Rustin: George C. Wolfe und die berührende Geschichte einer vergessenen Legende

Der preisgekrönte Autor, Regisseur und Produzent George C. Wolfe erzählt in dem neuen Netflix-Film Rustin die vergessene Geschichte einer Bürgerrechtslegende.

Wenn es um Koryphäen in der Welt des Theaters geht, gibt es nur wenige, die sich mit dem aus Kentucky stammenden Dramatiker und Regisseur George C. Wolfe messen können. Mit einem Musical über den Jazzmusiker Jelly Roll Morton wurde er 1991 bekannt. Jelly's Last Jam brachte Wolfe beeindruckende elf Nominierungen für den Tony Award (wichtigster Theater- und Musicalpreis) ein. Schon in diesem Frühwerk war gut zu erkennen, dass Wolfe es versteht, Wahrheit und Dramatik in den Lebensgeschichten schwarzer Ikonen zu finden. Seitdem hat seine Arbeit die Landschaft des amerikanischen Theaters und des Films verändert und wichtige, lange unerzählte Geschichten über die schwarze und die L.G.B.T.Q. -Gemeinschaft in den Vordergrund gerückt. So etwa seine Broadway-Inszenierung des 1993 mit einem Tony ausgezeichneten Angels in America.

Mit dem neuen Film Rustin nimmt sich Wolfe nun der bemerkenswerten Geschichte des schwulen Bürgerrechtlers Bayard Rustin an. Geschrieben von Julian Breece und dem Oscar-Preisträger Dustin Lance Black (Milk), spielt Colman Domingo in Rustin die Hauptrolle des Hauptorganisators des Marsches auf Washington für Arbeit und Freiheit im Jahr 1963. Jener berühmte Marsch, bei dem Dr. Martin Luther King Jr. seine historische „I Have a Dream“-Rede vor rund 250.000 Menschen hielt.

„Dies war ein Mann, dessen Ungezähmtheit, dessen Sinn für Gerechtigkeit und Korrektheit in jeder Faser seines Wesens verankert zu sein schien“, sagt Wolfe über Rustin bei einem Auftritt auf dem Martha's Vineyard African American Film Festival. „Die Geschichte ... sie hat ihn vergessen. Sie hat ihn faktisch ausradiert.“

Rustin ist seit dem  17. November auf Netflix und wird ergänzt durch das Buch zum Film – Rustin: A Film by George C. Wolfe. Der Autor Thulani Davis - ein angesehener Dramatiker, Dichter, Drehbuchautor, Romanautor und ehemaliger Journalist der Village Voice - sprach mit Wolfe und seinen Mitarbeiter*innen über die Erfahrung, Rustin authentisch auf der Leinwand darzustellen.

Der berühmte Marsch auf Washington mit Martin Luther King (Aml Ameen) an der Spitze, dargestellt im Film Rustin.

Wolfe hat uns in seiner Karriere denkwürdige Werke geliefert. Er führte etwa 2020 Regie bei der Verfilmung von August Wilsons Ma Rainey's Black Bottom – dafür gab es fünf Oscar-Nominierungen, wovon er zwei gewann.

In seinen Erinnerungen an die Zeit, in der Rustin den Widerstand gegen die Rassentrennung im Süden mitgestaltete, beschrieb Wolfe, wie er als Kind mit den schwarzen Bürgerrechtlern in Berührung kam: „Ich war ein sehr, sehr kleiner Junge, als in den 50er-Jahren all die Boykotte stattfanden. Martin Luther King Jr. kam 1964 zu einem Marsch in meine Heimatstadt Frankfort, Kentucky. Meine Großmutter nahm mich aus der Schule und ich marschierte mit ihr. All das ist in meinem Körper lebendig.”

CCH Pounder als Dr. Anna Hedgeman mit Regisseur George C. Wolfe bei der Produktion von Rustin.

Produzentin Tonia Davis sagt, dass Wolfe mehr als gut vorbereitet in die Produktion ging. „George C. Wolfe brachte nicht nur vom ersten Tag an eine unglaubliche Vision in den Film ein“, sagt sie, „sondern er brachte auch sein unglaubliches Team mit. Mark Ricker etwa, unser Produktionsdesigner, der mit ihm an Ma Rainey gearbeitet hatte. Die Arbeit, die George und Mark gemeinsam an Ma Rainey geleistet haben, war makellos und wurde von der Kritik gelobt. Ihre Arbeitsbeziehung war geprägt von Vertrauen und einer gesunden Portion Spaß.“

„Er war die richtige Person für diese Geschichte“, ergänzt Produzent Mark Wright. „George geht tiefer als nur in die Fakten auf dem Papier – und er ist ein begnadeter Regisseur. Wenn man ihm bei der Arbeit mit den Schauspielern zuschaut, sieht man, dass er dieselbe Fähigkeit, mit der er das Drehbuch und die Dialoge geschliffen hat, auch auf die Darsteller anwendet. Es war einfach großartig zu sehen, wie er die Leute sanft anspornte und dafür sorgte, dass sie sich sicher fühlten, verletzlich zu sein, sie selbst zu sein und verschiedene Teile von sich in die Rolle einzubringen. Jeder hat seinen eigenen Stil zu inszenieren – bei George geht es darum, die Wahrheit zu finden, aufzudecken und zu ehren.“

„George Wolfe liebt Schauspieler“, sagt Audra McDonald, die in Rustin die Organisatorin Ella Baker spielt. „Er liebt sie, also kümmert er sich um sie. Er macht den Raum, in dem sie mit ihm arbeiten werden, zu einem sicheren Raum. Er ist da, um sie auszubilden und sie gleichzeitig zu leiten, um ihnen zu helfen, in der Rolle dieser Figuren zu wachsen. Wir verstehen also, dass sie ihre Fehler, Schwächen und Stärken haben – er lässt uns all das sehen.“

Hauptdarsteller Colman Domingo erzählt über Wolfes Herangehensweise als Regisseur und erinnerte sich gern an ihre Zusammenarbeit bei Ma Rainey. „Ich hatte schon früher für ihn vorgesprochen, aber als ich das Angebot für Ma Rainey bekam, dachte ich: George C. Wolfe hat mich gecastet? Und um ehrlich zu sein, wusste ich nicht, dass wir einander so viel Vertrauen entgegenbringen würden. George ist so offenherzig. George ist einer der klügsten Menschen, die es auf dieser Erde gibt. Und er hat Geschichten und Ideen – er fordert dich heraus, etwas zu wissen, etwas nicht zu wissen. Er spielt mit Charakteren und Geschichten wie mit Knete, die sich ständig weiterentwickelt. Ich habe viel von George gelernt und bin ihm sehr dankbar.“

Geschichte wird gemacht: Jeffrey Mackenzie Jordan als Courtney and Colman Domingo als Bayard Rustin.

Auf die Frage, ob er hoffe, dass junge Aktivisten von heute etwas aus dem Film mitnehmen, antwortet Wolfe: „Ja. Es ist euer Land. Es gehört euch. Und wenn es euch gehört, müsst ihr es ehren. Ihr müsst es säubern. Ihr müsst es beschützen. Ihr müsst tun, was ihr tun müsst, um es am Leben zu erhalten und voranzubringen. Es ist eure Verantwortung. Macht sie euch zu eigen und fordert sie ein.“

Alle in diesem Beitrag enthaltenen Interviews wurden vor dem 14. Juli 2023 geführt.

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Netflixwoche Redaktion

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