Bitconned: „Wir haben gelogen, wir haben betrogen und wir haben Millionen von Dollar verdient“

Unerfahrene Gründer, ein nicht existierendes Produkt und ein mysteriöser CEO, der verschwunden zu sein scheint – was kann da schon schiefgehen? Bitconned: Der Betrug mit der Cryptowährung Centra, der neue Dokumentarfilm von Regisseur Bryan Storkel (The Pez Outlaw), taucht in den Kryptowährungswahnsinn der späten 2010er-Jahre. Es geht um die Geschichte von Centra Tech, einem Kryptounternehmen, das von ein paar Strippenziehern aus Südflorida mit einem Händchen für Photoshop und einem Hang zum ausschweifenden Leben erfunden wurde.

„Krypto war einfach dieses neue, unentdeckte Territorium, das völlig unreguliert war“, erklärt Centra-Mitbegründer Ray Trapani in der Dokumentation. „Wenn man einen solchen Markt findet, muss man einfach herausfinden, wie man ihn ausnutzen kann.“

Trapani und seinen Mitstreitern gelang genau das eine Zeit lang erfolgreich. Sie sammelten Millionen von nicht regulierten Fundraising-Geldern ein. Doch als ein Reporter der New York Times – und schließlich auch die Behörden – Fragen stellte, löste sich das Lügennetz von Centra auf.

Bitconned beleuchtet anhand von Interviews mit Trapani, seiner Familie und seinen Mitverschwörern sowie mit einem Opfer von Centras Betrug und den Ermittlern, wie einfach es sein kann, die Illusion eines seriösen Unternehmens zu erzeugen.

Wer ist Ray Trapani?

Trapani, der sich selbst offen als Betrüger bezeichnet, sagt in Bitconned, dass er sich schon immer zu illegalen Aktivitäten hingezogen gefühlt hat. „Seit ich ein Kind war, wollte ich immer ein Krimineller sein“, sagt er in der Doku. „Es war nie so: ‚Ich werde Arzt‘ oder ‚Ich werde Wissenschaftler‘. Wenn ich es in mein Jahrbuch hätte schreiben können, hätte ich geschrieben: ‚Ich will ein Krimineller werden.‘“

Sein erster Versuch als Jugendlicher, diesen Traum zu verwirklichen, bestand darin, einen gestohlenen Block von Verschreibungs-Zetteln zu benutzen, um Drogen zu beschaffen, die er und seine Freunde dann zu einem hohen Preis verkaufen konnten. Als dieses Vorhaben scheiterte, schloss er sich mit zwei ehemaligen Klassenkameraden zusammen, um ein legales Geschäft zu betreiben: die Vermietung exotischer und luxuriöser Fahrzeuge an die reichsten Leute in Miami.

Raymond Trapani machte seinen Kindheitstraum wahr: Er wurde Verbrecher.

Ausufernde Ausgaben und zwielichtige Geschäfte bedrohten die Zukunft des Unternehmens. Eine Schuldenspirale und Depressionen führten schließlich dazu, dass Trapani versuchte, sich das Leben zu nehmen. Als Sam „Sorbee“ Sharma, ein Klassenkamerad aus der Highschool und einer seiner Autovermietungs-Kollegen, ihn schließlich auf das unglaubliche Potenzial des boomenden Kryptowährungsmarktes aufmerksam machte, sah Trapani eine einmalige Gelegenheit, seine Schulden zurückzuzahlen. So wurde Centra Tech geboren.

Was ist Centra Tech?

2017 gründeten Trapani und Sharma das Unternehmen Centra Tech, das vorgab, durch ein sogenanntes „Initial Coin Offering“ (ICO) Geld für eine Kryptowährung namens Centra zu sammeln. Centra ist wie andere Kryptowährungen – einschließlich Bitcoin, Ether und Dogecoin – eine Art digitale Währung, deren Transaktionen über ein dezentrales System abgewickelt werden, also ohne sich auf eine Bank oder Regierung zu verlassen.

Neben der Währung selbst behauptete Centra Tech auch, dass es dabei sei, eine echte Debitkarte zu entwickeln. Die sollte es den Nutzern ermöglichen, Centra und verschiedene andere virtuelle Währungen in Echtzeit auszugeben.

