Warum die VIPs aus Squid Game so hölzern klingen

Es gibt dieses Kinderspiel: Da sind viele kleine Bildchen, vielleicht eins von einem Dreieck, eins von einem Kreis, eins von einem Quadrat und dann noch ein Tintenfisch. Nun errate, welche Form nicht dazugehört. Nicht besonders schwer, oder? Auch Squid Game ist auf eine Art ein Kinderspiel, eine pastellfarbene Gameshow aus Nostalgie und Horror. Und die erfolgreichste Netflixserie überhaupt, nicht ohne Grund: originelles Drehbuch, authentische Schauspieler*innen, clevere Dialoge. Alles auf höchstem Niveau – fast. Denn auch hier passt etwas nicht ins Bild: Die unbeholfen wirkenden VIPs, die reichen Geschäftsmänner, die doch eigentlich eloquent und selbstbewusst auftreten sollten. Stattdessen hören sich die Englisch sprechenden Schauspieler an, als würde die männliche Form von Siri den Text aus dem Drehbuch ablesen.

Neben all dem Lob für Squid Game und für die Protagonist*innen mussten die vier Schauspieler der VIPS, die als einzige in der Serie nicht asiatischer Herkunft sind, einen Haufen Kritik einstecken. Auf Twitter schrieben Nutzer*innen von Fremdscham, so richtig verstehen konnte niemand, wie dieses Malheur passieren konnte. Wurden die Rollen per Lotterie verlost?

Gegenüber der britischen Zeitung The Guardian äußerten sich die Schauspieler daraufhin selbst, manche nahmen die Kritik persönlicher (wie Daniel C Kennedy, VIP zwei, der ohnehin mit einer Depression zu kämpfen hat), andere weniger (wie Geoffrey Giuliano, VIP vier, der sich nicht beschwert, so lange er weiterhin Fanbriefe und Einladungen der etwas anderen Art erhält). Doch was den vier gemein ist: Sie alle haben Erklärungen dafür, warum sie in ihren Rollen klingen, als hätten sie ihre Texte da zum ersten Mal gelesen.

Dialoge ohne Gefühl, Personen ohne Charakter

John D. Michaels, der in der Serie VIP eins spielt und bereits viel Erfahrung als westlicher Schauspieler in Korea gesammelt hat, erklärt die gestelzten Dialoge dem Guardian gegenüber so: „Nicht-koreanische Darsteller agieren oft mit Dialogen, die von einem Nicht-Muttersprachler übersetzt werden – manchmal sogar von Google Translate –, sodass es unnatürlich klingen kann.“

Zwar hätten Schauspieler*innen meist die Freiheit, die Dialoge in etwas alltagstauglicheres Englisch umzuwandeln, doch das müsse oft in letzter Minute geschehen – und kann auch nur richtig gut funktionieren, wenn die Darsteller*innen den Kontext ihrer Szenen kennen, was bei Squid Game nicht der Fall war. Ohne das Drehbuch oder die Tonalität des Restes der Show zu kennen, mussten die VIPs ihren Charakteren Charakter geben – also machten sie sie kurzerhand zu „Volliditionen“ oder „Drecksack-Millionäre“.

Eine Frage des Tons

Apropos Ton: Die riesigen goldenen Gipsmasken waren bei der Aussprache ein Problem, aber vor allem der Abstand zu den anderen Schauspielern. „Wir saßen auf Sofas, die mindestens 20 bis 30 Fuß vom nächsten VIP entfernt waren. Wir alle mussten unsere Zeilen vage in die Luft schreien, was zu der seltsamen Tonalität beitrug“, sagt Kennedy.

Natürlich werden Szenen mehrfach gedreht und die beste Version später im Film verwendet, sollte man meinen. Doch wenn im Produktionsteam kein wirklich gutes Englisch gesprochen wird, kann es schon mal passieren, dass der hölzerne Dialog dem besten vorgezogen wird. Oder der Falsche dem Richtigen. „In meiner ersten Zeile in Squid Game sage ich: ‘Listen, I’ll give anybody some slack.’ Das sagt man so aber nicht. Man sagt: ‘I’ll cut anybody some slack’“, erklärt Giuliano dem Guardian. Als er nach dem ersten Take seinen Fehler bemerkt hatte, berichtigte er ihn in allen weiteren Sequenzen. Doch in der endgültigen Version landete trotzdem die falsche Zeile.

Netflixwoche Redaktion

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