Hühnchen, Skittles und Glättungsmittel – Das steckt hinter den Details in They Cloned Tyrone

Die Sci-Fi-Horrorkomödie mit John Boyega, Teyonah Parris und Jamie Foxx ist eine Ode an die Blaxploitation-Filme der 1970er-Jahre. Wir erklären, welche Botschaften hinter den Details stecken.

Achtung, dieser Text enthält Spoiler!

„Jesus, was machst du da, hast du ‘nen Geist zu ‘nem Zuhälter geschickt?“ Fast. Denn Zuhälter Slick Charles (Jamie Foxx) lernt schnell, dass Fontaine (John Boyega), der ihm nun gegenübersteht, obwohl er kurz vorher erschossen worden war, nicht von den Toten zurückgekehrt ist. Bei dem Drogendealer Fontaine handelt es sich um einen Klon, der erst nach seinem vermeintlichen Tod von seiner wahren Identität erfährt: Er ist das Produkt eines perfiden Experiments.

Die beiden tun sich mit Sexarbeiterin und Hobby-Detektivin Yo-Yo (Teyonah Parris) zusammen, um den Drahtzieher*innen das Handwerk zu legen. So stolpert das Trio direkt ins Zentrum eines Komplotts von nationalem Ausmaß.

Der neue Film They Cloned Tyrone ist ein wilder Mix aus Sci-Fi-Thriller, Horrorstreifen, Satire sowie gesellschaftskritischer Sozialstudie und gilt als Hommage an das polarisierende Blaxploitation-Genre der 1970er. Bei Blaxploitation handelt es sich um ein Genre an Filmen, die sich durch die Besetzung, Handlungsorte, Sprache und kulturelle Referenzen an ein Schwarzes Publikum richteten, aber meist von weißen Regisseuren realisiert wurden.

Doch They Cloned Tyrone ist das Regie-Debüt des Schwarzen Drehbuchautors Juel Taylor (Creed IISpace Jam 2). Das Skript hat er gemeinsam mit Co-Autor Tony Rettenmaier entwickelt. Einige der politischen Botschaften in Taylors Film sind laut und deutlich: Zum Beispiel ist das frittierte Hühnchen – ein Snack, der bei Afroamerikaner*innen als besonders beliebt gilt – mit Stimmungsaufhellern versetzt. Opium fürs Schwarze Volk. Doch andere Hinweise sind etwas subtiler.

Hier sind die wichtigsten Anspielungen aus They Cloned Tyrone auf die Bürgerrechtsbewegung, Black Lives Matters und Rassismus in der US-amerikanischen Popkultur.

Der Tod von Ronnie erinnert an Trayvon Martin

„So ‘n verdammter Bulle – hat wahrscheinlich ‘nen Vorwand gesucht. Er hat gesagt, er hat ‘n paar Süßigkeiten geklaut.“

Während einer Autofahrt erzählt Fontaine, dass sein kleiner Bruder erschossen wurde. Der Polizei zufolge soll er „Süßigkeiten geklaut“ haben.

Die Szene spielt auf einen wahren Vorfall an: 2012 wurde der damals 17-jährige Trayvon Martin von George Zimmerman erschossen, einem Mitglied der Nachbarschaftswaffe. Zimmerman sagte später aus, er habe Trayvon Martin für verdächtig gehalten. Dabei war der Teeanager nicht bewaffnet gewesen. Er war auf dem Rückweg zu seiner Familie, nachdem er eine Packung Skittles und einen Softdrink gekauft hatte.

Bei den Protesten, die sein Tod auslöste, wurden die Süßigkeiten zum Symbol für die Gefahr, die Schwarzen Kindern und Jugendlichen in den Staaten droht, wenn sie einfach nur ihrem Alltag nachgehen.

Die vermissten Frauen

Im Film geht Fontaine öfter in den örtlichen Supermarkt 7/11, um sich einen Drink und ein Rubbellos zu kaufen. Dabei fallen die Vermisstenanzeigen an der Kasse auf. Diese sind zwar ein Hinweis auf den Plot. Aber sie erinnern auch daran, dass in den USA jährlich Zehntausende Schwarzer Frauen verschwinden und meistens, wenn überhaupt, nur mit wenig Mühe gesucht werden.

Statistiken des National Crime Information Center zufolge machen Schwarze Mädchen und Frauen rund 7 Prozent der Gesamtbevölkerung im Land aus  –  aber 36 Prozent aller vermissten weiblichen Personen.

Babylon und Zion

 „Wenn du versuchst, aus Babylon rauszukommen, wo zur Hölle gehst du dann sonst hin?“

Frog, ein betrunkener Älterer, der vor dem 7/11 Supermarkt rumlungert, weist im Film darauf hin, dass Zion das Ziel ist, um Babylon zu entkommen. Beide biblischen Orte sind insbesondere in der Rastafari-Bewegung von besonderer Bedeutung.

Demnach werden in Babylon Menschen aus der Afrodiaspora in westlichen Gesellschaften unterdrückt und ausgebeutet. Zion wiederum gilt als Paradies der Befreiung und des harmonischen Friedens. In They Cloned Tyrone dagegen ist Zion der Ort, an dem die Gläubigen mithilfe von Traubensaft und zweifelhaften Predigten einer Gehirnwäsche unterzogen werden.

