Die Schneegesellschaft: Eine wahre Geschichte von wahrer Freundschaft und vom Überleben

Ein berührender Film über das Flugzeugunglück in den Anden 1972, bei dem 16 Passagiere nur überleben konnten, weil sie sich vom Fleisch ihren verstorbenen Freunde ernährten.

Es ist der 13. Oktober 1972. Die jungen Männer vom Rugby-Team Old Christians Club aus Carrasco, einem Vorort Montevideos, sind bester Stimmung. Sie freuen sich, als Flug 571 der uruguayischen Luftwaffe startet, der sie von der argentinischen Stadt Mendoza zu einem Freundschaftsspiel nach Santiago de Chile bringen soll. Über den Gipfeln der Anden verschwindet die Maschine plötzlich vom Radar. Wie später rekonstruiert wird, ziehen die Piloten zu früh hinunter, das Flugzeug streift mehrmals das Gebirge, wird schwer beschädigt und stürzt in den Anden ab.

Von den 45 Passagieren überleben 29 wie durch ein Wunder den Aufprall. Sie finden sich wieder in einer menschenleeren, schnee- und eisbedeckten Hochgebirgslandschaft. Es gibt keinen Kontakt zur Außenwelt. 72 Tage später, am 23. Dezember 1972 wird der letzte von 16 Überlebenden gerettet. Überlebt haben sie nur, weil sie in ihrer Hungersnot das Fleisch ihrer verstorbenen Kameraden aßen.


Ein Schock für die Welt

Diese Geschichte schockierte vor 50 Jahren die ganze Welt und hat die uruguayische Gesellschaft über Generationen hinweg geprägt.Die Geschehnisse sind Grundlage des Buchs La sociedad de la nieve (zu deutsch: Die Schneegesellschaft). Es stammt von Pablo Vierci, einem uruguayischen Journalisten und Autoren, der ein Freund und Klassenkamerad einiger Passagiere war.

Der Regisseur J.A. Bayona (Jurassic World, Das WaisenhausA Monster Calls) war schon länger fasziniert von Pablo Viercis Buch, in dem das Unglück von den Überlebenden selbst erzählt wird. Nun, nach Jahren der Recherche und aufwändigen Dreharbeiten, ist sein Film Die Schneegesellschaft auf Netflix zu sehen.

Bayona hat sich während der Dreharbeiten direkt und intensiv mit den Überlebenden beraten. Sie waren von Anfang an in die Produktion eingebunden und schufen Verbindungen zu den Schauspielern, halfen ihnen bei der Gestaltung ihrer Charaktere und lieferten zusätzliche Informationen, die nicht im Buch zu finden waren. Bayona vermeidet in seinem Film Sensationslust: „Ich war mehr an dem Konzept der Würde interessiert“, sagt er gegenüber Netflix. „Es gab eine Idee in Viercis Buch, die den Schwerpunkt nicht so sehr auf denjenigen legte, der den Körper eines Freundes isst, sondern auf den Freund, der seinen Körper hergibt, damit sein Gefährte leben kann.“

 Damit wird der Film den Überlebenden und den Toten gerecht. Nando Parrado, der das Unglück überlebte, sagte in einem Interview mit der Schweizer Tageszeitung NZZ: „Fünf Tage nach dem Absturz waren unsere Schokoladentafeln aufgebraucht. Da hörten wir über ein Transistorradio, dass die Suche nach uns abgebrochen worden war. Wir waren also tote Jungs, die noch atmeten. Es gab keine Möglichkeit, aus diesen Bergen ohne Lebensmittel und Winterkleidung herauszukommen. Ich wollte aber nicht sterben, also sagte mir mein Verstand, was ich zu tun hatte. Es ist viel einfacher, als man denkt. Besonders, wenn man in 4500 Metern Höhe und bei minus 35 Grad dem Tod ausgeliefert ist. Wir schlossen untereinander einen Pakt und wurden so quasi die ersten offiziellen Organspender auf diesem Planeten.“

Den Begriff Kannibalismus lehnen die Überlebenden ab

Den verbreiteten Begriff Kannibalismus lehnt Parrado in diesem Zusammenhang ab: „In unserer Geschichte heißt es Anthropophagie (Anm. d. Red.: von griech. anthrōpophagia = das Essen von Menschenfleisch). Kannibalismus ist, wenn man tötet, um zu essen. Wir haben unter uns Überlebenden unseren Körper mit vollem Gewissen und Willen gespendet. Seit 50 Jahren treffen wir Überlebenden uns jedes Jahr am 22. Dezember, um das Leben zu feiern und derer zu gedenken, die nicht zurückkamen und uns das Leben geschenkt haben.“

Für die Schauspieler war die Zusammenarbeit mit den Überlebenden immens wichtig. Enzo Vogrincic, der Numa Turcatti, einen der Rugbyspieler des Fluges 571 spielt, war schon als Kind von der Geschichte gefesselt, nachdem einer der Überlebenden, Gustavo Zerbino, in seiner Schule einen Vortrag gehalten hatte.

„Wir sind wirklich Freunde geworden“, sagt Vogrincic im Gespräch mit Netflix. „Was in der Geschichte geschah, spiegelte sich in uns selbst wider. Die Überlebenden zu kennen bedeutet, sie zu vermenschlichen. Sie fühlen sich immer noch wie 18 oder 19 Jahre alt; sie gehen immer noch auf dieselbe Weise miteinander um.“

Enzo Vogrincic spielt Numa Turcatti, einen der Überlebenden des Flugzeugabsturzes in Die Schneegesellschaft.

Regisseur Bayona wusste von Anfang an, dass die Freundschaft zwischen den Überlebenden die Grundlage für den Film sein musste. Der Prozess, dieses Gemeinschaftsgefühl zwischen den Schauspielern herzustellen, begann bereits in der Vorproduktionsphase. Das Casting dauerte sechs Monate, die Proben sieben Wochen. Später verbrachten sie 140 Drehtage in der Sierra Nevada, einem Gebirgsort in Granada, Spanien, um die Geschichte chronologisch zu rekonstruieren.

„Es gibt keine Helden“

Nicolás Casariego, Drehbuchautor

„Ich wollte keine Geschichte mit Protagonisten. Was dort entstand, war eine Gruppe, in der niemand mehr war als die anderen“, erklärt der Regisseur. „Es war außergewöhnlich.

Wir haben mehr als hundert Stunden mit den Überlebenden verbracht und es war ein Privileg, direkt mit ihnen zu sprechen, wenn Fragen aufkamen. Wir haben sogar vom Set aus mit ihnen telefoniert.“

Sein Co-Drehbuchautor Nicolás Casariego ergänzt: „Für uns ist die Gruppe die eigentliche Hauptfigur, einschließlich derer, die auf dem Weg gestorben sind. Es gibt keine Helden. Es gibt Überlebende, und es gibt diejenigen, die auf dem Berg geblieben sind. Und diejenigen, die zurückkamen, sind in Wirklichkeit auch auf dem Berg geblieben.“

 Das Team reiste dreimal an den Originalschauplatz auf 3.500 Metern Höhe in den Anden. Für Enzo Vogrincic und seine Schauspieler-Kollegen ein emotional intensives Erlebnis:

 „Wenn man dort ist, spürt man die Gefahr. Man spürt, dass das ein gefährlicher Ort ist. Es ist eine unglaubliche Schönheit, aber es ist beängstigend. Die Berge drängen sich einem auf. Du hast das Gefühl, dass sie sich nicht um dich kümmern, dass du etwas winzig Kleines bist, winzig, und dass niemand weiß, dass du da bist.“

Netflixwoche Redaktion

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