„Centra war der Archetyp dessen, was mit Kryptowährungen falsch lief“, sagt Nathaniel Popper, der Journalist der New York Times, der schließlich die betrügerischen Behauptungen von Centra aufdeckte. „In gewissem Sinne war Centra die Geschichte der Kryptowährung selbst, die ein Unterfangen ist, hinter dem etwas Reales steckt, das aber immer wieder scheitert ... und dennoch kommen die Leute immer wieder darauf zurück.“

Ein Haufen beeindruckender Titel

Laut der Website von Centra Tech sollte die geplante Debitkarte über das Visa-Netz laufen. Außerdem seien die Köpfe hinter dem Projekt in der Geschäfts- und Finanzwelt sehr versiert: Das Führungsteam verfüge über Abschlüsse der Ivy League und jahrelange Erfahrung in der Arbeit für etablierte Finanzinstitute.

Das einzige Problem? Keines dieser Details stimmte.

„Wir wussten nichts über dieses verdammte Geschäft“, erklärt Trapani in der Doku. „Aber das war auch völlig egal ... Wir haben gelogen, wir haben betrogen und wir haben Millionen von Dollar verdient.“

Das Centra-Gründungstrio (von links nach rechts): Sam Sharma, Raymond Trapani und Robert Farkas.

Im Jahr 2017 begann eine noch nie dagewesene Anzahl neuer Kryptowährungen, sich mit ICOs, einer Art unregulierter Form des Crowdfunding, direkt an Investoren zu wenden.

„Während des ICO-Booms gab es Leute, die an seriösen Projekten arbeiteten – Kids mit Doktortitel aus Stanford oder vom MIT – und gleichzeitig gab es diese Leute, die als Agenten bei Autovermietungen in Miami arbeiteten und genau die gleiche Menge an Geld beschafften wie die Doktoranden vom MIT – ohne jegliche Erfahrung“, erklärt Popper.

Was geschah mit Ray Trapani und Centra Tech?

Als die ICO-Gelder eintrudelten, erwarb das Centra Tech-Team namhafte Prominente wie Floyd Mayweather Jr. und DJ Khaled, was die Popularität des Unternehmens unter den Investoren nur noch steigerte. Als Popper anfing, an einer Geschichte über Prominente und ihre Verwicklungen mit Kryptowährungen zu arbeiten, nahm er Kontakt mit Centra auf, um über deren prominente Botschafter zu sprechen. Dabei stellte er fest, dass irgendetwas an dem Unternehmen nicht ganz richtig war. Geschmeichelt von der Aufmerksamkeit der Zeitung, stimmte Trapani einem Interview zu und lud einen Fotografen der Times ein, die neuen Büros von Centra zu besuchen.

Unter verschärfter Beobachtung zeigten sich die Risse in den Gründungsversprechen von Centra, insbesondere als Investoren und Reporter begannen, mehr Fragen über Michael Edwards, den CEO des Unternehmens, zu stellen.

Centra hatte bekannt gegeben, dass Edwards auf tragische Weise bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Der neu ernannte CEO wurde als Veteran der Finanzbranche vorgestellt, der ein ursprünglicher Geldgeber und Investor gewesen sei, der eher hinter den Kulissen arbeitete als direkt mit der Presse zu sprechen.

In Wirklichkeit handelte es sich um Trapanis Großvater.

Eine echte Koryphäe von CEO: Pop, Raymond Trapanis Opa.

Angeklagt und schuldig gesprochen

Als Poppers Geschichte in Druck ging und die Welt die Unstimmigkeiten bei Centra in der Presse sah, dauerte es nicht lange, bis die Behörden anklopften. Die US-Börsenaufsichtsbehörde reichte Klage gegen Centra ein, woraufhin das Geld zu schwinden begann und die größten Akteure des Unternehmens – Trapani, Sharma und Robert Farkas, der vermeintliche Strippenzieher – schließlich wegen mehrerer Straftaten verurteilt wurden.

Sharma bekannte sich schuldig, Wertpapierbetrug, Betrug durch Überweisung und Postbetrug begangen zu haben, und verbüßt noch immer seine achtjährige Haftstrafe. Farkas bekannte sich der Verabredung zum Wertpapierbetrug und zum Telefonbetrug schuldig. Er verbüßte eine einjährige Haftstrafe und wurde danach entlassen. Trapani, der mit den Behörden kooperierte und sich in zehn Anklagepunkten, darunter Wertpapier- und Telefonbetrug, schuldig bekannte, wurde zwar zu einer Haftstrafe verurteilt, die hatte er aber bereits durch die Haftzeit während der Ermittlungen verbüßt.

Roxanne Fequiere, TUDUM

Drücke ESC, um die Suche zu schließen.