (Spielerin 278) beim Wohnheimtest mit Würfeln zu eliminieren. Allerdings keine, die sie bereut: „Ich stehe zu meiner Entscheidung“, sagt sie.
Obwohl Mai mit Ashley mitfühlte, stellt sie deren anfängliche Sprungweigerung in der Glasbrücken-Challenge in Frage. „Ich war enttäuscht von ihr, denn sie schien eine sehr starke Person zu sein“, sagt Mai. „Dass sie einfach nur dastand und nichts tat, gab mir das Gefühl, dass ich ihr in einem Team nicht trauen konnte. Wenn ich also irgendjemanden ausschließen müsste, dann wäre sie es.“ Am Ende des Spiels hat Mai Ashley natürlich dennoch getröstet.
„Ich habe Roland ausgewählt, weil er mir so sehr vertraut hatte“
Der Verrat an ihrem Verbündeten Roland (Spieler 418) während des Circle of Trust in der vorletzten Folge ist jedoch ein Moment, der Mai immer noch schmerzt. „Wenn ich Roland jetzt sehen würde, würde ich sagen: Es tut mir leid, Kumpel“, sagt Mai und merkt an, dass es für sie „die schwerste Entscheidung“ war, ihn während des Wettbewerbs auszuschließen.
„Ich habe Roland ausgewählt, weil er mir so sehr vertraut hatte. Ich habe ihm die Haare geflochten, und ich habe im Spiel die Mutter für ihn gespielt. Ich wollte nicht, dass er ausscheidet. Aber wenn ich die Kiste auf den Tisch eines anderen gelegt hätte, hätten sie es mir angehängt. Es ist ein individuelles Spiel – und so kurz vor dem Ende muss man einfach eine Entscheidung treffen.“
Bei einem so fordernden und intensiven Wettbewerb wie Squid Game: The Challenge kann man nicht allen gerecht werden – weder den Mitspieler*innen noch den Fans, die auf der ganzen Welt zusehen. Unabhängig davon, wie die Meinungen über Mais Spiel aussehen, ist ihr Durchhaltevermögen ihre Superkraft. Sollte jemand jemals an ihrer Fähigkeit zweifeln: Ein Blick auf Mais Biographie erklärt, woher sie ihre Power hat.
Mai hatte für die Show die schlechtesten Voraussetzungen
Mai flüchtete einst aus Vietnam in die USA. Sie ist alleinerziehende Mutter, hat 20 Jahre in der US-Marine gedient und eine Karriere als Einwanderungsrichterin für das Ministerium für Heimatschutz hinter sich.
Als sie den Wettbewerb antrat, sah es nicht gut für sie aus: Mit 55 Jahren war Mai eine der älteren Spieler*innen in einem Spiel, in dem die Spieler*innen anfangs nach ihrer vermeintlichen Stärke und Statur eingeschätzt werden. Als Asiatin hatte sie außerdem mit zusätzlichen Vorurteilen zu kämpfen.
„Hab keine Angst. Sei, wer du bist. Zieh einfach durch“
Mai ist sich bewusst, dass all diese Faktoren den Ausgang des Wettbewerbs für viele Zuschauer*innen noch bedeutungsvoller machen.
„Ich bin so froh, dass ich eine Frau bin, dass ich einer Minderheit angehöre und dass ich in meinem Alter alles überwinden kann“, sagt sie. „Also sage ich: Hab keine Angst. Sei, wer du bist. Zieh einfach durch.“
Aber genau wie im richtigen Leben hat Mai das Spiel nicht ohne fremde Hilfe gemeistert. Sie dankt allen Mitspieler*innen und besonders TJ (Spieler 182) und Chad (Spieler 286), die sich beide als „starke Verbündete im Spiel erwiesen haben.“ „Ich bin ihnen sehr dankbar, dass sie mir den Rücken gestärkt haben“, sagt Mai.
Dieser Glaube an das Gemeinwohl ist es, der Mai zu ihrem nächsten Kapitel antreibt. Denn auch wenn ein Gewinn schön ist, gar lebensverändernd, geht es Mai letztlich darum, wie sie ihren Gewinn auch für wohltätige Zwecke einsetzen könnte. Sobald sie also mit der Renovierung ihres Hauses fertig ist – zu der idealerweise auch der Bau eines kleinen Anlegers für ein Boot gehört – wird sie ihr Augenmerk auf andere Bereiche richten. „Mein Herz gehört den Menschen, den Tieren und dem Kampf gegen den Klimawandel“, erzählt sie. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird es keine Zukunft für all die kleinen Kinder geben, die jetzt aufwachsen.“
Wer gewinnt in Staffel 2? Hier kann man sich bewerben
Netflix hat mittlerweile bestätigt, dass Squid Game: The Challenge eine zweite Staffel bekommt. Und das Casting startet ab sofort: Wagemutige Fans können sich auf squidgamecasting.com bewerben.
COLE DELBYCK, Tudum/Netflixwoche