Warum gab es früher viel mehr Serienkiller als heute? Eine True-Crime-Spurensuche

Heute kennen wir ihre Namen vor allem aus True Crime-Dokus: Jeffrey Dahmer, John Wayne Gacy, Ted Bundy und viele andere Serienkiller haben fast alle zwischen 1970 und 1990 gemordet. Aber warum gab es gerade in diesen drei Jahrzehnten so viele Serienmorde? Eine Spurensuche.

Milwaukee, Juli 1991: Tracy Edwards rennt um sein Leben. Er trägt nur eine Jeans. Brust und Füße sind nackt. Seine Hände sind mit Handschellen fixiert. Edwards schreit „Hilfe!“ Immer wieder. Doch niemand hört ihn. Es ist kurz vor Mitternacht und um diese Zeit sind die Straßen von Milwaukee menschenleer.

Doch dann werden zwei Polizisten in einem Streifenwagen auf Edwards aufmerksam. Sie schalten das Blaulicht an, steigen aus. Mit ihren Händen an den Waffenhaltern gehen sie langsam auf Edwards zu. „Bist du high? Hast du was genommen?“, fragt einer von ihnen. Edwards kniet sich hin, hebt seine Hände hoch und sagt nur einen Satz: „Er wollte mich töten!“

Mit „Er“ meint Edwards einen Mann, den er vor wenigen Stunden in einer Schwulenbar kennengelernt hat. Der Mann hat Edwards 50 US-Dollar angeboten, wenn er sich bei ihm zu Hause fotografieren lässt: „Reine Kunst. Nichts perverses.“ Doch in der Wohnung hat der Mann Edwards heimlich Halcion in sein Bier gemischt, ein Schlafmittel. Er hat Edwards gewürgt und mit einem Küchenmesser bedroht. Sein Name: Jeffrey Dahmer.

In Dahmers Wohnung finden die Ermittler*innen später einen abgetrennten Kopf, den Dahmer in seinem Kühlschrank gelagert hat. Sie finden Knochen- und Schädelteile und in Plastiktüten eingepackte Herzen und Genitalien. In Dahmers Schlafzimmer entdecken sie ein 250-Liter-Fass, das mit Säure gefüllt ist. Darin befinden sich fünf Torsi in unterschiedlichen Verwesungszuständen. Bald wird klar: Dahmer hat von 1978 bis 1991 mindestens 16 Menschen getötet und in einigen Fällen Kannibalismus praktiziert.

Spätestens seit der Netflix-Serie Dahmer – Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer ist der Fall um den sogenannten „Kannibalen von Milwaukee“ weltbekannt. Doch was viele nicht wissen: Dahmers Verhaftung markiert für Serienkiller-Expert*innen wie dem kanadischen Autor Peter Vronsky auch einen Wendepunkt in der Geschichte der Serienkiller in den USA.

Evan Peters als Dahmer in der Netflix-Serie Dahmer – Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer.

In seinem Buch American Serial Killers: The Deadliest Years 1950-2000 schreibt Vronsky: Mit der Verhaftung von Dahmer sei eine Serienkiller-Pandemie zu Ende gegangen, die von 1957 bis 1991 in den USA gewütet habe.

Tatsächlich haben mehr als 80 Prozent aller überführten Serienkiller in den USA zwischen 1970 und 1990 gemordet. Zum Vergleich: Laut einer Studie soll es in den 1950er-Jahren 72 Serienkiller in den USA gegeben haben. Doch in den 1960er-Jahren stieg die Zahl der Serienkiller plötzlich auf 217 an. Den Höhepunkt der Serienkiller-Pandemie bildeten die 1980er Jahre mit 768 Serienkillern. Seit den 1990er sinkt die Zahl wieder und zwar rapide.

Namen wie Jeffrey DahmerJohn Wayne Gacy und Ted Bundy kennen wir heute vor allem aus True Crime-Serien wie Catching Killers. Doch: Warum gab es so viele Serienkiller zwischen 1970 und 1990 in den USA? Um diese Frage zu beantworten, haben wir Fachbücher und Essays gelesen. Wir haben uns FBI-Statistiken angeschaut und mit der Kriminalpsychologin Lydia Benecke gesprochen. Sie sagt: „Das Morden war für Serienkiller nie so einfach wie in diesen drei Jahrzehnten.“

Ted Bundys Auto

Vor einigen Jahren wurde in einem Museum in Washington, D.C. ein weißer VW Käfer ausgestellt. Auf den ersten Blick sah der Wagen genauso aus wie Millionen andere VW Käfer: klein, geschwungen, niedlich. Doch auf einem kleinen Schild konnten die Besucher*innen lesen, wem der Wagen einmal gehört hatte: Ted Bundy.

