Zeichentrick für Erwachsene boomt – warum eigentlich?

Q-Force ist eine neue animierte Comedy-Serie für Erwachsene. Sie bringt das klassische Agentengenre mit einer zeitgemäßen Sensibilität für LGBTQIA+-Themen zusammen: Superspion Steve Maryweather, auch bekannt als Agent Mary, wird bei der American Intelligence Agency (AIA) aufgrund seiner sexuellen Orientierung ausgegrenzt, angefeindet und gemobbt – dabei ist Agent Mary eindeutig der Beste seines Fachs.

Die „Queer Force“ des Titels besteht aus Mechanikerin Deb, Verkleidungskünstler Twink und Hackerin Stat. Nach und nach kann sich mit ihrer Hilfe Agent Mary innerhalb der engstirnigen AIA durchsetzen und erfolgreich Missionen im James-Bond-Stil absolvieren.

Die Serie ergänzt damit das in den vergangenen Jahren stolz gewachsene Angebot an Erwachsenen-Zeichentrickserien und -filmen. Ganz eindeutig: Die früher eher Kindern vorbehaltenen Animationen boomen in der Streaming-Ära. Aber warum ist das eigentlich so?

Grund 1: Der Durchbruch von Streaming

Streaming ist für den Erwachsenen-Zeichentrick eine riesige Spielwiese: Generationen, die bereits durch Die Simpsons und später Family Guy, South Park sowie Anime sozialisiert wurden, finden hier massig Serien für ihren heutigen Geschmack. Sei es die geniale Showbiz-Satire BoJack Horseman, die in den 1970er-Jahren angesiedelte Show F Is for Family von Comedian Bill Burr oder die Coming-of-Age-Sitcom Big Mouth.

Im Gegensatz zum klassischen Fernsehen kann Streaming auch experimentelle Animationsserien erfolgreich an den Start bringen. So wie etwa die Miniserie Enthüllungen zu Mitternacht, die ist mit ihrem eigenwilligen Stil und Look ein echter psychedelisch-existenzialistischer Trip. Eine solche Nischen-Show wäre im klassischen Fernsehen vermutlich untergegangen.

Grund 2: Animation ist Covid-sicher

Selbst die Corona-Pandemie konnte den Zeichentrick-Boom nicht verlangsamen. Ganz im Gegenteil: Die Produktion animierter Serien und Filme lässt sich nämlich optimal ins Home-Office verlagern. Drehtage mit einer riesigen Crew? Gibt es nicht.

So konnte etwa das in Los Angeles angesiedelte Studio Bento Box Entertainment (Paradise PD, Hoops) bereits eine Woche nach Beginn des Lockdowns in den USA seine Arbeit wieder wie gewohnt fortsetzen. Für Streaming-Dienste bietet Animation daher selbst in Covid-Zeiten auch jede Menge Planungssicherheit.

Grund 3: Eine ganz neue Vielfalt hält Einzug

Bis vor wenigen Jahren stand auch in der Erwachsenen-Animation noch die klassische Sitcom-Familie im Mittelpunkt: Vater, Mutter, Tochter, Sohn, die alle niemals altern und jede Folge neue Probleme lösen.

Neuerdings starten jedoch Animationsserien mit Science-Fiction-Elementen wie Rick and Morty und Final Space, die diese Formel mit Lust am Chaos auf den Kopf stellen. Es geht auch in den Bereich der Fantasy wie beim erst kürzlich gestarteten Anime-Film The Witcher: Nightmare of the Wolf oder in die Sphäre des Horrors wie bei Castlevania.

Ja, sogar der Gründungsmythos der Vereinigten Staaten erhält in der Historien-Parodie America: Der Film ein zeitgemäßes und höchst unterhaltsames Update – produziert von den The LEGO Movie-Regisseuren Phil Lord und Chris Miller. Regie führte Matt Thompson, der schon die Agentenserie Archer produzierte.

Doch nicht nur die Genres werden diverser, die Erwachsenen-Animation traut sich auch, vermeintliche Tabuthemen direkt anzugehen. In der Serie BoJack Horseman ist die Hauptfigur ein Pferd und es geht irgendwo zwischen Comedy und Drama um Themen wie Depression, Sucht und sogar Demenz.

Auch ganz typische Pubertätsprobleme werden in Big Mouth auf eine explizite Art angegangen, die in einer Live-Action-Serie schwer vorstellbar wären. Sex Education ist verklemmt gegen das, was in Big Mouth passiert.

What's Next?

Die Zukunft hält einiges im Bereich der Animation für Erwachsene bereit. So freuen wir uns jetzt schon auf Mulligan, eine dystopische Comedy-Show der genialen US-Komikerin Tina Fey (30 Rock & Unbreakable Kimmy Schmidt). Darin wagt die Menschheit einen Neuanfang, nachdem ein Alien-Angriff die Welt zerstört hat.

Streamende werden sich in Zukunft also daran gewöhnen müssen, auch bei Zeichentrick ab und zu den „Ab 18“-PIN rauszusuchen. Belohnt werden sie dafür mit Titeln, die sie mal mehr und mal weniger fordern, die sie aber in jedem Fall so schnell nicht vergessen.

Netflixwoche Redaktion

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