Boy Swallows Universe: Was bedeuten die Metaphern in der Serie?

Vorsicht, Spoiler!

In der Serie Boy Swallows Universe kämpft ein 13-jähriger Junge gegen die Dämonen, die seine Familie heimsuchen: Alkoholismus, Drogensucht, Krankheit, Kriminalität, Geldnot. Die Serie basiert auf dem gleichnamigen Buch von Bestsellerautor Trent Dalton und hat sich nach ihrer Premiere am 11. Januar schnell in den globalen Top 10 von Netflix platziert. Der Regisseur Bharat Nalluri (Shantaram) und der leitende Produzent Andrew Mason (Dark City, Water Diviner) sprechen im Interview über das herzzerreißende Finale und beantworten all unsere brennenden Fragen.

In der ersten Folge macht Gus Bell (Lee Tiger Halley) den jungen Eli Bell (Felix Cameron) mit dem jenseitigen roten Telefon bekannt, das im Laufe der Serie immer wieder auftaucht. Was dieses Telefon bedeutet, ist für die Fans der Serie zu einer heiß diskutierten Frage geworden. Was hat es damit auf sich?

Nalluri: Das war das erste, was ich den Autoren Trent Dalton gefragt habe: Was ist dieses rote Telefon und was bedeutet es? Er sagt: Es ist Elis Unterbewusstsein. Es ist sein Trauma, das ihn anruft. Es warnt ihn, sagt ihm, dass etwas nicht in Ordnung ist und er aufpassen soll.

In meinem Kopf ist das Telefon ein Spiegelbild von Eli, seinen Gedanken und inneren Prozessen. In einigen Fällen könnte es sich um Eli aus der Zukunft handeln, der eine Warnung ausspricht. Man sieht dann, wie er sich mit dem Dilemma auseinandersetzen muss – was ist wahr oder nicht wahr, was ist real? In der Serie haben wir diese Frage absichtlich offen gelassen, weil wir dem Publikum die Chance geben wollen, zu entscheiden, was es für sie bedeutet.

Mason: Wir geben in der Serie einen Hinweis auf unsere Interpretation. Dieser Hinweis liegt in der Stimme, die wir für das andere Ende der Telefonleitung gewählt haben.

Boy Swallows Universe: Eli Bell gespielt von Felix Cameron.

Das Verschwinden und der Tod von Eli Bells Stiefvater Lyle (Travis Fimmel) waren zentrale Momente in der Serie und schienen entscheidend für Elis Charakterentwicklung zu sein. Wie kam es zu der Entscheidung, dass dies das Ende von Lyles Charakter ist?

Nalluri: Wir waren sehr darauf bedacht, dass die Serie in weiten Teilen dem Buch entspricht, was auch bei Lyles Verschwinden der Fall ist. Ich vermute, dass dieser Moment auf Trents Leben zurückgeht, von dem die Geschichte lose inspiriert ist. Seine Mutter und sein Stiefvater wurden ihm weggenommen und ins Gefängnis gesteckt. Für ihn fühlt sich das wahrscheinlich wie ein Todesfall in der Familie an – so wie der Zuschauer sich fühlt, wenn Lyles Schicksal unbekannt wird.

Das ist ein entscheidender Moment, denn er ermöglicht nicht nur, dass sich die Geschichte von Lyle zu Elis Vater Robert Bell als zentraler männlicher Figur entwickelt. Es war auch wichtig, schon früh zu zeigen, dass dieses Kind und seine Familie in einer Welt leben, in der viel auf dem Spiel steht – niemand ist sicher.

Travis Fimmel als Lyle Orlik und Felix Cameron als junger Eli Bell in Boy Swallows Universe

Was ist die Bedeutung des blauen Zaunkönigs? Manchmal scheint er real zu sein – zum Beispiel, wenn er in das Fenster von Tytus' Haus fliegt und Caitlyn Spies ihn festhält. In anderen Momenten wirkt er symbolisch, etwa wenn Ivan Kroll im Finale auf ihn tritt und er verschwindet. Wie haben Sie diese Szenen interpretiert? 

Nalluri: Für mich ist der blaue Zaunkönig ein Spiegelbild von Eli Bell und seinem Befinden. Am Anfang ist er fröhlich, glücklich und hat das Gefühl, dazuzugehören. Deshalb sieht man den Zaunkönig an Orten wie dem Dach des Hauses. Als Elis Welt immer komplizierter wird, sehen wir immer mehr Motive des Zaunkönigs im Chaos. Er fliegt weg, stürzt gegen Fenster und spiegelt damit fast das wider, was Eli durchmacht.

