Ranga Yogeshwar: „Am Ende schreiben wir einen einzigen Namen in unsere Geschichtsbücher“

In unserer Rubrik „Promi-Tipp“ sprechen Prominente über Filme und Serien auf Netflix, die mit ihrer Profession zu tun haben. Der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar spricht über einen zweifelhaften Genie-Kult, cleveres Geschichtenerzählen in The Playlist und was das mit Wissenschaft zu tun hat.

Von Ranga Yogeshwar

Auch wenn es ständig so erzählt wird: Steve Jobs hat nicht alleine das iPhone erfunden. Es gab lange vor ihm Innovatoren, die erste Touchscreens entwickelt haben. Die Geschichten, die wir hören, sind oft ziemlich eindimensional. Ähnlich ist es mit Facebook und Mark Zuckerberg. Oder eben Spotify und seinem Gründer Daniel Ek: Er gilt als das Genie hinter dem schwedischen Streaming-Anbieter.

Die Netflix-Serie The Playlist erzählt die Geschichte von Spotify. Das Faszinierende daran ist, wie sie die Geschichte erzählt. Die übliche Eindimensionalität wird durch ein Sandwich ersetzt, bei dem die Perspektiven des Gründers, des Investors, der Musiker und der Juristin eingenommen werden. Sechs Mal anders.

Da ist die konventionelle Geschichte: Der Programmierer Daniel Ek eröffnet zum Teil illegalen Streamingdiensten durch Spotify eine legale Option. Dagegen steht aber die Geschichte der Juristin Petra Hansson. Sie zeigt einem als Outsider, dass Spotify ohne ihre juristische Expertise nie ins Leben gerufen worden wäre. Genauso der Programmierer Andreas Ehn, der es schafft, eine wirklich gute Musik-App zu bauen. Man merkt: Ohne das Zusammenwirken von vielen klugen Leuten wäre so ein Projekt nie möglich.

Vereinfachung findet man überall. Da heißt es in der Wissenschaft: Einstein habe die Relativitätstheorie erfunden. Dabei hat er aber auf der Arbeit anderer Physiker*innen aufgebaut. In der Politik ist die Rede von der Regierung Merkel, auch wenn diese Frau mit all ihren Verdiensten dennoch nur eine Einzelne unter vielen gewesen ist. Die vielen Menschen, die an einem Erfolg beteiligt waren, werden ausgeblendet. Am Ende schreiben wir einen einzigen Namen in unsere Geschichtsbücher.

Es hat vielleicht mit einem falschen, romantisierten Bild zu tun, das alle von uns irgendwo mit sich schleppen. Es ist natürlich auch einfacher, komplexe Dinge auf eine Person zu reduzieren. Ob in der Wissenschaft, der Politik oder bei Startups.

„Reine Fakten haben den Charme eines Telefonbuchs“

Dreht den Sound auf: In der Netflix-Serie The Playlist geht es aber nicht nur um Musik.

The Playlist schafft es, dieses vereinfachte Denken durch clevere Geschichten offenzulegen. Daran sieht man: Gute Unterhaltung schwingt in verschiedenen Dimensionen. Manchmal offenbart sich darin auch ein Stück Wahrheit, die man implizit mitnimmt. Das war auch immer das Prinzip meiner Arbeit: Am besten ist es, wenn Menschen sich von einer Sendung gut unterhalten fühlen und am Ende merken, dass sie etwas dazugelernt haben.

Geschichten sind das, was am stärksten in uns verankert ist. Narrative gewinnen über alles andere. Deshalb ist es die höchste Kunst, gute Ideen – nicht nur wissenschaftliche – in entsprechend gute Geschichten zu verpacken. Reine Fakten haben den Charme eines Telefonbuchs.

Durch The Playlist lernt man, dass wir die übermäßige Erhöhung Einzelner in unserer Gesellschaft vielleicht hinterfragen sollten. In der Serie wird schön durchdekliniert, dass die Realität komplexer ist. Erfolg, das lernt man, entsteht eben aus Synergien. 

Zur Person

Ranga Yogeshwar ist einer der führenden Wissenschaftsjournalisten Deutschlands. Er hat viele Dokumentationen und Wissenschaftssendungen wie Quarks & Co im WDR oder Die große Show der Naturwunder in der ARD mitentwickelt und moderiert. Außerdem tritt Yogeshwar regelmäßig in Talkshows im deutschen Fernsehen auf und hat mehrere Sachbücher geschrieben, unter anderem Nächste Ausfahrt Zukunft. Für seine Arbeit hat er bereits über 60 Fachpreise gewonnen und das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen.

Ranga Yogeshwar

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