Bundy soll den VW Käfer bei seinen Taten als Lockmittel eingesetzt haben. Auf der Website des Alcatraz East Crime Museum kann man nachlesen, dass Bundy sich oft mit Krücken vor den Wagen gestellt hat und junge Frauen gebeten hat, ihm beim Ausladen des Kofferraums zu helfen.

Diese Geschichte verrät nicht nur viel darüber, wie hinterhältig Bundy vorgegangen ist. Sie ist auch eine mögliche Erklärung für die Serienkiller-Pandemie: Im 20. Jahrhundert wurde das Auto zur Massenware. Immer mehr Menschen konnten sich ein eigenes Fahrzeug leisten. Gleichzeitig wurde das Highway- und Straßennetz massiv ausgebaut. Doch damit wurden plötzlich auch Serienkiller mobil.

Sie konnten schnell große Strecken zurücklegen und in verschiedenen US-Bundesstaaten morden – und die Leichen ihrer Opfer danach mit dem Auto transportieren und fast überall verstecken oder verscharren. Jemand wie Ted Bundy brauchte sich bloß hinters Lenkrad zu setzen und schon konnte er überall in den USA nach Opfern suchen.

„Ich war der Jäger und sie meine Beute“

Es gibt aber noch einen weiteren Faktor, der das Morden ab den 1960er Jahren für Serienkiller leichter gemacht hat als in den Jahrzehnten davor: Gerade unter jungen Menschen war das Trampen beliebt.

„Man muss sich vorstellen: Damals gab es kein Mobiltelefon“, sagt die Kriminalpsychologin Lydia Benecke im Netflixwoche-Gespräch. „Wenn man zu einem Fremden ins Auto gestiegen ist, konnte man vorher niemanden per WhatsApp oder SMS Bescheid sagen.“

Gerade Tramper*innen, die allein gereist sind, waren für Serienkiller leichte Opfer. In der dritten Folge von Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer kann man sehen, wie Dahmer mit 18 seinen ersten Mord begeht. Er nimmt einen Anhalter mit, der genauso alt ist wie er. Auf der Fahrt überredet Dahmer den Jungen, zwei, drei Bier mit ihm zu trinken und hält bei sich zu Hause. Dort bringt er den Jungen um. Die Tat wurde erst 13 Jahre später aufgeklärt. So lange galt der Anhalter als spurlos verschwunden.

Edmund Kemper in der Netflix-Serie Mindhunter.

In der von wahren Begebenheiten inspirierten Netflix-Serie Mindhunter interviewen in einer Folge zwei FBI-Agenten den Serienkiller Edmund Kemper im Gefängnis. Auch er hat vor allem Anhalter*innen getötet. „Ich brachte sie an einen abgelegenen Ort, wo es keine Zeugen gab“, erklärt Kemper den FBI-Agenten. „Ich war der Jäger und sie meine Beute.“

Heute trampt fast niemand mehr. Dass es immer weniger Serienkiller gibt, könnte also auch daran liegen, dass kaum noch jemand zu Fremden ins Auto steigt.

Gene oder Erziehung? Warum Menschen zu Serienkillern werden

In American Serial Killers spricht Peter Vronsky auch darüber, dass die meisten Serienkiller bereits in ihrer Kindheit und Pubertät erste Mordfantasien entwickeln und oft Tiere wie Katzen oder Hunde quälen und töten.

Vronsky sagt deswegen: Wenn man verstehen will, warum es zwischen 1970 und 1990 so viele Serienkiller gab, muss man sich anschauen, was für ein Land die USA in den 1940er und 1950er Jahren waren. Also zu jener Zeit, als Serienkiller wie Edmund Kemper und Ted Bundy Kinder waren.

