Peri Baumeister über Das Signal: „Mein Körper rutschte mir fast weg“

In der deutschen Netflix-Serie Das Signal spielt Peri Baumeister eine Astronautin, die im All Antworten sucht. Zum Start des Mystery-Dramas haben wir mit der Schauspielerin über Schwerelosigkeit gesprochen, menschliche Abgründe und Videos von Harald Lesch.

In den Weiten des Weltraums will Paula Groth (Peri Baumeister) herausfinden, ob es einen Weg gibt, um ihre gehörlose Tochter Charlie (Yuna Bennett) zu heilen. Ihr Mann Sven (Florian David Fitz) unterstützt sie, er bleibt auf der Erde mit der Tochter. Doch Paula verschwindet spurlos. Zwar kehrt sie zurück auf die Erde, aber das Flugzeug aus den USA nach Deutschland verschwindet über dem Ozean. Wo steckt Paula? Hat sie im Weltraum eine Entdeckung gemacht?

Die deutsche Mystery-Serie Das Signal (ab dem 7. März auf Netflix) erzählt von einem weitreichenden Rätsel, dass die Familie Goth zu lösen versucht – von Sinn, Hoffnung und was es heißt, ein Abenteuer zu wagen. Für die Berliner Schauspielerin Peri Baumeister ist es die erste Rolle als Astronautin. Im Interview mit Netflixwoche hat sie über Schwerelosigkeit gesprochen, menschliche Abgründe und Videos von Harald Lesch.

Peri, wie ist es zu schweben oder auch ...

... zu floaten? (Lachen) Wir haben nicht in einer echten Schwerelosigkeit gedreht. Wir haben in den Bavaria Studios in Bayern gefilmt, wo die ISS, also die International Space Station, und Teile der ISS als Module nachgebaut wurden. Während des ganzen Filmprozesses haben wir dann verschiedene Bewegungsmöglichkeiten kreiert und unter anderem mit Gurten gearbeitet. Oben in der Decke des ISS-Sets war ein kleiner Spalt eingebaut und da führten Drahtseile hindurch. An diesen wurden wir festgemacht und hochgezogen – was zuvor sehr viel Bauchmuskeltraining erfordert hat.

Wieso Bauchmuskeltraining?

Damit wir uns in der Waagerechten halten konnten! Durch die Szenerie hatten wir aber nur einen begrenzten Rahmen. Das heißt, wir mussten noch andere Fortbewegungsmöglichkeiten erfinden.

Welche?

Gymnastikbälle – darauf saßen wir dann angegurtet. Bei den Nahaufnahmen haben wir gemerkt, dass es reicht, wenn man nur so tut, als würde man sich abstoßen. Ich hatte zur Vorbereitung eine Virtual Reality Brille auf, um mir die physikalischen Bewegungen in einem Raumschiff anzusehen: Astronauten halten sich immer irgendwo fest, lassen los und schweben dann woanders hin. Theoretisch sind es immer kleine Impulse, die ihnen die Energie dafür geben – und würden sie sich nicht festhalten, würden sie immer weiter schweben.

Paula sucht im All nach Antworten ...
... und findet tatsächlich etwas.

Als Zuschauer*in würde man nie denken, dass du auf Bällen sitzt.

Das liegt an der Kamera. Sie dreht sich um sich selbst und erzeugt so ein orientierungsloses Gefühl beim Zuschauen. Auch wenn ich nie schweben durfte, hat es sich für mich dennoch so angefühlt. Allein, weil ich Höhenangst habe und die Seile eine Herausforderung für mich waren. Unser Grip Team war aber wirklich beeindruckend. Sobald es gesehen hat, dass die Übungen zu sehr auf Rücken oder Bauch gehen, haben sie sich neue Methoden ausgedacht. Irgendwann wurden wir sogar auf einen Kran geschnallt und durch das Set geschoben.

Für die Netflix-Serie Skylines hast du Kickboxen gelernt – um Kraft für deine Rolle als toughe Kommissarin zu finden. Was hast du für deine Rolle in Das Signal gelernt?

