„Sie werden niemanden finden, der ONE PIECE mehr liebt als ich“ – Showrunner Matt Owens und Steven Maeda im Interview

ONE PIECE ist neben dem legendären Blackbeard und Fluch der Karibik wohl eine der bekanntesten Piratengeschichten der Welt. Mit über 500 Millionen verkauften Büchern hält die Manga-Reihe den Rekord als meistverkaufter Comic aller Zeiten. Die animierte Serie ist einer der ältesten und beliebtesten Animes auf Netflix. Und nicht nur das: Die Netflix-Realverfilmung des Abenteuers als achtteilige Serie ONE PIECE ist einer der heißesten Titel des Sommers. Fans fiebern seit der Bekanntmachung auf den Filmstart am 31. August 2023 hin.

Im Interview mit Netflix sprechen die Showrunner Matt Owens und Steven Maeda über ihren Cast, die Animation von Teufelsfrucht-Kräften, Wahlfamilien und wie One Piece ihnen das Leben gerettet hat.

Dieses Interview wurde vor den Streiks der WGA und SAG-AFRA in Hollywood geführt. Der Text wurde für Netflixwoche übersetzt und leicht gekürzt.

Welche Vorgeschichte verbindet Sie mit ONE PIECE?

Matt Owens: Die erste Ausgabe von ONE PIECE erschien, als ich zehn  war – und das war auch das Alter, als ich begann, mich für Manga zu interessieren. Aber aus irgendeinem Grund hat mich die Reihe als Kind einfach nicht wirklich angesprochen und ich habe den Manga erst wieder zur Hand genommen, als ich über 20 war. Damals hatte ich eine schlimme Depression und war auf der Suche nach irgendetwas, das mir helfen konnte, die Welt um mich herum auszublenden. Das war der Anstoß für mich, endlich in die Reihe einzutauchen. Und ich glaube ehrlich, dass mir ONE PIECE das Leben gerettet hat. In der Geschichte geht es um Menschen, die einander beistehen und darum, dass man seinen Träumen folgen und seine Wahlfamilie finden kann ... all die Dinge, die mir fehlten und die ich neu einordnen musste. Das half mir, aus dem finsteren Loch herauszukommen, in dem ich damals steckte. Ich habe eine sehr tiefe emotionale Verbundenheit zu diesem Material und nicht nur, weil der Manga so fantastisch ist, wie er ist.

In One Piece sticht Monkey D. Luffy (Iñaki Godoy) in See mit seiner Crew: Usopp (Jacob Romero Gibson), Roronoa Zoro (Mackenyu Arata), Nami (Emily Rudd), Sanji (Taz Skylar).

„Sie werden in der gesamten Branche niemanden finden, der ONE PIECE besser kennt oder mehr liebt als ich.“

Wie kam es zu Ihrer Mitwirkung an der Realverfilmung von Netflix?

Ich war  2017 aktiv hinter diesem Projekt her, als mir zu Ohren kam, dass Tomorrow Studios die Rechte für eine ONE PIECE-Verfilmung erworben hatte. Ich erinnere mich noch, wie ich eine E-Mail in Großbuchstaben an alle meine Agenten schickte: „ICH BRAUCHE EIN MEETING FÜR DIESES PROJEKT!!!“ Und meine Karriere als Autor war zu diesem Zeitpunkt eher mittelmäßig.

Ich wusste nicht, ob ich jemals eine Chance bekommen würde, aber ich musste es einfach versuchen. Und genau das habe ich auch bei meinem ersten Meeting mit Tomorrow Studios gesagt: „Ich weiß offen gestanden nicht, ob es überhaupt machbar ist, aber ich weiß, dass ich nicht tatenlos zusehen kann, wie es jemand anderes macht. Sie werden in der gesamten Branche niemanden finden, der ONE PIECE besser kennt oder mehr liebt als ich.“ Mir war klar, dass die Aussichten nicht besonders gut standen, aber Anfang 2018 kam dann der Anruf.

Steven Maeda: Ich war hingegen mit dem Manga nicht so sehr vertraut, als ich mich für die Serie bewarb. Aber dann las ich die ersten hundert Kapitel sehr schnell durch und erkannte, dass es sich hier um etwas ganz Besonderes handelt. In diesem Sandkasten spielen zu dürfen, den Eiichirō Oda geschaffen hat, ist wirklich eine Ehre.

ONE PIECE erschien zum ersten Mal vor über 25 Jahren und der Manga ist immer noch äußerst erfolgreich.