Dabei fällt Vronsky auf, dass die Väter von vielen Serienkillern im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben. Nicht wenige von ihnen kamen mit Posttraumatischen Belastungsstörungen zurück, tranken viel und schlugen ihre Frauen und Kinder. Gewalt gehörte für viele heranwachsende Serienkiller zum Alltag.

Mit diesem Befund berührt Vronsky auch die Frage, ob man als Serienkiller geboren oder erst dazu gemacht wird. Sind die Gene oder das Elternhaus und die Gesellschaft Schuld, dass manche Menschen töten?

Auch Lydia Benecke beschäftigt sich mit dieser Frage. Sie sagt: „Ob jemand zum Serienkiller wird, hängt von einer Kombination aus beidem ab: biologischen Faktoren und Umweltfaktoren.“

Benecke vergleicht diese Wechselwirkung gerne mit dem Zigarettenrauch. „Wenn man zehn Menschen hat, die 40 Jahre lang rauchen, dann werden nicht alle zum gleichen Zeitpunkt das gleiche medizinische Problem entwickeln“, sagt sie. „Aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie ein Problem entwickeln, ist erhöht.“

Wenn Kinder in einem gewalttätigen Umfeld aufwachsen, erhöht das bei manchen von ihnen die Wahrscheinlichkeit, dass sie als Erwachsene selbst gewalttätig werden. Das bedeutet aber nicht, dass jedes Kind, auf das diese Beschreibung zutrifft, gleich zum Serienkiller wird. „Die meisten Kinder würden trotzdem nicht diese Entwicklung nehmen“, sagt Benecke.

Bei vielen Serienkillern kommt eine Mischung aus den schlimmstmöglichen Faktoren zusammen. „Dabei sollte man allerdings eine Sache beachten“, sagt Benecke. „Eine Erklärung ist keine Entschuldigung. Nur, weil viele Serienkiller als Kindern solchen Faktoren ausgesetzt waren, entschuldigt das nicht ihre Taten.“

Vermutlich gab es also zwischen 1970 und 1990 auch so viele Serienkiller, weil die Gesellschaft an sich gewalttätiger war. Eltern konnten oft ungestraft ihre Kinder schlagen und misshandeln. Und in den Schulen gab es noch keine Psycholog*innen oder Vertrauenslehrer*innen, die sich um verhaltensauffällige oder traumatisierte Kinder gekümmert hätten. Kurz gesagt: Es fehlte an Frühwarnsystemen für Kinder mit einem hohen Aggressionspotential.

Tatsächlich korrespondiert die sinkende Serienkiller-Zahl seit den 1990er Jahren in den USA mit einer anderen, größeren gesellschaftlichen Entwicklung: dem sogenannten Kriminalitätsrückgang. „Wenn man sich die Kriminalitätsentwicklung in Westeuropa und den USA anschaut“, sagt Benecke, „sieht man, dass die Zahl der Gewaltdelikte seit den 1990er deutlich zurückgeht.“

Ein Grund für den Kriminalitätsrückgang: In den letzten Jahrzehnten gab es große Fortschritte auf dem Gebiet der Forensik. Polizist*innen stehen immer ausgefeilter Ermittlungsmethoden zur Verfügung, um Kriminelle zu überführen.

Die Macht der Datenbanken

Die meisten Serienkiller töten Menschen, zu denen sie keine familiären oder freundschaftlichen Verbindungen pflegen. Sie gehen „auf Jagd“ und suchen willkürlich nach Opfern. Dass es keine Beziehung zwischen Täter und Opfer gibt, erschwert die Ermittlung der Polizei enorm.

Die True Crime-Serie Night Stalker auf Netflix erzählt etwa von der Jagd auf den Serienkiller Richard Ramírez, der in den 1980er Jahren Los Angeles terrorisiert hat und mindestens 13 Menschen getötet und elf vergewaltigt hat. An einer Stelle werden TV-Aufnahmen eingespielt, die zeigen, wie sehr die Stadt unter der Willkür des Killers gelitten hat. Eine Frau schaut in die Kamera und sagt: „Ich lasse meine Tür nicht mehr offen.“ Ein andere Frau sagt: „Warum identifiziert ihn keiner? Er lebt irgendwo. Jemand muss ihn kennen.“ Und ein Mann sagt: „Ich habe Angst. Wir alle haben Angst.“

Ein Foto von Richard Ramirez aus der Netflix-Serie Night Stalker: Auf der Jagd nach einem Serienmörder.

