H. P. Baxxter von Scooter: „Zuhause bin ich ganz normal“

Mit FCK 2020 erscheint auf Netflix die erste Dokumentation über Scooter. Zum Start des Films haben wir mit Frontmann H. P. Baxxter über Krach in der Band, Covid-Jahre und sein 15-Zimmer-Haus gesprochen.

Großes Tigerfell, goldene Bilderrahmen, dunkelrote Wände – das Haus von H. P. Baxxter lässt sofort an das Musikvideo zum Trance-Song Nessaja denken, dass er 2002 mit seiner Band Scooter aufnahm. Doch so rauschend wie in dem Clip (wir erinnern uns an die Tänzerinnen in der weiß-goldenen Badewanne), geht es dann doch nicht zu in Hamburg-Duvenstedt. Es ist 2020, Corona-Zeit. Der Frontmann von Deutschlands erfolgreichster Electronic-Dance-Music-Band darf nicht feiern.

Die Regisseurin Cordula Kablitz-Post hat Baxxter und seine Bandmitglieder während dieser Zeit begleitet. Sie hat mit alten Weggefährten gesprochen (Scooter gab es in verschiedenen Besetzungen), die Familie besucht und die Musikgruppe auch bei den ersten Shows nach den Corona-Lockerungen begleitet. Herausgekommen ist ein Zeitdokument, ein Bandproträt – rund zwei Stunden FCK 2020 – zweieinhalb Jahre mit Scooter. Eine Doku, die Anfang des Jahres in den Kinos lief und jetzt auf Netflix erscheint.

Zum Start des Film haben wir mit H. P. Baxxter über die Produktion gesprochen, Covid-Jahre, Krach in der Band und sein Haus mit 15 Zimmern.

Netflixwoche: H.P., in der Doku FCK 2020 erhalten Zuschauer*innen erstmals einen privaten Einblick in dein Leben. Wie kam es dazu, dass du jemanden so nah rangelassen hast?

H. P. Baxxter: Ich hatte eine Freundin in Berlin getroffen und das war zu dem Zeitpunkt, als gerade die Premiere zu dem Toten Hosen Film war, den Cordula Kablitz-Post gemacht hatte. Und die Bekannte von mir meinte: Wäre das nicht auch etwas für euch? Eine Live-Doku? Und ich dachte: Ja, Scooter gibt es seit fast 30 Jahren, wir werden nicht jünger und sind gerade ziemlich erfolgreich – warum nicht? Dass dann Corona dazwischen gekommen und die Doku eine Art Zeitdokument ist, damit hat niemand gerechnet.

Cordula Kablitz-Post hat dich zweieinhalb Jahre begleitet. Gab es bei so viel Kamerazeit keine Hemmungen?

Nein, ich hatte mich mit Cordula auf Anhieb gut verstanden, deswegen habe ich das überhaupt gemacht. Und ich habe ihr und der Cutterin auch viele Freiheiten gelassen. Ich wollte, dass es möglichst authentisch wird und kein Werbefilm. Das hatte natürlich zur Folge, dass ich nicht immer supersympathisch rüberkomme und es auch Szenen gibt, in denen ich einen Wutanfall bekomme. Aber ich finde, Cordula hat das super gemacht und das war auch das Feedback, das ich von anderen bekommen habe.

Die Doku kam Anfang des Jahres in die Kinos und erscheint jetzt auf Netflix. Wie ist es für dich, den Film wieder zu sehen?

Als ich zum ersten Mal FCK 2020 gesehen habe, fühlte es sich unwirklich an – und damals war ich noch näher an der Produktion und der Corona-Zeit dran. Jetzt habe ich das Gefühl, als hätte es die Pandemie nie gegeben. Das ist natürlich bei mir auch eine Verdrängung. Aber man muss im Hinterkopf haben, dass die Doku eine Ausnahmesituation zeigt. Deswegen sieht man mich darin so oft genervt. Ich konnte ja nicht mehr auf die Bühne gehen!

H. P. Baxxter ist mit seinen Hunden unterwegs – wütend wirkt er aber nicht. (© avanti media fiction)

Du erwähnst nun zum zweiten Mal, dass du sehr genervt in der Doku seist. Dabei musstest du dich mit der Pandemie, deiner Erkrankung an Corona und der Trennung von deiner Freundin auseinandersetzen. Dafür wirkst du noch recht locker!

Ich habe versucht, das so locker wie möglich wegzustecken, jede Gelegenheit genutzt, um Party zu machen. Im Vergleich zu anderen habe ich sicher relativ viel gefeiert. Dennoch war ich selten so genervt wie zu dieser Zeit.

Dabei hat dein Anwesen in Hamburg so viel Platz zum Runterkommen. 50 Zimmer, richtig?

Das wäre schön (lachen)! Mein Traum war immer, in einer Burg oder in einem Schlösschen zu leben. Doch so viele Zimmer sind es dann doch nicht. Vielleicht 15?

Für was nutzt du diese Zimmer? In der Doku sieht man unter anderem ein Billiardzimmer und den Wintergarten ...