Nancy Drew

Nancy Drew ist eine beliebte, fiktive Detektivin in den USA. Sie ermittelt schon seit den 1930ern und ein Ende ist nicht in Sicht. Wie viele andere Titel aus der Zeit waren die Geschichten zu Beginn mal mehr und mal weniger unverhohlen rassistisch. So heißt es in einem Wissenschaftsjournal aus den 1970ern über die ersten 17 Bände der Reihe: „Leser von Nancy Drews Abenteuern lernten [Schwarze] lediglich als Kofferträger und Köchinnen kennen, die ,Jesus‘ und ,Yes Sir‘ sagen.“ Im ersten Band Das Geheimnis der alten Uhr (1930) wird Nancy vom afroamerikanischen Jeff Tucker gerettet – der allerdings als simpler Tölpel dargestellt wird, der sich von den Räubern in der Geschichte hat abfüllen lassen.

In Serien wie Riverdale übernimmt Betty – the girl next door –  den Part der Nancy Drew, einer Galionsfigur des „wahren“ Mittleren Westens. In They Cloned Tyrone ist es die Sexarbeiterin Yo-Yo.

Auch interessant: Als sie den anderen erklärt, wie Nancy Drew an so einen Fall herangehen würde, hält Yo-Yo ein Buch aus der Reihe in den Händen, mit dem Titel … und die versteckte Treppe. Im Film geht’s um einen versteckten Fahrstuhl.

„Race of the Future“

Das geheime Hauptquartier, in das das Trio eindringt, wird von Propaganda-Postern geschmückt. Wer bis dahin noch irgendwelche Zweifel hat, dass es um einen Komplott gegen Schwarze Menschen geht, den wird der Slogan „Winning the Race of the Future“ überzeugen – denn mit „Race“ ist kein Rennen gemeint, sondern die Ethnizität.

„Glätter ist besser“

„Vielleicht bin ich ja auch nur auf ‘nem Trip, weißt du?!“

In den USA gelten krause Afrohaare, die nicht geglättet oder unter einer Perücke versteckt werden, oft noch als ungepflegt – insbesondere im Berufsalltag. Denn in manchen Unternehmen und sogar Schulen zählt zum Dresscode unter anderem, dass das Haar zum Beispiel nur einen bestimmten Umfang oder Länge haben darf. So wurden zum Beispiel Afros oder Locs, ein beliebter Hairstyle zum Schutz von Afrohaar, kriminalisiert. Darum ist die Anwendung von sogenannten Relaxern, also Glättungsmitteln, bis heute weit verbreitet.

Im Film klagt eine Lehrerin im Friseursalon darüber, dass ihr Gehalt gekürzt werden soll. Sobald die chemische Masse auf ihre Kopfhaut aufgetragen wird, scheint sie sich jedoch zu beruhigen und tut ihre eigenen Beschwerden als Spinnerei ab. Die Szene ist ein starkes Statement darüber, wie europäische Schönheitsstandards genutzt werden, Schwarze Frauen fügsam zu machen und zum Schweigen zu bringen.

Das Aroma von Hühnchen

„Also kein Salz, kein Pfeffer, gar nichts?“ – „Nein, nur die natürlichen Aromen von dem Hühnchen.“

Hühnchen sind ein wichtiges Thema in They Cloned Tyrone. Dass Schwarze Menschen gern frittiertes Hühnchen essen, ist ein weit verbreitetes Klischee, das auf den Ku Klux Clan-Propagandafilm Birth of a Nation zurückgeht. Dort werden Afroamerikaner*innen als unzivilisiert dargestellt, weil sie enthemmt frittiertes Hühnchen in sich reinschaufeln.

Der satirische Konter folgt später in They Cloned Tyrone, als ein weißer Regierungsmitarbeiter von natürlichen Hühnchen-Aromen schwärmt. Sowohl in Amerika, als auch in Afrika und Asien wird darüber gescherzt, dass weiße Menschen Hühnchen und andere Speisen nicht würzen.

Dieses Stereotyp wiederum hat seine eigenen Wurzeln: Gewürze in Europa wurden erst nach dem Mittelalter zugänglicher für Menschen abseits vom königlichen Hofe. Das hat dazu geführt, dass Gewürze bei den Eliten verpönt wurden: Als plötzlich auch die Armen würzen konnten, galt es als Zeichen der gehobenen Klasse, das Aroma der Speisen so natürlich wie möglich zu belassen. Sie wurden also maximal gesalzen.

Die Washington Post

„Das Zeug ist gut genug für ‘nen Pulitzerpreis. Und ich kann sehr gut verstehen, warum du zur Washington Post wolltest.“

Der Bösewicht (Kiefer Sutherland), der übrigens nicht mal einen Namen hat, konfrontiert Yo-Yo mit ihrer Recherche. Dass er die Washington Post erwähnt, ist eine Anspielung auf die  Watergate-Affäre – die Regierungsverschwörung, die 1972 von der gleichen Zeitung aufgedeckt wurde.

„Them motherf***ers cloned Tyrone“

Tyrone zählt zu den größten Hits der Soul-Ikone Erykah Badu. Für Regisseur Juel Taylor hat sie den Song umgeschrieben und neu aufgenommen. Der Text des finalen Songs im Film geht schnell unter, wenn man nicht genau hinhört. Anstatt wie im Original „I think you'd better call Tyrone“ singt Badu in der neuen Aufnahme „Them motherf***ers cloned Tyrone“.

Netflixwoche Redaktion

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