Rüschen, Schleifen und Harry Styles: Queen Charlottes Kostüme

Was wären historische Serien ohne ihre Kostüme? Affären, Romanzen und Intrigen ohne schwere Ballkleider, Blumenstickereien und samtigen Fracks? Was wäre Drama ohne pompöse Erscheinung? Nur der halbe Spaß. Doch warum ist das so?

Netflixwoche hat mit den Kostümdesignerinnen Lyn Paolo und Laura Frecon gesprochen, die für die Mode des Bridgerton-Prequels Queen Charlotte: Eine Bridgerton Geschichte verantwortlich sind. Und dabei herausgefunden, wie viel Arbeit hinter einem fertigen Kostüm steckt, welche emotionalen Momente sich in der Anprobe abspielen, warum Harry Styles ein neuer Botschafter der Regency-Mode sein sollte und was das alles mit dem Brexit zu tun hat.

Netflixwoche: Was verrät das Kostüm über eine Figur?

Lyn Paolo: Wahnsinnig viel! Denn was wir tragen, repräsentiert, was die Welt von uns denken soll.

Und wie entsteht so ein Kostüm?

Lyn Paolo: Zuerst lese ich das Drehbuch aufmerksam durch und notiere mir die Adjektive, die zur Beschreibung einer Figur verwendet werden. Und genau das ist für mich der Spaß am Kostümdesign: Wie interpretiere ich das, was auf der Seite steht? Wie drücken wir Freude,Traurigkeit oder Wut aus? Welche Farben verwenden wir? Die Nuance des Kostümdesigns besteht darin, mit der Kleidung eine Geschichte zu erzählen, ohne dass es für das Publikum offensichtlich wird. Am Ende soll es schließlich nicht wirken, als würde das Kostüm stellvertretend für die Schauspieler schreien: „Ich bin wütend, also bin ich rot”.

Wie hilft das Kostüm den Schauspieler*innen, sich in eine Rolle hineinzuversetzen?

Lyn Paolo: Die Kunst des Kostümdesigns besteht darin, den Schauspielern alle Mittel an die Hand zu geben, die sie brauchen, um die Person zu werden, die sie verkörpern. Das ist besonders wichtig bei einem historischen Titel, weil man weiß, dass sie diese Art von Kleidung normalerweise nicht tragen würden. Am Ende ist die Anprobe oft der Ort, an dem die Schauspieler ihren Charakter finden. Ich war schon in Räumen mit Schauspielern, die sich zu mir umdrehten und sagten: „Jetzt verstehe ich diese Figur”. Das ist ein wunderbarer Moment für einen Kostümbildner.

Laura Frecon: Auf jeden Fall! Oft haben wir mehr Informationen, als der Schauspieler bei seiner ersten Anprobe. Damit können wir dazu beitragen, die Entwicklung des Charakters zu erleichtern.

Von der Gestaltung des ersten Entwurfs bis zur Verwirklichung des Kostüms: Welche Schritte sind notwendig? 

Lyn Paolo: Zuallererst ist da das Drehbuch. Ich lese es immer und immer wieder und spreche dann mit den Drehbuchautoren. Anschließend  kommt es auf die Recherche an: Es geht um Skizzen und Moodboards und Gespräche mit dem Regisseur. Nach Monaten lernt man letztlich den Schauspieler kennen. Es kann jedoch sein, dass jemand den Raum betritt und du denkst: „Oh, Mann. Das ist nicht das, was ich erwartet habe.” Dann muss man nochmal vieles überarbeiten. Es ist also ein ständiges, riesiges Puzzle der Verrücktheiten.

Queen Charlotte handelt von historischen Begebenheiten, gleichzeitig sind aber viele Geschehnisse fiktiv. Befreit das von der Bürde, historisch korrekt sein zu müssen? 