Ich werde auf Nichts so viel angesprochen wie auf Skylines! Das Kickboxen, das ich damals begonnen habe, mache ich tatsächlich immer noch. Für Das Signal musste ich vor allem Kraft im Mittelbereich aufbauen, um überhaupt so lange in den Seilen auszuhalten. Neben dem Boxen und dem Bauchmuskeltraining kam dann noch Jumping hinzu – also das Hüpfen auf dem Trampolin. Dort geht es vor allem um eine gute Körperhaltung und gerade die habe ich gebraucht. Denn das Schweben sollte realistisch aussehen. Und ich weiß nicht, wie es dir beim Sport geht: Mein Gesicht sieht meistens nicht entspannt aus.

In Das Signal sieht man dir tatsächlich nicht an, dass dich das Dasein im Raumschiff anstrengt.

Außer in der Szene, in der mir in der Kapsel die Luft weg bleibt. Da musste ich kopfüber in Squad-Positionen stehen und durch ein Fenster gucken. Dabei rutschte mir fast mein Körper weg – für die Aufnahme war das natürlich toll.

Das Team von Das Signal: Jan Prahl. Sebastian Hilger, Peri Baumeister, Yuna Bennett, Philipp Leinemann und Florian David Fitz.

Wie bist du auf die Rolle der Paula aufmerksam geworden?

Die Idee wurde von Sebastian Hilger und Nadine Gottmann konzipiert, die mir schon früh die Drehbücher weitergereicht haben. Dann haben wir uns getroffen und darüber gesprochen. Die Figur der Paula finde ich unfassbar spannend. Abgesehen davon, dass es natürlich eine tolle Herausforderung ist, eine Astronautin zu spielen, ist Paula sehr komplex.

Warum?

Sie hat diesen wissenschaftlichen Anteil, diese immense Brainpower, vor der ich großen Respekt habe. Sie ist aber trotzdem sehr verbunden mit ihrer Intuition und ist super offen und neugierig. Und dann gibt es den Teil, den man nicht erahnen kann: Da sind Abgründe, Dämonen. Verheimlicht sie etwas? Sie ist unberechenbar, waghalsig, mutig. Man hat das Gefühl, sie würde vielleicht auch einen Schritt zu weit gehen in ihrem Leben.

Inwieweit hast du die Rolle mitentwickelt?

Ursprünglich war Das Signal für das Kino konzipiert, ehe es als Miniserie mit vier Folgen bei Netflix landete. Es gab also bereits viele Ideen und ich hatte einige Gespräche mit dem Team. Mir war es letztlich wichtig, dass wir erzählen, was Paula genau im All tut. Daran haben wir gearbeitet und einiges dazu gedreht. Für mich könnte das sogar noch eine Spur mehr drin sein, als es letztlich in der Serie zu sehen ist.

Gegenüber Netflix hast du gesagt, dass du dir in Vorbereitung auf deine Rolle Dokus angesehen hast.

Ja, ich war in der Schule nie gut in Physik. Also habe ich mir unter anderem sehr viele Videos von Harald Lesch angeguckt, der Physik für Anfänger erklärt. Das half mir, in die Materie einzusteigen – damit man mir die Rolle auch abnimmt. Hinzu kamen diverse Dokus und Spielfilme. Irgendwann habe ich den Teil aber losgelassen und mich auf andere Parts konzentriert.

Dazu zählt, dass Paula unter Psychosen leidet, die sie sogar zur Selbstverletzung treiben. Wie hast du dich auf solch einen emotionalen Part vorbereitet?

Leonardo DiCaprio hat einmal gesagt: Das sind Non-Acting-Momente. Das sind Szenen, vor denen ich auch aufgeregt bin, da ich mich darauf nicht vorbereiten kann. Aber es gibt bestimmte Bilder, die ich mir dann vorstelle: Als Paula beispielsweise im Spiegelkabinett steht und vom LSD einen schlechten Trip hat – vielleicht sogar eine Disposition dafür hat, ihre inneren Dämonen frei zu lassen – habe ich mir Sachen vorgestellt, die über meinen ganzen Körper laufen. Also ich versuche, viel über Imagination zu machen und den Körper reagieren zu lassen.

Wie grenzt du dich von solchen Non-Acting-Moment wieder ab?

