Was hilft bei Liebeskummer, Elena-Katharina Sohn?

„Es geht jetzt mal um mich, um meine Gefühle. Das tut mir gut,“ sagt Karls Freundin. Sie hat eben mit ihm Schluss gemacht und drückt ihm jetzt seine Sache in die Hand. Sie ergänzt: „Das hat auch meine Liebeskümmerin gesagt.“ Im nächsten Moment steht Karl im Hausflur und versteht die Welt nicht mehr.

Als Karl (Laurence Rupp) herausfindet, dass hinter dem plötzlichen Ende seiner Beziehung eine Agentur steht, die Menschen mit Liebeskummer coacht, schwört er Rache. Der Journalist nimmt am Liebeskummer-Programm teil, um den guten Ruf der Agentur und ihrer Gründerin Maria (Rosalie Thomass) zu ruinieren. Doch bei den Tagen am Meer wachsen Karl nicht nur die anderen Teilnehmer*innen ans Herz. Zwischen ihm und Maria entsteht etwas, womit beide nicht gerechnet hätten.

Die Liebeskummer-Agentur im deutschen Netflix-Film Die Liebeskümmerer hat eine reale Vorlage. Elena-Katharina Sohn gründete 2011 die Agentur Die Liebeskümmerer, auf der die romantische Komödie basiert. Im Netflixwoche-Interview erzählt Sohn, was Liebeskummer eigentlich ist, was dagegen hilft, wann er etwas Positives sein kann und warum es sich auch lohnt, um Beziehungen zu kämpfen.

Im Film Die Liebeskümmerer singen die Herzschmerz-Klient*innen in einer Szene lauthals den Song Ohne dich von der Band Selig. Hast du auch einen persönlichen Lieblings-Liebeskummersong? 

Ja, tatsächlich: Ein Herz kann man nicht reparieren von Udo Lindenberg. Ein alter Song, aber mit einer unglaublich schönen Wendung, denn am Ende heißt es: Ein Herz kann man eben doch reparieren.

Zieht einen das nicht runter, wenn man wie im Film nach einer Trennung traurige Musik hört?

Wenn man Liebeskummer hat, muss der Schmerz ja auch Raum bekommen. Der gehört nun mal dazu und man muss ihn verarbeiten. Viele Menschen hören deshalb in der Situation traurige Musik oder Songs, die sie an Ex Partnerin*innen erinnern. Das kann helfen.

In Filmen sieht man Menschen mit Liebeskummer oft große Eimer Eis vor dem Fernseher essen. Ist da was dran oder ist das eher ein Klischee?

Es gibt bestimmt Leute, die so auf Liebeskummer reagieren. Ich muss aber sagen: Die Menschen, die zu uns kommen, die hören eher auf zu essen, zu trinken und häufig auch zu schlafen. Ich finde, in Filmen wird das häufig ein bisschen zu niedlich dargestellt. Vielleicht kommt auch daher diese Vorstellung: Herzschmerz, das ist doch etwas für Teenager. Liebeskummer, gerade im Erwachsenenalter, kann aber eine richtig schwere Lebenskrise sein. Da hilft dann auch kein Eis mehr.

Was ist Herzschmerz eigentlich genau? 

Ich würde das so sagen: Liebeskummer ist die Kehrseite der Liebe. Die Liebe ist das größte, schönste Gefühl, das wir Menschen kennen. Wir suchen sie alle und wir lieben die Liebe. Und wenn es schiefgeht, ist es klar, dass wir auf der anderen Seite Kummer haben.

Das klingt schon traurig, aber noch nicht ganz nach einer Lebenskrise.

Im psychologischen Sinn kann man sagen, Liebeskummer ist eine Anpassungsstörung, also eine ungünstige Reaktion auf ein besonders stressendes Ereignis. Vereinfacht könnte man sagen: Es fällt einem besonders schwer, sich an eine veränderte Lebenssituation anzupassen. Und das kann in seiner Symptomatik durchaus einer depressiven Episode ähneln.

Auch Expertinnen haben Herzschmerz: Rosalie Thomass spielt Maria, Gründerin und Coach der Liebeskummer-Agentur in Die Liebeskümmerer auf Netflix..

Stimmt es, dass beim „Broken Heart Syndrome“ einem wirklich aus Liebeskummer das Herz brechen kann?

Ja, das ist eine Art hormonell-stressbedingt ausgelöster Herzinfarkt. Ich werde oft gefragt, wie gefährlich das ist. Aber das „Broken Heart Syndrome“ betrifft in erster Linie Frauen jenseits der Wechseljahre und auch dann ist es sehr selten. Nicht jeder, der Liebeskummer hat, braucht Angst davor zu haben.

Wenn Klient*innen sich mit Herzschmerz an Die Liebeskümmerer wendet, wie genau geht ihr dann vor?