Laura Frecon: Queen Charlotte orientiert sich an der realen königlichen Familie aus dem Jahr 18. Jahrhundert. Aber ja, wir waren in der Lage, moderne Elemente einzubringen. So gibt es zum Beispiel in der Staffel einen Sternen- und Mond-Ball, der auf Georges Liebe zur Astronomie basiert – einer Leidenschaft des historischen Königs. Aber dann haben Lynn und ich uns in der Szene mit Sternen, Monden, Sonnensicheln, Astronomie und all diesen wunderschönen Motiven kreativ ausgetobt.

Wenn sie sich verstehen: Königin Charlotte (gespielt von India Amarteifio) und König George (Corey Mylchreest) am Tanzen

Selbst die Statuen sind am Sternen- und Mond-Ball richtig angezogen: als Sternzeichen.

Lyn Paolo: Bei der Vorbereitung haben wir uns nicht nur mit historischen Referenzen beschäftigt, sondern auch mit zeitgenössischer Mode. Und sehr intensiv mit der Geschichte der Ballkleider, ihren Formen und Silhouetten. Denn wir wollten die junge Charlotte modernisieren. Wir wollten nicht, dass sie genauso aussieht wie Goldas Darstellung von Königin Charlotte. Die Mischung aus Geschichte und Fiktion war für uns großartig. Damit konnten wir schummeln. Ich glaube, einige von Charlottes Ballkleidern hätte man auch vor zehn Jahren auf dem Met-Ball tragen können.

Nach welchen Gaderoben sollten Zuschauer*innen von Queen Charlotte Ausschau halten? 

Laura Frecon: Was mir sofort einfällt, ist Agathas Farbentwicklung. Im Laufe der Geschichte werden die Zuschauer eine sehr deutliche Evolution ihrer Farbpalette sehen, die ihre Storyline untermauert.

Was wollen uns die Farben des Kleides der jungen Agatha Danbury (Arsema Thomas) hier wohl sagen?

Gab es eigentlich Schwierigkeiten beim Dreh, mit denen ihr nicht gerechnet hattet? 

Lyn Paolo: Es wird sich komisch anhören, aber der Brexit war eine Herausforderung. Die meisten Filme und Fernsehsendungen über das England des Regencys sind sehr leicht und luftig, denn sie scheinen immer im Sommer zu spielen. Man sieht immer schöne weiße Musselin-Kleider und alle tragen Pantoffeln. Unsere Geschichte fand jedoch im Winter statt. Wir dachten: „Wir werden einen Haufen Materialien, die wir brauchen, einfach mieten können.” Aber falsch gedacht! Viele Dinge waren nicht verfügbar. Also mussten wir viel mehr Kostüme entwerfen, als wir uns vorgestellt hatten. In gewisser Weise gab uns das kreative Freiheit.

Würdet ihr euch wünschen, dass das ein oder andere Stück von damals heute wieder modern wird?

Lyn Paolo: Ich hoffe, dass sich jemand wie Harry Styles unsere Show ansieht und sagt: „So etwas würde ich bei meiner nächsten Show tragen!” Ich hätte  wirklich nichts dagegen, wenn ein toller Stylist entscheiden würde, dass ein junger Musiker diese Art von Stil verkörpern könnte. Vor allem in der Männermode, denn die Männermode heutzutage ist manchmal etwas langweilig.

Laura Frecon: Ja, zu viele T-Shirts und Jeans! Ein bisschen mehr Inspiration von früher würde der Männermode von Heute gut tun!

Wäre schon ein guter Look für Harry Styles!

Zu den Personen

Lyn Paolo ist eine Kostümbildnerin. Sie ist unter anderem bekannt für ihre Arbeit an Inventing Anna, Maid und Queen Charlotte: Eine Bridgerton-Geschichte.

Die Kostümbildnerin Laura Frecon ist unter anderem bekannt für ihre Arbeit an How to get Away with Murder, Inventing Anna und Kong: Skull Island.

Netflixwoche Redaktion

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