„Es war wirklich angsteinflößend“ – Emily Beecham und Andreas Pietschmann über 1899

Kapitän Eyk, gespielt von Andreas Pietschmann, und Neurologin Maura Franklin, dargestellt von Emily Beecham, kämpfen in der neuen Netflix-Serie 1899 nicht nur um das Schiff, das sie nach New York bringen soll – sondern auch um ihren Verstand.

Im Interview mit Netflixwoche verraten die beiden Hauptdarsteller*innen, was Regisseur Baran bo Odar und Autorin Jantje Friese zum besten Leitungsteam macht, wie die Arbeit mit dem internationalen Cast war und was sie vom Set mit nach Hause genommen haben.

1899 steckt voller übernatürlicher Erscheinungen. Glaubt ihr an eine höhere Macht?

Emily Beecham: Ich bin mit Geistergeschichten aufgewachsen, darum grusele ich mich oft und gerne. Ich glaube nicht wirklich an Geister. Aber auch in der Wissenschaft gibt es eine Menge Rätsel, viele unerklärliche Dinge. Außerdem finde ich spannend, was sich außerhalb unseres Planeten befindet. Ich meine, da muss doch irgendetwas sein. Aber ich höre jetzt lieber auf, sonst höre ich mich extrem verrückt an.

Andreas Pietschmann: Ich bin nicht besonders abergläubisch. Aber es ist ja auch Aufgabe von Schauspielern, zwischen den Zeilen zu lesen, zwischen die Worte zu fühlen, das Unsichtbare zu erfühlen und sichtbar zu machen. Ich weiß also, dass Dinge existieren und passieren, die nicht offensichtlich sind und die mein Verstand nicht erklären kann. Doch das ist kein Aberglaube, sondern eher ein Bewusstsein. So würde ich es ausdrücken.

Ein weiteres Thema der Serie ist die Erinnerung. Wie erinnert ihr euch persönlich gerne?

Emily: Ich bin ein sehr visueller Mensch, also für mich sind es Bilder. Und Musik! Musik ist sofort so nostalgisch. Wenn ich die Band Faithless höre, erinnere ich mich sofort daran, wie ich für ein Konzert von ihnen mit 13 in Manchester war.

Andreas: Für mich sind es auch Gerüche. Wenn ich zum Beispiel Heu rieche, versetzt mich der Geruch einfach in die Zeit zurück, als ich acht Jahre alt war und auf dem Bauernhof spielte.

Und als Schauspieler trainieren wir jeden Tag unser Gedächtnis, indem wir unseren Text lernen, um später das Gelernte dann wieder loszulassen und Platz für Neues zu schaffen.

Habt ihr eine Lieblingserinnerung vom Set?

Emily: Da gibt es so viele schöne Erinnerungen. Aber mir fällt gerade eine lustige ein: Als Aneurin Barnard und ich eine Szene drehen mussten, in der wir durch das Schiff rennen, bin ich durch eine Wand gefallen.

Ups, wie ist das denn passiert?

Emily: Aneurin hatte sie schon gelockert, denn er rannte dagegen und lief weiter. Ich bin gefolgt und direkt durch das Set gefallen. Zum Glück war es kein weiter Sturz. Es hätte in die Serie kommen sollen, aber es ist nicht in der Geschichte. (lacht)

Andreas: Ich erinnere mich an den Dreh einer bestimmten Szene, die ich jetzt nicht enthüllen sollte, weil sie in einer späteren Episode vorkommt. Bo, unser Regisseur, hat Musik gespielt, um eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen. Und, wie Emily schon sagte, bringt einen die Musik an andere Orte in der eigenen Erinnerung. Sie berührte eine Stelle in mir, die mit tiefsitzenden Gefühlen verbunden war. Ich glaube, der Moment hat den ganzen Cast sehr bewegt.

Wie war es, den Cast das ersten Mal zu treffen?

