Kevin Hart im Actionfilm Lift: So wurde der kleine Comedian zum Kino-Giganten

Als Comedian gestartet ist der nur 157 Zentimeter große Kevin Hart schon länger genreübergreifend erfolgreich. Im Netflix-Actionfilm Lift spielt er den Meisterdieb Cyrus Whitaker, der mit seiner Crew Kunst von Leuten raubt, die diese nicht verdient haben.

„Ich weiß, dass ich kein Kämpfer bin“, gibt Kevin Hart zu. „Darum trage ich eine Trillerpfeife.“ Es ist einer von vielen Witzen, mit denen sich der Comedian selbst auf die Schippe nimmt. Zwar hätte er bei einer Schlägerei keine Chance, aber er würde seinem Gegner dafür einfach ins Gesicht trillern. „Du wirst den Kampf zwar gewinnen, aber morgen hörst du dafür nichts mehr, Bitch.“

Seine kleine Statur macht der Comedian schon 2009 in seiner Show I’m A Grown Little Man zum Thema. Dass er rund 15 Jahre später zu den bestbezahlten Stars Hollywoods gehören würde, damit hätte sicher nicht einmal er selbst gerechnet. Aktuell spielt Hart im Netflix-Actionfilm Lift den Meisterdieb Cyrus Whitaker, der mit seiner Crew Kunst von Leuten raubt, die diese nicht verdient haben. Der neueste Auftrag? Gold im Wert von 500 Millionen Dollar aus einem Passagierflugzeug in 12.000 Metern Höhe stehlen.

Kevin Harts Werdegang ist ein Paradebeispiel für den American Dream. Er wächst in einer armen Nachbarschaft Philadelphias auf, wo er mit seiner Mutter und seinem älteren Bruder in einer 2-Zimmer-Wohnung lebt. Der suchtkranke Vater hat die Familie längst im Stich gelassen.

Als sein Bruder auf die schiefe Bahn gerät, wirft seine Mutter ihn raus und tut alles, damit ihr anderer Sohn nicht ebenfalls kriminell wird. Statt nach dem Unterricht irgendwo im Block abzuhängen, muss Kevin zu Schul-AGs und zum Schwimmtraining. Aufs Studieren hat er jedoch keine Lust. Nach der Highschool beginnt er, Sneaker zu verkaufen. Doch seine wahre Leidenschaft ist Comedy.

„Der Hund war auch auf Drogen!“

Zwischen seinem ersten Stand-up-Auftritt 2001 und I’m A Grown Little Man liegen knapp acht Jahre und diverse kleinere Auftritte in Filmen wie Jungfrau (40), männlich, sucht oder Scary Movie 3 und 4 – Zeit, in der er sorgfältig an seinem Handwerk arbeitet.

Sein Markenzeichen wird sein selbstironischer Humor. Mit Laugh at my Pain teilt Kevin Hart 2011 das erste Mal seine Kindheitstraumata mit dem Publikum. Er spricht vom frühen Tod seiner Mutter und von seinem verhaltensauffälligen Vater. Dessen Drogenexzesse führten zu einer Reihe denkwürdiger Momente, manche erniedrigend, andere vor allem peinlich. In der Show erzählt der Comedian, wie sein Vater einen seiner Buchstabierwettbewerbe unterbrach – und zwar mit einem gestohlenen Polizeihund im Schlepptau. „Der Hund war auch auf Drogen!“, witzelt Kevin Hart, während das Publikum sich vor Lachen schüttelt.

Und er erzählt von der Beerdigung seiner Mutter, bei der Henry Witherspoon seinem weinenden Sohn wenig aufbauende Worte des Trosts spendet: „Sei keine Bitch!“ Ein Rat, den der Comedian oft von seinem Vater zu hören bekommt.

In Lift soll Kevin Hart als Cyrus Whitaker für Interpol-Agentin Abby (Gugu Mbatha-Raw) eine Ladung Gold stehlen.

Sein Schmerz wird zur Goldmine

Kevin Hart verarbeitet seinen Schmerz mit Humor und spricht über Erfahrungen, die viele im Publikum kennen: die Kindheit im Brennpunkt, Kriminalität und Suchtkrankheit in der Familie, der Verlust eines Elternteils. Er tourt mit der Show durch 90 US-Städte und verkauft Tickets im Wert von rund 15 Millionen Dollar. Eine Doku zur Tour wird später in Kinos ausgestrahlt und fährt am ersten Wochenende zusätzliche 2 Millionen Dollar ein. Die Show ist Kevin Harts Durchbruch und gehört bis heute (mit zwei weiteren seiner Touren) zu den zehn erfolgreichsten Stand-up-Performances in den Staaten.

Plötzlich ist Kevin Hart überall zu sehen. Von Modern Family, über Denk wie ein Mann zu Ride Along (mit Ice Cube an seiner Seite). Seinen perfekten Partner findet Kevin Hart in Dwayne „The Rock“ Johnson. Bis heute haben die beiden fünf Filme gemeinsam gedreht. Den Auftakt macht Central Intelligence, in der Hart einen desillusionierten Buchhalter spielt, der von seinem alten Schulfreund (Johnson) in eine gefährliche Mission verwickelt wird. Der Film spielt 2016 über 200 Millionen Euro ein, bei einem Budget von 50 Millionen.