Wenn die Person mit Herzschmerz zu uns kommt, dann schauen wir uns immer erstmal genau die Situation an: Was ist überhaupt passiert? Wie fühlst du dich? In welcher Situation lebst du überhaupt gerade? Und dann gucken wir: Wie sieht dein individueller Weg aus dem Liebeskummer aus und wie können wir dich dabei unterstützen?

So wie im Film bei einer Gruppenreise an die Ostsee?

Ich bin damals mit der Idee von Liebeskummer-Reisen gestartet, so wie es im Film dargestellt wird. Das mache ich aber aktuell nicht mehr. Man kann es sich eher so vorstellen wie eine klassische Gesprächstherapie. Wobei das, was wir machen, Beratung und Coaching ist. Und wir schreiben den Leuten nicht vor: „Mach dies und mach das“, das wäre unseriös. Wir helfen ihnen durch kluge Fragen und Übungen, ihren eigenen Weg zu finden. Den muss nämlich jeder für sich gehen. Und wir beraten, in welche Richtung man dabei gucken kann.

Die Therapiegruppe in Die Liebeskümmerer besteht aus sehr unterschiedlichen Charakteren mit verschiedenen Problemen. Sind die Klient*innen in der Realität auch so vielseitig?

Es kommen tatsächlich alle zu uns: Frauen und Männer im gleichen Verhältnis. Es kommen Junge, es kommen Ältere jenseits der 70. Es kommen Menschen mit den unterschiedlichsten Gründen für ihren Liebeskummer. Manche haben eine klassische Trennung erlebt, andere stecken in einer Affäre. Manche sind Single und unglücklich. Wieder andere haben seit vielen Jahren Liebeskummer.

Gibt es bei all diesem Leid auch irgendetwas Positives an Liebeskummer?

Meinem Empfinden nach ist Liebeskummer absolut etwas Positives. Ja, er tut zwar wahnsinnig weh. Aber die Leute, die zu mir kommen, gehen konstruktiv mit ihm um und setzen sich damit auseinander. Und fast alle von ihnen sagen im Nachhinein, sie sind dankbar, dass sie das erlebt haben, weil in dieser schweren Krise ein unglaubliches Entwicklungspotenzial steckt. Einerseits als Individuum, aber auch, um etwas für die nächste Beziehung zu lernen.

Hast du selbst schon Fälle gehabt, die wie aus einem Film wirken?

Über einen solchen Fall habe ich zum Beispiel in meinem neuen Buch geschrieben. Von einer jungen Frau, die zu mir kam, nachdem sie ein Nahtoderlebnis hatte. Weil sie mit dem Flugzeug um Haaresbreite abgestürzt wäre. Im Absturzmoment hat sie beschlossen, dass ihr Leben, wenn sie das überlebt, so nicht weitergehen kann. Vor allem ihre Partnerschaft. Sie hat mir gesagt: Ok, ich hab mir das quasi geschworen. Und jetzt will ich auch was ändern.

Laurence Rupp spielt Karl, der nach dem Breakup erstmal wenig mit dem Liebeskummer anfangen kann.

Du berätst ja inzwischen seit 12 Jahren Menschen in deiner Agentur. Aber wie wird man eigentlich zur Herzschmerz-Expertin?

Die Gründungsgeschichte der Liebeskümmerer könnte wohl kaum authentischer sein. Ich hatte nämlich selbst schlimmen Liebeskummer, das ist jetzt 15 Jahre her. Ich war damals in der ersten festen Beziehung, in der ich auch eine gemeinsame Zukunft gesehen habe. Er trennte sich von mir – und ich war so vollkommen aus der Bahn geworfen, ich musste mich sogar krankschreiben lassen. Ich habe mir dann ein Sabbatical genommen, ein altes Cabrio gekauft, meinen Hund auf den Beifahrersitz gesetzt und bin durch Europa gefahren.

Das klingt wie die Handlung einer RomCom…

Das klingt echt wie aus einem Klischee-Film – aber es war wirklich so. Und auf dieser Reise habe ich Menschen getroffen, die gesagt haben, sie kennen so einen schlimmen Liebeskummer auch. Da dachte ich: Das ist verrückt, es gibt für alles einen Ort, wo man hingehen kann. Aber was macht man eigentlich mit einem gebrochenen Herzen? Für mich war damals die Hürde, zur klassischen Psychotherapie zu gehen, zu hoch. So war die Idee geboren, Die Liebeskümmerer zu gründen.

Wie ähnlich sind sich eigentlich Die Liebeskümmerer im Film und die echte Agentur? Gab es hier und da kreative Freiheiten?

Ich habe den fertigen Film mit ganz viel Spannung angeguckt. Ich war zwar in die Drehbuchentwicklung involviert, aber am Ende kommt ja immer etwas eigenes heraus. Ich finde, Rosalie Thomass hat der Rolle der Liebeskümmerin Maria ganz viel Wärme gegeben und an vielen Stellen im Film wird auch klar, dass sie sich über das erwartbare Maß um ihre Klientinnen und Klienten kümmert. Dass sie eine Beziehung mit einem ihrer Klienten anfängt, ist natürlich vollkommen fiktional. So etwas würde in der Realität niemals stattfinden, das wäre unglaublich unprofessionell und unseriös. Dem Film tut es dagegen natürlich gut.