Noch schwieriger wird es für die Ermittler*innen, wenn Serienkiller häufig ihren Standort wechseln und in verschiedenen US-Bundesstaaten morden. Jedenfalls war das lange so: Während der Serienkiller-Pandemie haben die verschiedenen Polizeibehörden in den USA kaum zusammengearbeitet. Wenn ein Serienkiller etwa in Kalifornien und Montana gemordet hat, wussten die Behörden oft nicht, dass es sich um den gleichen Täter handelt.

Doch ab Mitte der 1980er-Jahre haben das FBI und andere Behörden damit begonnen, Datenbanken wie das Violent Criminal Apprehension Program anzulegen. „In solche Datenbanken werden Merkmale von Taten eingespeist“, sagt Benecke. „Dadurch ist es viel leichter Taten in Zusammenhang zu bringen, die vielleicht viele Jahre auseinander liegen oder sich in unterschiedlichen US-Bundesstaaten ereignet haben.“

„Eine forensische Revolution“

Aber Mitte der 1980er-Jahre ist noch etwas anderes passiert, dass die Ermittlungsarbeit für die Polizei erleichtert hat: Langsam wurde es möglich, Täter*innen mit Hilfe eines genetischen Fingerabdrucks zu überführen. Wenn am Tatort Blut-, Speichel- oder Spermaspuren gefunden wurden, konnten die Ermittler*innen eine DNA-Profil erstellen. „Das war nichts anderes als eine forensische Revolution“, sagt Benecke.

Eine Folge von Catching Killers erzählt etwa von der Jagd auf den Green River Killer, der in den 1970er- und 1980er-Jahren mindestens 49 Menschen getötet hat. Schon 1982 verdächtigte die Polizei Gary Ridgway. Doch man konnte ihn nicht überführen. Erst 19 Jahre später, 2001, wurde Ridgway verhaftet. Denn jetzt konnte man aus alten DNA-Proben von den Tatorten einen genetischen Fingerabdruck ziehen und Ridgway mit den Morden in Verbindung bringen. „Das war ein denkwürdiger Moment“, erinnert sich ein Ermittler in der Serie.

Heute – 22 Jahre nach der Verhaftung von Ridgway – können Serienkiller sogar noch schneller überführt werden. Und das zeigt ein Blick nach Idaho, wo sich letztes Jahr ein grausamer Vierfachmord ereignet hat.

Ein Vierfachmord in Idaho

Moscow ist eine verschlafene Small Town in Idaho. Die Winter sind hier kalt und schneereich. Die Sommer schwül und warm. Die meisten der 25.000 Einwohner*innen studieren an der örtlichen Universität. Während der Vorlesungszeit gibt es oft Frat Partys, wo man Bier aus roten Plastikbechern trinkt und hofft, dass niemand wegen Ruhestörung die Polizei ruft. Sonst passiert nicht viel in Moscow.

Bis im November 2022 vier Student*innen in einem Wohnheim erstochen werden. Im Schlaf. Es ist das erste Mal seit sieben Jahren, das jemand in Moscow getötet wird – und dann gleich ein Vierfachmord.

Die Bewohner*innen kaufen Türschlösser und -riegel. Manche Studierende wollen sich Waffen zur Selbstverteidigung besorgen. Andere verlassen fluchtartig die Stadt und ziehen wieder bei ihren Eltern ein. Die Straßen sind so leer, dass die Presse von einem „Exodus“ spricht.

Ungefähr sechs Wochen später verhaftet ein SWAT-Team den 28-jährigen Bryan Christopher Kohberger, einen Kriminologie-Doktoranden. Der Prozess gegen Kohberger läuft noch. Doch die Beweislast ist so erdrückend, dass man in den USA vor allem darüber diskutiert, ob er die Todesstrafe bekommen wird oder nicht.

„Hätte sich der Vierfachmord von Idaho in den 1980er-Jahren ereignet“, sagt Lydia Benecke, „hätte die Polizei niemals so schnell einen Verdächtigen festnehmen können.“

Verräterische Handydaten

Um dem mutmaßlichen Vierfachmörder auf die Spur zu kommen, hat die Polizei unter anderem Überwachungskameras in der Nähe des Tatorts ausgewertet. Darauf war immer wieder ein Auto zu sehen, dass mehrfach an dem Student*innenwohnheim vorbeigefahren ist. „In den 1980er Jahren gab es zwar auch schon Überwachungskameras. Aber bei weitem nicht so viel wie heute“, sagt Benecke dazu.