Mason: Bei der Choreografie der Glockenturm-Szene war es uns wichtig, dem Publikum das Gefühl zu geben, dass Eli sterben wird. Der blaue Zaunkönig, der zertreten wird, war der Weg, dies mit den eher magischen Aspekten der Geschichte zu verbinden. Natürlich überlebt Eli, aber auch der blaue Zaunkönig. Aufmerksame Zuschauer können sehen, wie er fröhlich auf der Fensterbank herumhüpft, als die Kamera in der letzten Einstellung herausfährt.

Das Finale hat einige grausige Momente. Vor allem bei der Besichtigung von Tytus' Labor für die Organentnahme. Die blutigen Vorhänge, die eingesperrten Tiere, die Körperteile in Gläsern. Wie wurde Tytus' böser Unterschlupf erschaffen?

Mason: Die Produktionsdesignerin Michelle McGahey hat Trents Beschreibungen hervorragend auf das Set übertragen. Es wurde mit verschiedenen visuellen Effekten ergänzt, um den beunruhigenden Charakter des Raums zu verstärken.

Nalluri: Kim Mordaunt, der bei der Episode Regie geführt hat, hat die perfekte Balance gefunden, gerade genug zu zeigen, ohne dass es überbelichtet oder ausbeuterisch wirkt. Die Tonmischung war auch entscheidend für den Aufbau von Angst.

Anthony LaPaglia als Tytus Broz in Boy Swallows Universe

Es stellt sich heraus, dass ein Teil des Geschäfts des Drogenbarons und Philanthropen Tytus darin besteht, Körperteile zu sammeln. In seinem geheimen Bunker hat er abgetrennte Köpfe ausgestellt, darunter auch den von Lyle. Ist diese Reihe von Köpfen eine Art Trophäenwand, oder hat er etwas anderes geplant?

Nalluri: Tytus ist letztlich durch seine eigene persönliche Tragödie motiviert. Am Anfang wollte er die Welt verbessern und den Menschen durch künstliche Gliedmaßen und Körperteile helfen. Irgendwann hat sich sein Sinn für das Gute in einen Ort des Bösen und der Dunkelheit verwandelt.

Mason: Die Köpfe sind einfach der extremste Teil von Tytus' Sammlung von Körperteilen. Sie sind der Anfang seiner Theorie, dass Körperteile gezüchtet werden könnten. Klar ist, dass er schon vor langer Zeit vom Weg abgekommen ist und nun seine Macht auf eine sehr beunruhigende Art und Weise einsetzt.

Die letzte Episode vermischt die Genres, indem sie nahtlos von gefühlvollen Momenten zu packender Action übergeht. Was hat euch inspiriert, das Finale so zu gestalten?

Nalluri: Die ganze Serie ist ein Mischmasch aus Genres – Fantasy, Drama, Krimi, Horror – die eigentlich nicht zusammenpassen sollten. Das tut sie aber, weil im Kern dieser Junge und seine Familie stehen, die einem am Herzen liegen. Man lässt das fantastische Element fast beiseite, weil man Eli glaubt und ein Happy End für ihn sehen will. Wegen dieses zentralen Herzstücks können wir jedes Genre einbringen und trotzdem die Geschichte im Mittelpunkt behalten.

Mason: Wir wussten aus dem Buch, dass die Veränderung des Tons, die nötig ist, um dieses Finale zu erreichen, ziemlich knifflig sein würde. Doch wir waren alle der Meinung, dass die Energie und das Herz der Charaktere uns durchbringen würden. Solange wir an dem Prinzip festhalten, dass sich alle Mitglieder der Bell-Familie wirklich umeinander kümmern und einander bis zum Tod verteidigen.

Nalluri: Um ehrlich zu sein, konnten wir das nirgendwo anders machen... jedes andere Studio hätte uns gesagt, wir sollten es als Drama belassen oder die Fantasie weglassen.

Sophie Wilde als Caitlyn Spies in Boy Swallows Universe

In der letzten Folge brechen der Teenager Eli (Zac Burgess) und Caitlyn in Tytus' Bunker ein. Gus' unheimliche Visionen werden wahr. Ivan stirbt. Und Eli und sein Vater Robert (Simon Baker) werden beinahe getötet. Gab es irgendwelche alternativen Versionen des Endes, die Sie sich überlegt haben?

Mason: Die Serie ist dem Buch von Trent sehr treu geblieben, denn wir wollten würdigen, was es für so viele Menschen bedeutet. Wir haben das Gefühl, dass wir den emotionalen Weg dieser zentralen Figuren zufriedenstellend zu Ende gebracht haben und hoffen, dass dieses Ende den ewigen Optimismus widerspiegelt. Denn dieser ist ein so wichtiger Bestandteil von Trents Buch – und seines Lebens.

INGRID OSTBY, TUDUM

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