Hast du eine Lieblingsszene im Film?

Die habe ich auf jeden Fall! Und zwar die Szene, in der Maria mit der Klientin am Pool sitzt und beide dann voll bekleidet ins Wasser springen. Wichtig ist nämlich immer zu überlegen: Was brauche ich jetzt, damit mein Leben wieder in Balance kommt? Und diese Szene ist so ein Glücksmoment, in dem die Klientin sich ein Stück weit neu entdeckt. Man muss sich neue Lebensbereiche und Glücksquellen erschließen. Das ist so eine Philosophie in meiner Arbeit.

Eine deiner Methoden heißt zum Beispiel „Glücksherz-Methode“. Wie funktioniert die genau?

Ich habe mir über mehrere Jahre unsere Klientinnen und Klienten angeschaut und eine Gemeinsamkeit von Menschen entdeckt, die ganz schweren Liebeskummer bekommen: Es sind häufig Leute, die sehr viel Lebensglück in Partnerschaften suchen. Bei der „Glücksherz-Methode“ gebe ich Klient*innen Zettel und Stift und lasse sie ein Herz aufmalen und sage: Das ist der symbolische Ort für dein Lebensglück. Jetzt zeichne doch mal ein, aus welchen Glücksquellen sich dein Lebensglück zusammensetzt. Und was die Menschen dann häufig machen: quasi das ganze Herz mit Partnerschaft füllen. Oben bleibt oft nur eine kleine Ecke für Freunde und Familie. Wenn dann deine Partnerschaft zerbricht, bleibt nur ein klitzekleines Eckchen vom Herzen übrig. Durch mehrere Glücksquellen beugt man neuem Liebeskummer vor und kann entspannterer Partner oder entspanntere Partnerin sein.

Wo die Liebe hinfällt: Maria (Rosalie Thomass) und Karl (Laurence Rupp) finden unerwartet zueinander.

Maria im Film gibt irgendwann zu, dass sie nicht an die große Liebe glaubt. Wie ist das bei dir?

Das klingt vielleicht unromantisch, aber da verstehe ich mich mit Maria ganz gut. Ich glaube an die Liebe. Absolut. Ich glaube an dieses große Gefühl. Schwierig ist der Zusatz, die eine große Liebe. Ich glaube, die Erwartungshaltung an die Liebe wird bei vielen Menschen total überfrachtet: Man muss den einen Partner finden und dann läuft alles von alleine. So ist es in der Realität einfach nicht. Eine gelingende Partnerschaft hat viel weniger damit zu tun, wen ich vor mir habe, und mehr damit, ob ich selbst bereit bin, an dieser Partnerschaft zu arbeiten.

Gibt es eine große Erkenntnis über Beziehungen, die du in den Jahren als Liebeskümmerin gelernt hast?

Ja, und zwar, dass Menschen in Beziehungen sich nur in den seltensten Fällen absichtlich gegenseitig verletzen. Das passiert fast nie, weil ich der Person wehtun will, sondern weil ich irgendwelche Themen mit mir selbst habe, die leider dann dazu führen, dass ich mein Gegenüber verletze. Und genau deshalb lohnt es sich, für die Partnerschaft zu kämpfen.

Und wenn es am Ende leider doch nicht klappt, wie übersteht man mit Herzschmerz am besten den Valentinstag?

Es ist tatsächlich so, dass wir Liebeskümmerer um den Valentinstag besonders viel zu tun haben. Ohne die vielen zusätzlichen privaten Liebeskümmerer – Freunde, Familie – würde kaum jemand seinen Liebeskummer überwinden. Wenn man akut Herzschmerz hat, würde ich auf jeden Fall empfehlen, die Zeit mit seinen persönlichen Liebeskümmerern zu verbringen. Und es ist immer ein guter Tipp, dem Gegenüber mitzuteilen: Möchte ich darüber reden, Ablenkung oder einfach nur in den Arm genommen werden?

Zur Person

Elena-Katharina Sohn arbeitet nach ihrem Universitätsabschluss als Journalistin und PR-Beraterin. 2011 gründet sie nach einer eigenen Liebeskummer-Erfahrung die Agentur Die Liebeskümmerer. Dort coachen sie und ihr Team Menschen, die auf verschiedene Arten Kummer mit der Liebe haben. Sie ist Autorin mehrerer Ratgeberbücher. Ihr Titel Goodbye Herzschmerz. Eine Anleitung zum Wieder-Glücklichsein steht 2016 nach Erscheinen 25 Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste für Sachbücher und ist die Inspiration für den neuen deutschen Netflix-Film Die Liebeskümmerer.

Emeli Glaser, Netflixwoche

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