„Die Serie sollte sich mehr auf den Horror stützen“ - Jenna Ortega über Wednesday

Dieses Interview erschien zuerst auf Englisch auf Tudum.

Jenna Ortega möchte eines klarstellen:

„Ich liebe es, Blut ins Gesicht geschleudert zu kriegen.“

Das ist genau die Art von Aussage, die man ihrer wortkargen Doppelgängerin Wednesday Addams zuschreiben könnte, der eigenwilligen Figur im Mittelpunkt der Hit-Serie Wednesday. Die 20-jährige Schauspielerin beantwortete mit dem Satz lediglich die Frage, warum sie sich zu Horror-Stoffen hingezogen fühlt. „Was mir als Frau am Horror am besten gefällt, ist, dass [die Figuren] immer stark geschrieben sind“, erklärte Ortega kürzlich bei einem Auftritt im Tudum Theater von Netflix in Los Angeles. „Man wird in unglaubliche Situationen gestellt, und sie versuchen, so viele Genres wie möglich in einen Film zu packen, so dass man Komödie, Drama und gelegentlich auch Romantik spielt.“

Mit der erfrischend originellen Erzählweise der Serienschöpfer und Showrunner Alfred Gough und Miles Millar ist Wednesday erschütternd, lustig und bewegend: Ortegas Heldin wird an der Alma Mater ihrer Eltern eingeschrieben, der Nevermore Academy, einem Zufluchtsort für Ausgestoßene aller Art. Dort schlägt sie sich mit gemeinen Mädchen, knurrigen Jungs und einem mörderischen Monster herum, ganz zu schweigen von der aufdringlichen Direktorin (Gwendoline Christie) und der extrovertierten Werwolf-Mitbewohnerin Enid (Emma Myers). Zum Glück hat Wednesday ihren Begleiter Thing mit dabei, der ihr wortwörtlich bei jedem noch so erschütternden Plottwist zur Hand geht.

Die übernatürliche Coming-of-Age-Serie von Producent Tim Burton, der für die ersten vier Episoden auch Regie führte, hat aus Ortega Hollywoods neuesten Star gemacht. Die Show, insbesondere Wednesdays Tanzeinlage zu „Goo Goo Muck“ von der Punkband The Cramps, hat über Wochen Social-Media-Plattformen dominiert. Mit dem popkulturellen Phänomen verdiente sich Ortega Ruhm, Lob und ihre ersten Golden-Globe-, Screen-Actors-Guild- und Emmy-Awards-Nominierungen für die morbide Darstellung. „Ich hätte nie damit gerechnet, dass so viele Leute die Show sehen würden und dass die Reaktionen so positiv ausfallen“, erklärt Ortega.

Wednesday Addams (Jenna Ortega) und ihr treuer Begleiter Thing in Wednesday.

Ortega war jedoch kein Übernacht-Erfolg. Die gebürtige Kalifornierin wollte früh Schauspielerin werden. Ihr Debüt absolvierte sie schon im Alter von zehn Jahren in der CBS-Sitcom Rob. Das Serien-Set wurde nicht nur zu dem Ort, an dem sie sich als Schauspielerin entwickelte, sondern auch zu einem Ort, an dem sie alles erforschte, was mit Fernsehen und Filmemachen zu tun hat. „Ich hatte das Gefühl, dass ich so viele Fragen stellen wollte, wie ich nur konnte“, sagt sie. „Ich trug dieses Notizbuch mit mir herum und fragte ständig die Crew aus: 'Was machst du mit diesem Stativ?' oder 'Wie heißt diese Lampe?'“

In ihren Teenagerjahren spielte Ortega die junge Jane in der CW-Serie Jane the Virgin und bekam eine Hauptrolle in der Disney Channel-Serie Stuck in the Middle. Ihre Eltern, erfahrungslos in der Entertainment-Branche, hatten klare Erwartungen an Ortega: „Ich musste Einsen haben, und wenn ich eine Bühne bekam, musste ich diese Plattform für das Gute nutzen. Wenn ich den Ruhm missbraucht hätte oder mich nicht für meine Gemeinschaft eingesetzt hätte oder mich nicht für die Dinge engagieren würde, für die ich mich als Kind immer interessiert habe, würde ich nicht hier sein.“ Als Wednesday erschien, war die junge Schauspielerin bereits Teil des Scream-Franchise und spielte Lorraine in dem Horrorfilm X des Regisseurs Ti West.

Ortega hatte gezögert, bevor sie sich entschloss, das Kind der Addams Family zu spielen; ihrer Überzeugung nach hatte die Figur - die zusammen mit den anderen Mitgliedern ihrer morbiden Familie 1938 vom Cartoonisten Charles Addams erdacht wurde - eine einschüchternde Ahnenreihe. Lisa Loring brachte Wednesday zum ersten Mal in der Fernsehserie The Addams Family auf den Bildschirm, während Christina Ricci die Figur für eine ganze Generation in den Addams-Family-Filmen unsterblich machte (Ricci hat eine Schlüsselrolle in Wednesday als „Normie“-Lehrerin Marilyn Thornhill).

„Ich habe sehr gezögert, die Serie zu machen, und habe mich sogar ein paar Mal davon abgewendet, weil Wednesday schon so perfekt gespielt wurde“, gesteht Ortega.