Doch den größten kommerziellen Erfolg hat Jumanji: The Next Level. Der Blockbuster erzielt 2019 über 800 Millionen Euro. Die Promo der beiden dürfte zu dem Erfolg beigetragen haben.   

Das Duo bleibt bekannt dafür, sich gegenseitig aufzuziehen. Kevin Hart konnte sich zuletzt einen Seitenhieb auf seinen Kumpel nicht verkneifen, als er in einem Interview mit ET Online über seinen neuesten Film Lift sprach. „Wer würde es vergeigen? Dwayne!“, witzelte er auf die Frage, wen er anheuern würde, wenn er im echten Leben einen Raub planen sollte.

Das Internet vergisst nie

Wer I’m a Grown Little Man und Seriously Funny gesehen hat, wird nicht überrascht sein, dass Kevin Hart wegen seiner Äußerungen gegenüber der LGBTQ-Community bald die Konsequenzen zu spüren bekommt. Kommentare wie „Meine größte Angst ist, dass mein Sohn später schwul ist!“ mögen um 2010 herum im Mainstream noch nicht für einen Aufschrei gesorgt haben. Doch als Ende 2018 verkündet wird, dass der Comedian die nächste Oscar-Verleihung moderieren soll, werfen Leute nochmal einen Blick auf seine alten Tweets: „Falls ich meinen Sohn später dabei erwische, wie er mit dem Puppenhaus meiner Tochter spielt, hau ich ihm das über den Kopf und sage ihm: ,Hör auf, das ist schwul!’“ ist einer davon. 

Die Öffentlichkeit ist schockiert und wütend. Hart erklärt seinen Rücktritt und entschuldigt sich zögerlich. Nach einem Interview mit Talkshow-Moderatorin Ellen DeGeneres, die ihn nun unterstützt, überlegt Hart, die Oscars doch zu moderieren. Und löst damit einen zweiten globalen Shitstorm aus.

Der Tenor in den sozialen Netzwerken: Kevin Hart hat öffentlich gegen Homosexuelle gehetzt und ist kein unschuldiges Opfer irgendwelcher Internet-Trolls, die ihm seinen großen Gig vermiesen wollten. Die Award-Show findet am Ende das erste Mal ganz ohne Moderator*in statt.

„Wer die Erkenntnis aushält, dass er Fehler hat, der kann sich auch bessern“ 

Kevin Hart veröffentlicht Ende 2019 stattdessen Don't F**k This Up, eine sechsteilige Dokuserie über sein Leben – sie ist teils Hustle-Culture-Manifest, teils Seelenstriptease. Es geht um seine Herkunft, seine Beziehung zum inzwischen nüchternen Macho-Vater. Kevin Hart und seine Frau Eniko sprechen über seinen auf Video festgehaltenen Seitensprung während ihrer Schwangerschaft. Mit Freunden redet er über Männerfreundschaften und Vaterrollen, über die Kinder und das Vermächtnis, das sie ihnen hinterlassen wollen.

Kultur und Black Community sind ebenfalls ein Thema. Hart will Chadwick Boseman (Black Panther) für ein Filmprojekt gewinnen, doch der will erstmal drüber nachdenken. Idris Elba (Beasts of No Nation) stimmt direkt zu.

Die Serie gipfelt in den Oscar-Skandal und das Nachspiel, das Harts Kommentare sowohl für ihn als auch für seine Produktionsfirma hatten. Monate nach der Kontroverse gibt sich der Comedian einsichtig: „Wer die Erkenntnis aushält, dass er Fehler hat, der kann sich auch bessern.“ 

Kevin Hart mit seinem Vater Henry Witherspoon, keine ganz einfache Beziehung.

Im selben Jahr überlebt Kevin Hart einen Autounfall mit schweren Rückenverletzungen. Mit Men’s Health spricht er 2020 über seine Genesung, neue Prioritäten und seine Läuterung. Er betont, er sei nicht homophob und habe auf den Oscar-Skandal falsch reagiert. Durch Gespräche mit Freund*innen aus der LGBTQ-Community habe er verstanden, dass er Scheiße gebaut hat. „Sei gay, sei nicht gay. Ich hab dich so oder so lieb“, sagt er. 

Ob Kevin Harts Kommentare damals wirklich nur Ausdruck von Unreife oder überzeugte Homophobie waren, weiß er selbst am besten. Zweifel an seiner Selbstdarstellung haben seinem Erfolg allerdings keinen Abbruch getan.

Inzwischen ist Hart nicht mehr nur Comedian. Er hat diverse Unternehmen, ist Autor mehrerer Selbsthilfe-Bücher, Synchronsprecher, Produzent und spielt neben Komödien auch in Dramen (True Story) oder eben in Actionfilmen wie Lift. An seiner Seite spielen unter anderen Gugu Mbatha-Raw (Black Mirror), Úrsula Corberó (Tokio aus Haus des Geldes), Sam Worthington (Avatar) und Jean Reno (Da 5 Bloods). Und tatsächlich zeigt Kevin Hart in der finalen Actionszene von Lift: Er ist doch ein Kämpfer – und braucht gar keine Trillerpfeife.

Saba MBOUNDZA, Netflixwoche

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