Wer ist Scott Pilgrim? Wie die Figur zum Kultklassiker wurde

„Keine Bewegung, Veganerpolizei!“ – „Wie, Hühnchen ist nicht vegan?!“

Scott-Pilgrim-Fans müssen sich nur Dialog-Fetzen wie diese zuwerfen, und wissen sofort, auf welche ikonische Szene angespielt wird. Für alle anderen, die den Namen Scott Pilgrim noch nie gehört haben, rufen diese Zitate vor allem eines hervor: Verwirrung.

Denn Scott Pilgrim ist eine wilde Mischung aus Romantik, Videospiel-Action, Indie-Rock-Hymnen und Slapstick Humor gewürzt mit einer Prise Wahnsinn und aberdutzenden von Insider-Witzen und Easter Eggs.

Eine Graphic Novel (Scott Pilgrim’s Precious Little Life), ein Film (Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt) und die animierte Serie Scott Pilgrim hebt ab bilden das Scott-Pilgrim-Triumvirat. Jedes Werk für sich ist ein Ritt durch die zeitgenössische Popkultur und die Abenteuer des Erwachsenwerdens. Sie alle leisten einen eigenen Beitrag zum Scott-Pilgrim-Phänomen.

Für alle, die mitreden wollen und sich noch fragen, warum derzeit alle wieder über Scott Pilgrim reden und wer die Veganerpolizei ist: Hier ist der ultimative Einsteiger-Guide für den Kultklassiker.

Darum geht es in Scott Pilgrim

Scott Pilgrim ist, grob gesagt, eine Geschichte über einen Jungen in einer Band und sein Versuch, ein Mädchen zu erobern. Und eine Saga für all jene, die dem Ex-Partner des aktuellen Lebensgefährten auch gerne eine Tracht Prügel verpassen würden.

Ein Running Gag der Serie: Ramona wechselt ständig die Haarfarbe.

Der titelgebende Held selbst ist eher unscheinbar, ziemlich schüchtern und ein bisschen selbstsüchtig. Er sonnt sich gerne in der Anerkennung seiner Freundin Knives, einer etwas jüngeren Highschool-Schülerin, die ihn für sein musikalisches Talent anhimmelt. Dann läuft ihm Ramona Flowers über den Weg – und Scott ist hoffnungslos verloren, weil verliebt..

Ramona ist extrovertiert, cool und unverfügbar. Außerdem schleppt sie tonnenschweres emotionales Gepäck mit sich rum: Sieben teuflische Expartner*innen, die geschworen haben, jede neue Liebschaft Ramonas zu bekämpfen. Scott muss sie alle besiegen, wenn er Ramona erobern will – und aufpassen, dass er dabei nicht zum achten bösen Ex wird.

Die gezeichneten Anfänge

Scott Pilgrim war zuallererst eine Graphic Novel. Deren kanadische Schöpfer Bryan Lee O'Malley fand Inspiration für seine Geschichte in amerikanischen Comics, aber auch in japanischen Mangas. Dabei entstand ein Genre-Mix, eine Art romantische Fantasy-Action-Komödie, die aufgebaut ist wie ein Videospiel: Besiege X Bosse im Nahkampf (die sieben bösen Expartner), um das Spiel (beziehungsweise das Mädchen) zu gewinnen. Ein Mix, dem es gelang, den Zeitgeist der 2000er Jahre einzufangen.

Scott und das ganze Ensemble an schrägen Figuren, auf die er in der Serie trifft.

Insgesamt erschuf O'Malley sechs Bände. Inmitten des ungewöhnlichen Plots ist eine Coming-of-Age-Geschichte versteckt. Sowohl Scott als auch Ramona lernen aus ihren Fehlern, erkennen, dass ihr Handeln Konsequenzen hat, und verstehen die Auswirkungen ihres sorglosen Umgangs mit anderen Menschen.

Vom krachenden Flopp zum Kultklassiker

Als der Spielfilm Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt (als Realfilm, nicht als Anime) im August 2010 in die Kinos kam, war der Film so etwas wie die schrille Tante am Familientisch. Er startete am selben Wochenende wie der grimmige Actionfilm The Expendables und die Selbstfindungsromanze Eat Pray Love. 