Ich habe ein Billardzimmer – und ein Musikzimmer, worin ich meine ganzen Trophäen verstaut habe. Dann gibt es noch das Arbeitszimmer für die Freundin, mein Badezimmer und mein Schlafzimmer. Dazu ein Gästebereich mit zwei Schlafzimmern und Badezimmern. Die Bibliothek ist wiederum das eigentliche Wohnzimmer. Und dann ist da noch der grüne Salon, der mitten im Haus ist. Daneben: Esszimmer, Wintergarten, Wohnküche. So groß ist es auch nicht, aber ausreichend! Und es war ein Zufall, dass ich damals das Haus gefunden habe. Ich wohne darin schon 25 Jahre und es war zunächst ziemlich heruntergekommen. Aber es ist von der Innenstadt nicht so weit entfernt und dennoch im Grünen. Ich will hier gar nicht mehr weg.

Kaffee oder Tee? H. P. Baxxter und sein Booker George Angelopoulos diskutieren im Wintergarten. (© avanti media fiction)

Natur und Ruhe – und doch der Wunsch nach Party und Extase?

Ich mochte schon immer Gegensätze. Zuhause mache ich ruhig, lebe gesund, rauche nicht, trinke nicht, mache meinen Sport, sitze im Garten. Das ist das totale Gegenteil zu meinen Shows und Partys – und mir ist das sonst auch irgendwie zu einseitig und zu langweilig, wenn ich nur eine Sache habe. Die Balance ist wichtig, so macht es Spaß.

Und wie gegensätzlich sind dann H. P. und Hans Peter?

Hans Peter habe ich über die Jahre ein bisschen abgeschafft – also der kleine Junge aus Leer, der in die große weite Welt wollte. H. P. ist keine Kunstfigur, diese wilde Seite habe ich. Aber wenn ich Zuhause bin, bin ich ganz normal.

Und was hilft dem normalen H. P. abseits des Feierns gegen schlechte Laune?

Humor! Was soll’s, lache ich halt drüber! Aber in manchen Situationen ist es nicht so einfach, etwas mit Humor zu nehmen und dann lasse ich es raus. Ich bin der Meinung, man soll nichts in sich hineinfressen. Wenn man in einem Moment auch mal lauter wird, ist das okay. Ich bin eigentlich nie längerfristig beleidigt oder sauer. Aber ich bin vielleicht mal kurz impulsiv, flippe für zehn Minuten aus – und dann ist wieder gut.

Wie letztlich wieder als Frontmann auf der Bühne.

Ja, das ist wie eine Reinigung von innen. Alles, was sich so angestaut hat, kommt raus. Ich vergleiche das gerne mit Leuten, die samstags zum Fußball gehen und alles rausbrüllen. So ein Ventil zu haben, ist für jeden wichtig. Für mich war das immer laute Musik – und auf der Bühne geht das perfekt.

In einem Interview sagtest du kürzlich, dass du nach einem Silvesterabend ziemlich k.O. warst – wie lange wird das Schreien und Hüpfen mit jetzt 59 Jahren möglich sein?

Mir macht das Auftreten einfach Spaß, ich habe immer dieses Kribbeln, sodass ich bis jetzt nichts anderes machen will. Solange ich das habe und gesund bin, mache ich weiter. Und letztlich ist das Drumherum, das Anreisen und Abreisen, meist anstrengender als die Show an sich.

Du hast seit Anfang des Jahres eine neue Bandbesetzung: Jay Frog und Marc Blou sind dabei – Michael Simon und Sebastian Schilde, die man auch in der Doku sieht, sind raus. Wie läuft es?

In der Doku sieht man witzigerweise schon ein bisschen die Spannung, die wir in der Band hatten. Dass es nicht ganz rund lief und dann war auch kurz nach dem Film schon Schluss. Daraufhin habe ich zum Management gesagt, dass ich Jay Frog gerne wieder dabei hätte, da wir schon früher gut klarkamen und er sehr beliebt ist. Neu dazu kam Marc, der unheimlich talentiert ist. Es läuft anders als vorher, es gibt nicht mehr diese Eifersüchtelein, den internen Stress. Es ist wesentlich lockerer geworden, macht richtig Spaß und im Studio läuft die Teamarbeit perfekt. Das ist etwas, das mir zum Beispiel sehr wichtig ist.

Konzentriertes Trio: H.P. Baxxter, mit seinen ehemaligen Mitglieder Sebastian Schilde und Michael Simon im Studio. (© avanti media fiction)

Was steht für das neue Scooter-Trio an?

Wir arbeiten parallel zu aktuellen Auftritten bereits im Studio an einem neuen Album. Nächstes Jahr sind dann 30 Jahre Scooter und die nächste Tournee.

Blickt man auf aktuelle Corona-Zahlen, könnte es jedoch ein viruslastiger Herbst und Winter werden. Plan B für FCK 2023?

Nein, daran will ich aber auch gerade nicht denken.

Zur Person

H. P. Baxxter kam am 16. März 1964 als Hans Peter Geerdes in Leer zur Welt. Bereits als Teenager interessierte er sich für Musik und gründete später auch eine Synthie-Pop-Band. Doch weltweit bekannt wurde er erst mit der 1994 geschaffenen Band Scooter, die sich zwischen Trance, Techno und Electronic Dance Music bewegt. FCK 2020 ist die erste Doku über die Band.

Netflixwoche Redaktion

Drücke ESC, um die Suche zu schließen.