Emily: Es war ein bisschen einschüchternd. Wir haben uns alle beim ersten Durchlesen kennengelernt, was immer etwas furchterregend ist. Nun, vielleicht ist „furchterregend“ ein wenig übertrieben. Aber es war aufregend.

Andreas: Wir waren so neugierig, uns kennenzulernen. Jeder kommt von woanders her, spricht eine andere Sprache. Wir wussten, dass wir für mindestens acht Monate auf diese Reise gehen würden. Dieses erste Treffen war also ein ganz besonderer Moment. Wir haben uns hingesetzt und das Drehbuch laut gelesen. Plötzlich ist man nicht mehr allein mit dem Text.

Emily: Wir haben alles in unseren verschiedenen Sprachen vorgelesen. Jedes Skript war in zwei Sprachen, damit wir den Text alle verstehen konnten. Aber es war wundervoll, die verschiedenen Rhythmen und die Melodien unserer Sprachen zusammen zu hören.

Emily Beecham als Moira Franklin, die hinter die Geheimnisse der Kerberos kommen will.

Die Showrunner haben in einem Interview gesagt, dass sich die Produktion sogar mehr europäisch als deutsch anfühlt. Was macht die Serie europäisch?

Emily: Wir sind ein Haufen von Menschen verschiedener Nationalitäten, die zusammenkommen, mit Unterschieden und Gemeinsamkeiten. Es geht also um die Trennung, die entsteht, wenn wir Menschen aus anderen Kulturen nicht verstehen. Aber gleichzeitig sind wir alle Menschen. Wir kommen zusammen und knüpfen Beziehungen. Es geht also darum, die Vorurteile zu überwinden. Denn letztendlich sprechen wir alle dieselbe Sprache.

Andreas: Man kann die Kerberos fast als einen Mikrokosmos von Europa verstehen. Europa ist ein Kontinent mit vielen verschiedenen Kulturen, Hintergründen, Nationalitäten und Sprachen. Alle diese Länder müssen nach dem suchen, was sie vereint, anstatt nach dem, was sie trennt. Auf diesem Schiff ist es dasselbe. Die Passagiere müssen an einem Strang ziehen, ob sie sich nun verstehen oder nicht. Sie alle haben ihre eigenen Hoffnungen und Herausforderungen. Aber am Ende müssen sie zusammenkommen.

Emily, hast du am Set Deutsch gelernt?

Emily: Ja! „Danke, Schatzi.“ Damit habe ich immer meinen Kaffee mit Hafermilch bekommen. Und „Bitte, Schatzi“. Viele nette Worte, die bringen einen weit. Ich kann ein bisschen was sagen und dann denken alle, dass ich viel mehr verstehe, als ich kann.

Und Du, Andreas, hat Dir jemand Fremdwörter beigebracht?

Andreas: Wir haben viel auf Englisch gearbeitet und gesprochen. Alle Szenen zwischen uns beiden waren auf Englisch. Es wurden natürlich auch alle möglichen anderen Sprachen gesprochen. Aber niemand hat mir etwas beigebracht. Vielleicht frage ich mal nach, ich würde gerne wissen, wie man auf Portugiesisch flucht – oder wie man auf Dänisch flirtet.

Du hast bereits bei Dark mit Baran bo Odar und Jantje Friese, den Showrunnern der Serie, zusammengearbeitet. Warum wolltest du wieder mit ihnen ans Set?

Andreas: Ich wusste, wie unglaublich kreativ die beiden sind. Ich fand es also aufregend, wieder Teil ihrer Geschichten zu werden. Andererseits wusste ich, dass sie mich immer herausfordern und weiterbringen wollen. Mit ihnen zusammen habe ich ein paar meiner größten Schritte als Schauspieler gemacht. Ich war also sehr dankbar, als sie mich gefragt haben, an ihr Set zurückzukehren.

Und wie war die Arbeit an dieser Serie anders?

