Dem Lachen auf der Spur: Seit wann gibt es Lachkonserven in Sitcoms?

Damals war es ein Kulturschock. Als amerikanische Sitcoms wie Alf oder Eine schreckliche nette Familie in den 1980er und 1990er Jahren über die deutschen Bildschirme flimmerten, verwirrten penetrante Lachsalven nach jedem Gag die Zuschauer*innen. Jedenfalls diejenigen, die mit Sitcoms aus den 60er und 70er Jahren groß geworden waren. Bezaubernde Jeannie und Männerwirtschaft wurden weder vor glucksendem Publikum gedreht noch mit Lachkonserven aufgemotzt.

Man empfand diesen „neumodischen Kram“ des Lachens von der Tonspur anfangs als Bevormundung, ja als typisch amerikanischen Kulturimperialismus: „Jetzt wollen uns die Amis auch noch vorschreiben, wann wir etwas witzig finden sollen!“ Oder: „Nur weil die zu blöd sind, zu kapieren, wann etwas lustig ist, müssen wir die ganze Zeit das Gegacker mitanhören“, waren verbreitete Ansichten in dieser Zeit.

Der Untergang des Landes der Dichter und Denker blieb jedoch aus. Die Deutschen gewöhnten sich an das Sitcom-Lachen, wie sie sich an Big Mac und Halloween gewöhnten. Und längst gehört das Lachen aus der Konserve – wie bei der aktuellen Netflix-Sitcom Die wilden Neunziger! zum guten Ton.

Aber wie und warum entstand überhaupt die Idee mit dem eingespielten Lachen, den sogenannten Laugh-Tracks?

Charles Douglass und seine geheime Laff Box

Lachen ist ansteckend, das weiß jedes Kind – also auch TV-Produzent*innen. Schon in den 50er Jahren wurden US-Sitcoms wie I Love Lucy (1951-57) deshalb vor Publikum gedreht.

Aber der Mensch lacht nicht nur gern, er hat auch gern die Kontrolle. TV-Produzent*innen jedenfalls. Und weil das Publikum nicht immer dann lachte, wenn es laut Drehbuch eigentlich sollte, kam ein findiger Radioingenieur auf eine Idee: Charles Douglass erfand die sogenannte Laff Box.

 Mit dieser Maschine, die ein bisschen wie eine Schreibmaschine aussah, konnte aufgezeichnetes Gelächter kategorisiert werden: nach Geschlecht, Alter, Art und Stils des Lachens. Mit der Laff Box erlangten Regisseur*innen und Produzent*innen die Kontrolle über das Lachen. Immer wenn das Publikum zu wenig kicherte, zu leise gluckste oder ein Witz kein brüllendes Gelächter entzündete, konnte mittels Laff Box nachgeholfen werden.

Schon bald wurde die Laff Box nicht nur als Lach-Unterstützung eingesetzt, einige Shows wurden nun gar nicht mehr vor Publikum gedreht und das Lachen kam komplett aus der Konserve. Ihren ersten Einsatz hatte die Laff Box 1950 in der Hank McCune Show.

Rund 20 Jahre lang hatte Charles Douglass das Lach-Monopol – die Existenz seiner Erfindung verschwiegen die Filmschaffenden übrigens eisern bis in die 1970er Jahre hinein.

Sorgt Fake-Lachen wirklich für mehr echtes Lachen bei den Zuschauer*innen?

Ob der Fernsehzuschauer tatsächlich mehr lacht, wenn er durch Laugh-Tracks dazu animiert wird, gilt als umstritten. Es gibt Studien, die das nahe legen, aber auch Untersuchungen, die keine signifikanten Unterschiede beim Vergleich von Serien mit oder ohne Laugh-Track feststellen konnten.

Bei Sitcoms aus diesem Jahrtausend wird meistens vor Publikum gedreht und mittels Laugh-Tracks nachgebessert.

Die Kontrolle über das Lachen lässt sich natürlich auch über die Auswahl des Publikums steuern. So sorgten die Produzent*innen bei Eine schrecklich nette Familie dafür, dass immer reichlich Soldaten im Publikum saßen. Eine Klientel, die möglicherweise eher auf Al Bundys Zoten ansprang als Studierende aus dem Proseminar „Dialektik der Aufklärung“.

Netflixwoche Redaktion

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