Maeda: Zunächst einmal ist die Geschichte wunderbar einfallsreich. Sie spielt in einer Welt, die man noch nie gesehen hat. Allen, die diese Welt zum ersten Mal entdecken, wird als Erstes auffallen, wie sehr sie sich nicht nur von anderen Piratengeschichten unterscheidet, sondern auch von allem, was man sonst zu lesen oder zu sehen bekommt. Im Kern verweist die Geschichte auf eine einfachere Sichtweise auf unsere Unterschiede und darauf, wie sie sich überwinden lassen. Das alles erzählt aus dem Blickwinkel von Protagonist Monkey D. Ruffy, der ein so großes Talent dafür hat, Menschen zusammenzubringen. Es geht darum, dass sich Menschen anlehnen und aufeinander vertrauen, um das zu erreichen, was sie wirklich wollen und was ihnen am Herzen liegt.

Owens: Ich glaube, der andauernde Erfolg hat eindeutig mit Odas Kreativität und Genialität bei der Erschaffung einer Welt zu tun. Oda hat dauernd Ideen für neue Orte und neue Konflikte, die diese Welt immer weiter vertiefen. Wie Steve schon sagte, handelt es sich hier nicht nur um eine unterhaltsame Piraten-Abenteuerserie, es geht um so viele verschiedene Themen: Unterdrückung, Informationskontrolle, Selbstzweifel. Es werden hier so viele wunderbare emotionale Motive behandelt, die nach wie vor zeitgemäß sind. Er baut einfach weiter an einer Welt, in der man unbedingt seine Zeit verbringen möchte.

Die Welt um Monkey D. Luffy (Iñaki Godoy) und die Meute auf seinem Schiff, der Going Merry, ist bunt, absurd und voller Abenteuer.

Odas Fans sind begeistert, dass er so sehr in diese Verfilmung involviert war. Wie war es, ihn kennenzulernen und mit ihm zusammenzuarbeiten?

Owens: Ich glaube, ich war in meinem gesamten Leben noch nie so nervös. Hier war dieser Mensch, der diese Geschichte geschaffen hat, die mir so am Herzen liegt und für die ich so viel Respekt habe – und ich bitte ihn, mir sein Baby anzuvertrauen. Ich will Ihnen nichts vormachen. Er hat es uns am Anfang nicht leicht gemacht, schließlich war das nicht der erste Versuch einer Realverfilmung von ONE PIECE und wir waren nicht die ersten Leute, die das auf eine neue Weise realisieren wollten. Aber als er gemerkt hat, dass wir gute Absichten hatten und wir diese Reihe bewahren sowie eine neue Möglichkeit eröffnen wollten, dass sich noch mehr Leute dafür begeistern, begann er, uns zu vertrauen.

Wenn man eine so umfangreiche Geschichte wie ONE PIECE in einer achtteiligen Staffel umsetzt, dann geht das natürlich nicht ohne einige kreative Zugeständnisse von Seiten Odas und Ihnen. Gab es Aspekte der Geschichte, die Oda nicht verändert haben wollte?

Owens: Es gibt zwei Dinge, bei denen Oda besonderen Wert darauf legte, dass wir dem Manga so treu wie möglich blieben: 1. Die Vorgeschichten der Strohhüte: Sie ist so entscheidend dafür, was sie als Menschen ausmacht, wie ihre Träume und Motivationen aussehen – und wie Ruffy genau da nachhakt, als er ihnen begegnet und ihnen hilft, diese Träume wiederzuentdecken. Dieser emotionale Kern der Serie war sehr wichtig.

2. Die Kräfte: Die spezifischen Teufelsfrucht-Kräfte und andere Fähigkeiten wurden alle von Oda sehr bedacht entwickelt. Err hat bereits viel Einfallsreichtum darin investiert, was die verschiedenen Protagonist*innen tun können und welchen Regeln das unterliegt. Deshalb wurden wir gebeten, uns da nicht einzumischen.

Maeda: Stattdessen haben wir uns darauf konzentriert, für den gleichen Optimismus zu sorgen, der sich auch durch den ganzen Manga zieht. Und wir haben versucht, auf dem feinen Grat zu balancieren, bei dem sich die Figuren real, in der Wirklichkeit verwurzelt und organisch anfühlen – wir sie aber gleichzeitig sie selbst sein lassen und damit den gezeichneten Figuren treu bleiben. Das Entscheidende war, darauf zu achten, dass die Strohhüte alle richtig vorgestellt wurden, dass ihnen in der Serie der richtige Raum eingeräumt und exakt erklärt wird, wer sie sind. Aber davon abgesehen musste alles, was neu in die Serie eingebracht wurde, sehr intensiv mit Oda und seinem Team abgesprochen werden. Zum Beispiel bestimmte Handlungsbögen, die vorgezogen werden mussten. In Bezug auf den Kanon haben wir allerdings nichts verändert.