Die Chance, Wednesdays Erbe mit einer neuen Generation zu teilen, überzeugte Ortega schließlich von der Serie. „Die Tatsache, dass Netflix so sehr darauf bestand, dass eine lateinamerikanische Person in dieser Rolle zu sehen ist... Ich kann mir keine Latina-Figur vorstellen, die die gleiche Reichweite hat wie Wednesday Addams“, sagt die Schauspielerin. Für die anderen Mitglieder der Addams-Familie wurden Catherine Zeta-Jones und Luis Guzmán als Eltern Morticia und Gomez gecastet, Isaac Ordonez spielt Bruder Pugsley.

Für Gough und Millar war Ortega die einzige Wahl für die Rolle. „Al und ich haben Jenna zum ersten Mal auf Zoom getroffen“, erzählt Millar. „Sie war auf der anderen Seite der Welt und drehte einen Horrorfilm in Neuseeland. Sie war die ganze Nacht wach und lief durch die Wälder. Auch wenn sie todmüde war, wussten wir: Sie ist außergewöhnlich.“

Burton stimmte zu. „Egal, wie gut das Drehbuch ist, ohne die richtige Wednesday würde die Serie nicht existieren“, sagt der Regisseur. „Ich kann mir keine andere Wednesday vorstellen. Sie ist wie eine Stummfilmschauspielerin in dem Sinne, dass sie Dinge ohne Worte vermitteln kann.“

The show must go on: Wednesday (Jenna Ortega) zeigt sich des Feuers unbekümmert bei der Cello-Musikeinlage.

Trotz Ortegas jahrelanger Erfahrung und ihrer schauspielerischen Begabung war sie eingeschüchtert von der Idee, der ikonischen Rolle einen modernen Anstrich zu geben. „Die Sache mit Wednesday als Teenager ist Folgende: Es ist wirklich lustig, wenn eine Achtjährige morbide, erschreckende Dinge sagt, weil sie so niedlich ist; aber wenn man 16 ist, heißt es 'reiß dich zusammen'“, erklärt sie. Die Herausforderung, so Ortega, bestand darin, Wednesday charmant zu machen, trotz ihrer Neigung zum Grauenvollen. „Es war wirklich schwierig, eine wortkarge Figur mit einer emotionalen Entwicklung zu schaffen und ihren natürlichen Instinkt nicht zu verraten“, beschreibt sie.

Die Schauspielerin begann mit den Vorbereitungen für die achtmonatigen Dreharbeiten der Serie in Rumänien, indem sie erkundete, wer Wednesday in ihrem täglichen Leben ist. „Manchmal, wenn ich eine Figur bekomme und Zeit habe, mich mit ihr auseinanderzusetzen, wache ich gerne auf und tue so, als wäre ich sie“, sagt Ortega. „Ich bin also als Wednesday aufgestanden und habe versucht, so still wie möglich zu sein. Das war schwierig, weil ich von Natur aus sehr ausdrucksstark bin. Mein Gesicht zeigt eine Menge Reaktionen, bevor ich es überhaupt merke.“ Um Wednesdays Hobbys auf dem Bildschirm gerecht zu werden, studierte Ortega auch Cello und Fechten. „Ich war sehr darauf bedacht, so gut wie möglich vorbereitet zu sein“, sagt sie über ihren Unterricht, der während der Dreharbeiten fortgesetzt wurde. „Ich wollte, dass Cellist*innen den Film sehen können und das Gefühl haben, dass er richtig gemacht wurde“, sagt Ortega.

Die Zusammenarbeit mit einem Filmemacher wie Burton - einer Legende, wie Ortega sagt - war eine weitere Neuerfahrung für sie. „Ich erinnere mich, dass ich wirklich überwältigt davon war, wie freundlich er ist, aber ich hatte auch wirklich Angst, mit ihm zu arbeiten“, sagt sie. „Ich ging zur Arbeit und bat um Kritik, aber Tim war immer so unterstützend und so ermutigend bei jeder Entscheidung, die ich traf.“

Ortegas Gespür für die Rolle war offensichtlich goldrichtig. Ihre Wednesday wurde vom Publikum weltweit begeistert aufgenommen und hat nicht nur eine Renaissance der Gothic-Mode ausgelöst, sondern dient auch als eine besondere Art von Vorbild. „Wednesday Addams ist eine sehr anstrebenswerte Figur“, sagt Millar. „In Geschichten über Mädchen im Teenageralter beginnt die Heldin allzu oft schwach und entwickelt sich dann zu einem Schmetterling. Das ist hier nicht der Fall.“ Ortega fügt hinzu: „Starke Menschen können weinen und Emotionen haben.“

Es ist noch nicht abzusehen, wie Wednesdays Geschichte weitergeht, auch wenn die Serie schnell für eine zweite Staffel verlängert wurde. Ortega hält sich jedenfalls bedeckt, was die weiteren Abenteuer ihrer Figur angeht. „Ich weiß nichts“, sagt sie mit einem Wednesday-ähnlichen Grinsen. „Ich denke, die Serie sollte sich mehr auf den Horror stützen. Ich möchte die jungen Zuschauer*innen nicht verschrecken, aber gleichzeitig könnte es interessant werden.“

Wir zittern in Erwartung.

Jenny Changnon

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