Andreas: Es war tatsächlich nicht viel anders. Natürlich war es eine andere Geschichte. Und es war alles größer und internationaler. Aber die Arbeit war die gleiche.

Jantje hat die Geschichte als Autorin fest im Griff. Sie weiß immer, was sie tut. Und als Regisseur hat Bo eine sehr präzise Vorstellung davon, was in der Szene passieren muss. Und wenn es nicht passiert, nimmt er dich an die Hand und führt dich dorthin. Als Schauspieler ist das sehr wertvoll.

Andreas Pietschmann als Kapitän Eyk Larsen, der um die Kontrolle über sein Schiff kämpft.

Emily, du kamst neu zu Bo und Jantjes Produktion dazu. Wie hast du den Casting-Prozess erlebt?

Emily: Als ich das erste Mal mit Bo über Zoom gesprochen habe, habe ich ihm unzählige Fragen gestellt. Ich habe ihn fast schon damit belästigt. Dann habe ich das Drehbuch und ein Moodboard bekommen. Die Serie hat eine sehr ausgeprägte Ästhetik und ein Design, das mich fasziniert hat. Also habe ich ein Casting Video als Moira aufgenommen und es eingeschickt. Als sie mich baten, sie in Berlin zu treffen, unterhielten wir uns über eine Stunde lang. Zunächst über die Geschichte, aber auch über Identität und Religion und all die faszinierenden Themen der Serie.

Du hast sie offensichtlich überzeugt.

Emily: Ja, glücklicherweise wollten sie mich für die Rolle. Dann kam der große Lockdown, und wir waren für eine sehr lange Zeit getrennt. Aber ich konnte tatsächlich ein paar Monate vor den Dreharbeiten nach Berlin. So hatte ich das Privileg, den Prozess zu sehen, wie die Sets entworfen und das Schiff gebaut wurden.

Das Set muss außergewöhnlich gewesen sein. Ihr habt auf einer Volume Stage, dem „Dark Bay“, gedreht. Was haltet ihr von der neuen Technologie?

Emily: Die Volume Stage war großartig. Es ist ein riesiger LED-Bildschirm um das Set, auf dem man immer live sieht, was man erlebt. Mit dem Greenscreen muss man sich alles vorstellen und sieht es erst, wenn alles fertig geschnitten und bearbeitet ist. Bei 1899 konnten wir auf der Volume Stage alles direkt sehen und auf alles reagieren.

Als wir die Prometheus, das unheimliche Schiff, zum ersten Mal sahen, war das echt angsteinflößend. Und es fühlte sich an, als würden wir uns wirklich bewegen, wie auf einem Schiff. Einige von uns wurden seekrank. Wir hatten auch Wind- und Regenmaschinen und Gimbels, um alles zum Schwanken zu bringen. Das Set selbst war auch wunderschön.

Das bringt mich zu meiner letzten Frage: Habt ihr etwas vom Set mitgenommen?

Andreas: Ich habe Bina Daigeler, unsere Kostümbildnerin, gefragt, ob ich ein paar Knöpfe von meinem Kapitänsmantel mitnehmen kann. Sie wurden extra für die Produktion angefertigt. Ich habe also ein paar Ersatz-Knöpfe zu Hause als Erinnerung. Aber das ist alles, was ich habe, denn man weiß ja nie, ob wir sie noch einmal brauchen.

Emily: Ich wollte einen der schwarzen Kristalle. Sie sagten, ich könnte einen haben, aber ich habe es am Ende vergessen. Er wäre riesig gewesen – ich weiß nicht, wie ich ihn nach Hause bekommen hätte.

Und hat jemand die mysteriöse Pyramide mitgenommen?

Emily: Das weiß ich nicht. Ich meine, es hat ewig gedauert, sie zu entwerfen. Und sie muss ziemlich wertvoll sein. Ich würde sie nie klauen. Obwohl ich gerne eine hätte...

Netflixwoche Redaktion

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