Wer hat den Star-Friseur getötet? Die wahre Geschichte eines Verbrechens

Auf den ersten Blick scheint der Fall klar: Am Tatort liegen zwei Tote und ein Abschiedsbrief. In dem Brief steht: „Ich hinterlasse alles, was ich habe, meinem Neffen und meinem Bruder. In Liebe. Verzeih mir, Mama. 1124.“ Die Handschrift gehört einem der Toten: Auf dem Bett liegt Mauricio Leal, erstochen mit einem Küchenmesser. Er war der Stylist der Stars Kolumbiens: Models, Sängerinnen, Schauspielerinnen, sogar die First Lady ließen sich von ihm frisieren. Die andere Tote ist seine Mutter. Hat Leal sie und dann sich selbst erstochen?

Rebecca, eine junge wie ehrgeizige Staatsanwältin, hat ihre Zweifel. Ihr Vorgesetzter gibt ihr nur 20 Tage, um den Fall zu lösen – denn ganz Kolumbien sieht zu. Rebecca hat den Tatort noch nicht einmal verlassen, da spekuliert die Presse schon über den Fall. Ergebnisse müssen her.

So beginnt der neue kolumbianische Netflix-Krimi Geschichte eines Verbrechens: Der Star-Friseur. Der Film basiert auf realen Ereignissen, die sich 2021 in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá zugetragen haben und in der Presse für Schlagzeilen sorgten.

Denn der Fall erscheint nur auf den ersten Blick klar. Hier ist die wahre Geschichte hinter Der Star-Friseur.

Auf der jungen Staatsanwältin Rebecca (Juana del Río) lasten hohe Erwartungen: Das ganze Land verfolgt gebannt ihre Ermittlungen.

Achtung: Ab hier gibt es Spoiler! 

Wer war Mauricio Leal?

Mauricio Leal hatte es weit gebracht: Sein Luxus-Haarsalon im Trend-Viertel von Bogotá florierte. Die Stars und Sternchen Kolumbiens vertrauten ihm und stritten sich um die Plätze auf seiner Warteliste. Seine schwierige Kindheit in seiner Heimatstadt Cali hatte er lang hinter sich gelassen. Mit 47 Jahren war Mauricio der bekannteste Stylist des Landes.

Was damals noch kaum jemand wusste: Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn und mehrere von Leals Salons wurden schon durchsucht. Denn auf seinen Geschäftskonten gingen jeden Tag ungewöhnliche Zahlungen von 50.000 Dollar ein. Der Verdacht: Geldwäsche. Zwei Immobilien und zwei seiner Unternehmen hatten die Behörden bereits beschlagnahmt.

Dann entdeckten die kolumbianischen Behörden am Morgen des 22. November 2021 in ihrem gemeinsamen Haus die Leichen von Mauricio Leal und seiner Mutter Marleny Hernández (67).

Wie lief der Mord wirklich ab?

Beide waren mit Küchenmessern erstochen worden: Zuerst die Mutter, dann, als offenbar der Griff des Messer abbrach, Mauricio Leal mit einem zweiten Messer.

Neben Leals Leiche fanden die Polizisten einen mit Blut verschmierten Abschiedsbrief. Der Text lautete in echt etwas anders als im Film: „Ich liebe euch, vergebt mir, ich kann nicht mehr. Ich hinterlasse alles meinen Neffen und Brüdern. Alles Liebe, vergib mir, Mutter.“ Die Schrift war etwas wackelig, aber eindeutig Mauricio Leals Handschrift.

Mauricio Leal und seine sehr stolze Mutter im Netflix-Film.

Anders als im Film ermittelte nicht eine junge Staatsanwältin namens Rebecca, diese Figur (und der Zeitdruck, innerhalb von 20 Tagen Ergebnisse zu liefern) sind frei erfunden. Doch wie im Film war auch im echten Leben das Interesse der lateinamerikanischen Öffentlichkeit riesig.

Der Abschiedsbrief legte den Verdacht nahe, dass Maurice Leal erst seine Mutter erstochen und dann sich selbst getötet hatte. Doch sechs Tage nach dem Tod der beiden verhaftete die kolumbianische Staatsanwaltschaft einen anderen Verdächtigen: Jhonier Leal, den großen Bruder von Mauricio.

Wer war der wahre Täter?

Wie die kolumbianische Staatsanwaltschaft später im Prozess und vor der Presse berichtete, gab es einige Hinweise darauf, dass es sich beim Täter nicht um Mauricio Leal handeln konnte. Die wichtigsten:

Hinweis 1: ein Blutfleck in der Küche. Das erste Messer, mit dem Marleny Hernández erstochen worden war, brach, während der Mörder auf Maurice Leal einstach. Der Täter musste darum in die Küche gehen, um ein neues Messer zu holen. Dabei hinterließ er Blutspuren auf einem Handtuch. Den DNA-Proben zufolge gehörten die Blutstropfen zu zwei Menschen: Opfer Marleny Hernández und einer Person, die mit ihr eng verwandt sein musste, aber nicht Mauricio Leal war.

Hinweis 2: Mauricio Leal war Rechtshänder – seine Wunden waren ihm aber eindeutig von einem Linkshänder zugefügt worden, wie die Rechtsmedizin ermittelte.

Hinweis 3: Verdächtige Wunden an Jhonier Leals Hand, über die er widersprüchliche Aussagen gab. Erst sagte er, er habe sich an einer Schere geschnitten. Später sagte er in einem Interview, die Wunde habe er sich an einer rauen Wand zugefügt.

Hinweis 4: In Mauricio Leals Körper wurden Beruhigungsmittel festgestellt, eine Dosis von neun Schlaftabletten. Wie sich im Laufe der Ermittlungen herausstellte, hatte sein Bruder Jhonier Mauricio verletzt, betäubt und im so geschwächten Zustand gezwungen, den Abschiedsbrief zu schreiben.

Jhonier Leal, der Täter und weniger erfolgreiche Bruder von Mauricio, im Film.

Bei einer öffentlichen Anhörung vor Gericht, konfrontiert mit den umfangreichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, gestand Jhonier Leal schließlich die Tat.

„Ich habe mich aus freien Stücken dazu entschlossen, die Anklage in Absprache mit der Staatsanwaltschaft zu akzeptieren“, sagte er vor Gericht. „Ich nutze diese Gelegenheit, um meine Reue zu bekunden und mich vor allem bei meiner Familie zu entschuldigen.“

Was war das Motiv?

Diese Frage lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten, da Jhonier Leal sich in seinen Begründungen mehrmals selbst widersprach. Die kolumbianische Staatsanwaltschaft geht aber davon aus, dass das Motiv Geld war.

Jhonier Leal war Stylist und Friseur wie sein verstorbener Bruder, aber bei weitem nicht so erfolgreich. Mit dem Tod seines Bruders und seiner Mutter hätte er eine beträchtliche Geldsumme erben können, sowie ein Vermögen, zu dem unter anderem zwei Häuser und zwei Unternehmen gehörten.

Netflixwoche Redaktion

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