Comicverfilmungen als Realfilm waren ein noch relativ frisches Konzept: die überdrehte Handlung, die bunte Optik, die musikalischen Einlagen, Schlagwörter, die wie Sprechblasen auf dem Bildschirm aufploppen, der großzügige Einsatz von Split-Screens und die blitzschnellen Schnitte waren für das Kinopublikum gewöhnungsbedürftig.

Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt übertrug den schrillen Geist der Vorlage perfekt auf die Leinwandfloppte aber im Kino. Erst mit dem DVD-Verkauf entwickelte sich der Film zu einem echten Kultklassiker.

Scott Pilgrim fühlt sich die meiste Zeit an, als würde man mit guten Kumpels ein Videospiel zocken.

Das ist – neben der originellen Regie und dem ebenso witzigen wie cleveren Drehbuch – dem erstaunlichen Cast zu verdanken. Als sie bei Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt mitspielten, waren die meisten von ihnen noch unbekannt oder Hollywood-Hoffnungsträger, die die hohen Erwartungen noch nicht erfüllt hatten. Heute gehören fast alle Darsteller*innen zu den Größten der Großen im Business:

Michael Cera hatte vor Scott Pilgrim neben Elliot Page in Juno mitgespielt, sein Durchbruch mit Arrested Development folgte allerdings erst später. Anna Kendrick spielte seine Schwester Stacey – und landete 2012 mit Pitch Perfect ihren ersten großen Hit. Mit Brie Larson als Envy Adams und Chris Evans als teuflischer Ex Lucas Lee sind in Scott Pilgrim gleich zwei spätere Avenger zu sehen. Und Kieran Culkin als Scotts Freund Wallace Wells brillierte erst kürzlich in der preisgekrönten Serie Succession.

Aller guten Dinge sind drei

Jetzt ist mit Scott Pilgrim hebt ab eine Animationsserie zur Graphic Novel auf Netflix erschienen – und der alte Cast des Spielfilms ist wieder dabei. In der englischen Synchronisation sprechen sie alle ihre alten Rollen.

Die Serie ist vollgepackt mit Easter Eggs für alle Fans, stellt im Gegensatz zur Comic-Vorlage und Verfilmung aber eine völlig neue Frage: Was wäre wenn? Wie würde sich die Geschichte entwickeln, wenn Scott den ersten Kampf verlieren würde?

Die Anime-Serie stellt nicht Scott, sondern Ramona und ihre Ex-Freunde (und eine Ex-Freundin) in den Mittelpunkt. Die schrulligen Figuren bekommen so deutlich mehr Raum.

Wie Todd Ingram, Ramonas dritter Ex-Freund. Er verfügt über telekinetische Superkräfte, weil er sich vegan ernährt. Zumindest, bis ihm die Veganerpolizei auf die Schliche kommt und ihm die Kräfte entzieht, weil er dreimal gegen den Veganer-Code verstoßen hat. Woher hätte er auch wissen sollen, dass Hähnchen nicht vegan ist…

Von links nach rechts: Flexitarier Todd Ingram, Ramona Flowers und Envy Adams in Scott Pilgrim hebt ab.

„Ich wollte in gewisser Hinsicht die Oberhand behalten“, sagt Bryan Lee O'Malley, der Schöpfer von Scott Pilgrim, im Interview mit Variety über die neue Anime-Verfilmung. O'Malley war bei allen Verfilmungen führend beteiligt und schrieb auch das Drehbuch für den Anime mit.

„Es ging mir um das Überraschungsmoment. Die Leute waren überrascht, als sie das Buch lasen, und das ist hoffentlich ein Grund, warum sie das Buch überhaupt mochten. Ich wollte sie ein wenig überrumpeln. Ich wollte, dass es ein bisschen gefährlich ist. Sie wissen nicht, was als nächstes passieren könnte. Jeder könnte jetzt sterben, weißt du? Das hat mir wirklich Spaß gemacht.“

Netflixwoche Redaktion

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