Mit Alicia Keys, Mozart und Beyoncé: So entsteht die Musik für Queen Charlotte

Wenn Alicia Keys an ihrem Flügel spielt und dabei über Liebe sinniert, kann es Zuhörer*innen schon einmal umhauen. Die Stimme meist tief, getränkt von Leid – die Klaviertöne stets hoch, getragen von Hoffnung. „But everything means nothing, if I ain't got you“, singt die US-Musikerin ergreifend in einem ihrer Hits. Wenn ich dich nicht habe, verliert alles an Bedeutung.

In diesen Zeilen aus If I Ain't Got You (2003) liegen alle Emotionen der Liebe. Dem amerikanischen Kulturmagazin Complex sagte Keys, dass sie das Lied nach dem Verlust einer befreundeten Sängerin schrieb. „Ihr Tod hat mir glasklar gezeigt, was wichtig ist und was nicht.“ 

Rund 20 Jahre nach der Veröffentlichung könnte If I Ain't Got You erneut zum Hit werden. In der von Shonda Rhimes geschaffenen Dramaserie Queen Charlotte (seit 4. Mai auf Netflix) ist das Stück als orchestrale Version zu hören.

Warum ausgerechnet dieser Song? Music Supervisor Alexandra Patsavas hat im Interview mit Netflixwoche verraten, wie die Musik für die Bridgerton-Geschichte ausgewählt wird.

Nach Streit und Sex: Wenn Charlotte und George tanzen

In Queen Charlotte soll Charlotte (gespielt von India Amarteifio) den Englischen König George (Corey Mylchreest) heiraten. Das Königshaus nennt es ein Experiment, die Schwarze Oberschicht Gleichberechtigung. Doch Charlotte kennt George nicht. Und der König macht es ihr nicht einfach: Er lässt sie allein, wirkt oft gereizt. Es braucht einige Gespräche, unzählige Streits und etwa 15 Mal im Monat Sex, bis die beiden sich annähern.

Wenn sie sich verstehen: Königin Charlotte (gespielt von India Amarteifio) und König George (Corey Mylchreest) am Tanzen

Als Charlotte und George jedoch gemeinsam beim ersten Ball der Saison erscheinen, ist alles „glasklar“: George fasst Charlotte an den Händen, sie strahlt ihn an. Das Orchester spielt die ersten Takte von If I Ain't Got You und Keys-Hörer*innen erkennen die Botschaft sofort: Wenn sie sich nicht haben, verliert alles an Bedeutung.

Was würde Queen Charlotte hören?

Der Komponist und Jazzmusiker Kris Bowers, Music Supervisor Alexandra Patsavas, Regisseur Tom Verica, Serienschöpferin Rhimes und Produzentin Betsy Beers haben viel über die Musik für Queen Charlotte diskutiert. Im Interview mit Netflixwoche verrät Patsavas, dass sie sich für Queen Charlotte die Frage gestellt haben, was die junge Königin wohl hören würde. Rein historisch betrachtet, mussten die damaligen Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart, Joseph Haydn, Georg Friedrich Händel und Henry Purcell rein. Aber auch der aufstrebende Joseph Bologne, der als einer der ersten europäischen Komponisten mit afrikanischer Abstammung gilt.

Charlotte wird Königin. Wie fühlt sie sich dabei?

„Und dann gibt es noch die Klangfarben, die an den Bridgerton-Sound erinnern“, erzählt Patsavas. Sie verweist auf die Serie, die an Queen Charlotte anknüpft und in diesem Jahr bereits in die dritte Staffel geht.

In bisher allen Seasons von Bridgerton wurden populäre Lieder mit einem Orchester nachgespielt – Stay Away von der Punkband Nirvana oder bad guy von US-Sängerin Billie Eilish zum Beispiel.

Für Queen Charlotte hat das Team aber nur Pop-Songs ausgewählt, die von Schwarzen Frauen „geschrieben, gesungen oder berühmt gemacht wurden.“ „Das schien mir ein wirklich wesentlicher Teil des Geschichtenerzählens zu sein“, sagt Patsavas.

Der Aufstieg einer Schwarzen Königin, die Gleichberechtigung einer Schwarzen High Society – musikalisch muss das bei Queen Charlotte natürlich abgebildet sein. Neben If I Ain't Got You von Alicia Keys, schaffte es so auch Beyoncés Deja Vu, Nobody Gets Me von der amerikanischen Sängerin SZA und die I Will Always Love You-Version von Whitney Houston in die Serie. Letztere, als Charlotte und Georg gen Ende der sechs Folgen im Mondschein tanzen. Ihre Liebe währt ewig – das müssen die beiden gar nicht erst sagen. Die Musik sagt es für sie.

Hineinversetzen, diskutieren, machen, fühlen

„Musik hat eine wunderbare emotionale Komponente“, erklärt Patsavas. „Sie hilft beim Erzählen der Geschichte und schafft, dass man mit den Schauspieler*innen wirklich mitfühlen kann.“

Der Komponist Bowers betonte gegenüber der amerikanischen Show Gold Derby ebenfalls, dass er und das Team sich auf das Innenleben der Darsteller*innen konzentriert haben.

Alicia Keys war bei der Premiere von Queen Charlotte – mit Stimme und Orchester.

Die musikalische Vorgehensweise bei Queen Charlotte ähnelt damit letztlich dem Prozedere der Kostümbildner*innen: sich in die Geschichte hineinversetzen, diskutieren, machen, fühlen. Eine Besonderheit gibt es in puncto Musik aber: Denn nicht nur die Lieder von Schwarzen Frauen wurden verwendet, sondern es wurden auch Schwarze Musikerinnen engagiert: So hat If I Ain't Got You ein 70-köpfiges Orchester aus Schwarzen Frauen eingespielt. Auf dem Soundtrack ist dazu die Stimme von Keys zu hören. Sie ist meist tief, getränkt von Leid – die Töne von Streichern, Flöten und Keys Piano sind aber so hell und klar wie die Liebesbotschaft von vor 20 Jahren.

Netflixwoche Redaktion

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