Wir hatten bei Das Signal ein extrem tolles Team, das mich aufgefangen hat – auch in Momenten, in denen es körperlich anstrengend war. Und ich hatte eine Übung mit meinem Schauspielcoach, in der ich gelernt habe, wann ich ein- und austrete in eine Rolle – es hat viel mit Konzentration zu tun. Und bei Paula musste ich tatsächlich gar nicht so oft aus der Rolle raus, weil es so viele kleine Abschiedsmomente gab. Wir waren in Penzing, haben in den Bavaria Studios gedreht, über Silvester war Weihnachtspause und dann sind wir nach Marokko geflogen. In dieser unfassbaren Wüste haben wir nach dem Dreh gezeltet und bis zum Schluss so viele schöne Sachen erlebt. Es war also gar nicht so schwer, loszulassen. Es war eher so, dass ich diese Momente vermisse. Dass ich von einem sehr strukturierten Alltag – in dem ich ganz viel von mir hergeben darf und mich ausleben darf – mich wieder zu Hause einfinden muss; Brötchen holen gehen und so weiter. Und dieses Strukturieren des Alltags fällt mir eigentlich schwerer.

Paula will Charlie nur helfen.

Du hast in einem Interview mal gesagt, dass dich Rollen reizen, die abgründig sind. Wieso?

Ich glaube, dass es vielen Schauspielern tatsächlich so geht ... hm ...

Du könntest immerhin sagen: Ich möchte jetzt in einer deutschen Pretty Woman-Produktion mitspielen.

Da würde ich ebenfalls das Abgründige in der Figur suchen. So kitschig es klingen mag: Mich interessieren alle Falten der Seele, mich zieht das an. Das interessiert mich mehr als die Oberfläche. Man fühlt sich aber auch dann als Zuschauer mehr verbunden, wenn das Innere nach Außen transportiert wird. So geht es zumindest mir. Denn jeder trägt seine Abgründe, seine Dämonen, seine Vergangenheit mit sich herum. Und das können im besten Fall Serien oder Filme vermitteln, gar einen neuen Impuls geben. Das Signal tut es allein, indem es den Zuschauer mal rauszommt. Ich habe erst neulich ein Video gesehen, in dem Astronauten sagen, dass sie auf diese zerbrechliche Erde runter gucken und sich fragen, was zum Teufel wir hier tun. „Wir sind doch eine Einheit. Die Natur hat deutlich gezeigt, dass wir eine runde, wunderschöne, zarte Kugel sind und wir zerstören sie.“ Und wenn so ein kleiner Moment bei der Serie übrig bleibt, dann haben wir gewonnen.

In dem Netflix-Horrorfilm Blood Red Sky hast du eine kämpfende Vampirin gespielt. Nun bist du eine unvorhersehbare Astronautin. Suchst du dir nur abgründige Rollen aus?

Mich interessieren tatsächlich extreme Ausnahmezustände, Abenteuer reizen mich. Zudem suche ich mir nach einer Rolle immer eine aus, die das Gegenteil davon ist – jetzt hätte ich etwa gerne eine zarte Rolle in einem Historienfilm (Lachen).

Paula vertraut Sven – doch traut er auch ihr?

Historienfilm?

Ja, für mich ist es spannend, durch eine körperliche Verwandlung zu gehen, weit weg von mir. Ich meine, das macht einfach Spaß! Ich komme mehr aus meinem Kopf heraus. Zugleich lerne ich unglaublich viel, wenn ich mich in diese Rollen reingrabe. Während der Arbeit an Das Signal habe ich etwa festgestellt, dass noch keine deutsche Astronautin im All war. Wir haben zwei Anwärterinnen, aber noch keine war oben. Wie kann das sein?

Ist das Reingraben in eine Rolle der Grund, warum du letztlich Schauspielerin geworden bist?

Ich hatte keine Wahl! Ich habe mit 14 das erste Mal Theater gespielt und wusste: Ich bin super schüchtern. Ich will spielen, ohne dass man mir dabei zusieht. Aber ich habe mich noch nie in meinem ganzen Leben so wohlgefühlt wie in einer Figur. Vermutlich reiche ich mir selbst nicht aus.

Zur Person

Peri Baumeister wurde 1986 in Berlin geboren und lernte Schauspielen an der Bayerischen Theaterakademie August Everding. Noch während ihres Studiums erhielt sie neben Lars Eidinger eine Hauptrolle in dem Kinofilm Tabu – Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden. Anschließend war sie in Oliver Ziegenbalgs Bestsellerverfilmung Russendisko zu sehen. Auf Netflix wirkt sie unter anderem in den Serien Schlafende Hunde und The Last Kingdom mit.

Nadja Dilger, Netflixwoche

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