Owens: Es ist nicht übertrieben zu betonen, wie sehr er und sein Team in diese Serie eingebunden waren. Sie bekamen Abrisse, Drehbücher, Tagesaufnahmen und Schnittversionen zu sehen. Manchmal schaute er sich etwas an und sagte: „Genau so hab ich es mir vorgestellt!“ Das war immer ein unglaubliches Gefühl ... Aber wenn Oda etwas sah, das bei ihm Fragen aufwarf, kam er damit zu uns. Er erklärte, was seine ursprüngliche Absicht war, und daraus entstand dann ein Gespräch, das sich ständig weiterentwickelte.

Monkey D. Ruffy und die geheimnisvollen Kräfte der Teufelsfrucht sind von der Geschichte nicht wegzudenken.

„Wenn die Botschaft von ONE PIECE verbreitet wird, dann hat sich alles gelohnt.“

Matt Owens

Was reizte Sie angesichts des Erfolgs von Manga und Anime-Serie, diese  Geschichte zu verfilmen? 

Owens: Animes und Mangas werden meiner Meinung nach immer noch oft als etwas betrachtet, das für Kinder oder Nerds ist. Das ist eine Hürde, die sich nur schwer überwinden lässt. Diese Serie kann dem Publikum hoffentlich zeigen, dass Anime- und Mangageschichten alle ansprechen können. ONE PIECE ist die fantastischste Story, die je erzählt wurde. Und wenn ihr die Menschen als Realverfilmung eher eine Chance geben, dann ist es das wert. Ich fände es toll, wenn Zuschauer*innen auf diese Serie stoßen würden und dann den Manga lesen, um zu erfahren, wie es weitergeht. Das ist meine Hoffnung. Wenn die Botschaft von ONE PIECE verbreitet wird, dann hat sich alles gelohnt.

Maeda: Für mich gibt es keinen größeren Ansporn als eine unmögliche Herausforderung, um mir zu sagen „Okay, ich glaube, das ist machbar“, und dann einen Weg zu finden, das auch umzusetzen. Aber die riesige Herausforderung bei der ganzen Sache wurde durch die leidenschaftliche Fangemeinschaft noch um einiges größer. So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich bin mir sicher, dass jede unserer Entscheidungen ganz genau unter die Lupe genommen wird. Aber genau das mag ich. Wir sind sehr stolz auf das, was wir hier geschaffen haben.

Warum ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, um diese Geschichte zu erzählen?

Owens: Aus emotionaler Sicht lautet die Antwort: Geschichten dieser Art müssen genau jetzt erzählt werden. Wir leben in einer Zeit, in der sich die Menschen sehr alleine und isoliert fühlen. Gerade dann können wir eine Geschichte, die sich um die Macht der Freundschaft dreht, kulturell sehr gut gebrauchen. Aus  Sicht der Unterhaltungsbranche sind hingegen viele der groß angelegten Serien irgendwie alle so düster. Und ich will sie hier nicht abwerten, ich finde sie großartig. Wir wollten aber eine Serie machen, die genauso viel an Mythologie, sagenhafter Vorgeschichte und Genialität zu bieten hat wie einige dieser anderen Serienhits – in einer sonnigen, unbeschwerten und optimistischen Version davon. Wir wollen auf gleicher Ebene mit ihnen mithalten können, aber ein Licht der Hoffnung bieten.

Maeda: Wir brauchen dringend eine Geschichte über Menschen, die zusammenfinden und trotz all ihrer Unterschiede zusammenarbeiten. Gibt es etwas Wichtigeres, das wir als Gesellschaft gerade im wirklichen Leben überhaupt nicht hinbekommen?

Darum geht es  in ONE PIECE:

Monkey D. Ruffy hatte schon immer den Drang nach frischer Seeluft. Eines Tages kehrt er seinem kleinen Dorf den Rücken. Er begibt sich auf eine gefährliche Reise, um einen legendären Schatz zu finden. Dieser soll ihn zum König der Piraten machen! Doch dazu braucht er zunächst ein Segelschiff und natürlich eine Crew. Auf der Suche nach dem Schatz erforscht er mit seiner Mannschaft – den Strohhüten – die Weiten des Meeres: Gemeinsam hängen sie Marine-Soldaten ab und überlisten gefährliche Gegenspieler*innen, die überall lauern.

Netflixwoche Redaktion

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