Als nächstes haben die Ermittler*innen eine Fahrzeughalter*innenabfrage durchgeführt. So kamen sie auf den Namen Bryan Christopher Kohberger. Die Auswertung von Kohberger Mobiltelefondaten hat den Verdacht gegen ihn erhärtet. Während der Tatzeit hat sich Kohbergers Handy unter anderem mit einem Funkmast in der Nähe des Tatorts verbunden. Auch eine solche Auswertung der Handydaten wäre während der Serienkiller-Pandemie nicht möglich gewesen.

„Am Tatort hat man auch DNA-Spuren gefunden, die zu keinem der Opfer gepasst haben“, sagt Benecke. Um herauszufinden, ob die DNA-Probe von Kohlberger stammen könnte, haben sich die Polizist*innen einer Ermittlungsmethode bedient, die erst wenige Jahre alt ist, aber in den USA schon dabei geholfen hat, auch lange zurückliegende Mordserien aufzuklären: „Investigative Genetic Genealogy“ (forensische DNA-Ahnenforschung).

Mein Cousin, der Serienmörder

Wenn US-Amerikaner*innen herausfinden wollen, ob ihre Vorfahren aus England, Frankreich, Deutschland oder Irland in die USA eingewandert sind, greifen sie oft auf Online-Gendatenbanken wie Ancestry.com zurück. Kund*innen können hier eine DNA-Probe einreichen und bekommen dann eine Auswertung zurückgeschickt. Oft ein Kreisdiagramm, auf dem man etwa ablesen kann, dass man zu 37 Prozent aus Deutschland stammt, zu 13 Prozent aus Polen und 50 Prozent aus England.

Häufig kann man über solche DNA-Auswertung auch entfernte Verwandte wie Cousins zweiten oder dritten Grades ermitteln. Sofern diese Verwandten auch eine DNA-Probe eingereicht haben.

Seit einigen Jahren nutzen die Polizeibehörden in den USA diese Datenbanken auch, um Mordfälle aufzuklären: Wenn man eine DNA-Spur am Tatort findet, kann man mit etwas Glück einen Verwandten der Täterin oder des Täters über solche Datenbanken ermitteln – und so den Kreis der Verdächtigen immer weiter einengen. In Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern ist die Methode aus datenschützlichen Gründen umstritten und wird nicht angewandt.

In den USA allerdings sorgt die forensische DNA-Ahnenforschung immer wieder für Schlagzeilen. Vor allem dann, wenn mit ihrer Hilfe Cold Cases gelöst werden. So konnten US-Ermittler*innen im April 2018 den mittlerweile 72-jährigen Joseph James DeAngelo Jr. als den berüchtigten „Golden State Killer“ identifiziert, der zwischen 1973 und 1986 mindestens 13 Menschen ermordet und 45 Menschen vergewaltigt hat. Zwei Cousins dritten und vierten Grades von DeAngelo Jr. hatten ihre DNA-Profile auf einer öffentlichen Genealogie-Datenbank geteilt.

Die Zeiten eines Jeffrey Dahmers sind vorbei

Auch bei dem Vierfachmord in Idaho wurde die forensische DNA-Ahnenforschung angewandt. Die Ermittler*innen speisten die DNA-Probe in eine Genealogie-Datenbank ein und fanden so einen Verwandten vom Täter, der sie zu Kohlberger führte. „Daran sieht man, was für ausgefeilte Ermittlungsmethoden den Behörden mittlerweile zur Verfügung stehen“, sagt Benecke. „Ohne die forensische DNA-Ahnenforschung und die Auswertung der Kamera- und Handydaten hätte der mutmaßliche Vierfachmörder vermutlich noch weitere Taten begehen können, bevor man ihn gefasst hätte.“

Es wird für Serienkiller also immer schwieriger, über einen langen Zeitraum unentdeckt zu töten. Die Zeiten eines Jeffrey Dahmers, sie sind vorbei.

Lennardt Loss, Netflixwoche

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