Was Italiens letzter Kronprinz mit dem Tod eines deutschen Studenten zu tun hatte

Der Mann, um den es hier gehen soll, trägt einen klangvollen Namen: Vittorio Emanuele Alberto Carlo Teodoro Umberto Bonifacio Amadeo Damiano Bernardino Gennaro Maria di Savoia. Oder, in eingedeutschter Variante und etwas kürzer: Viktor Emanuel von Savoyen. Der letzte Kronprinz Italiens hat ein wechselvolles Leben gelebt, zwischen Skandalen und royalem Glanz, zwischen Gefängnis und Jetset. Auch ein toter deutscher Student spielt in diesem Leben eine wichtige Rolle. Die neue Netflix-Dokumentation Der König, der niemals einer war erzählt in drei Episoden davon.

Wer war Kronprinz Viktor Emanuel?

1946 wird Viktor Emanuels Vater Umberto II. italienischer König. Er bleibt es allerdings nur für wenige Wochen. Per Referendum schaffen die Italiener*innen die Monarchie ab, das Land wird zur Republik. Für die letzte Königsfamilie hat das gravierende Folgen: Ihren männlichen Angehörigen ist der Aufenthalt auf italienischem Staatsgebiet künftig verboten.

Viktor Emanuel wächst in der Schweiz und in Portugal auf und versucht ab 1992, durch diverse Anträge und Kontaktaufnahmen zu hochrangigen Politikern eine Aufhebung des Verbots zu erreichen. Einreisen darf er aber erst 2002, nachdem er die Abschaffung der Monarchie bestätigt und einen schriftlichen Eid auf die Verfassung geleistet hat.

Bis es soweit ist, führt Viktor Emanuel im Exil ein Leben, wie es in einer Soap über die Reichen, Schönen und Dubiosen kaum schillernder dargestellt werden könnte. Seiner Eheschließung in Las Vegas 1970 folgt zwei Jahre später die kirchliche Trauung in der iranischen Hauptstadt Teheran. Die Wahl fällt auf den ungewöhnlichen Ort, da Viktor Emanuel gut mit dem Schah von Iran befreundet ist.

In der Klatschpresse ist er durchgängig mit verschiedenen Ausschweifungen vertreten – von der teilweisen Rechtfertigung der Rassengesetze im faschistischen Italien über rauschende Feste an traumhaften Locations bis zu zwielichtigen Bankgeschäften ist alles dabei.

Der große Skandal aber geschieht 1978: Als sich Fremde auf Korsika an seinem Boot zu schaffen machen, wird der Kronprinz a.D. so wütend, dass er mehrere Schüsse aus einem Gewehr abgibt. Der an der Auseinandersetzung unbeteiligte deutsche Student Dirk Geerd Hamer wird dabei getroffen und stirbt Monate später. Aber stammten die Kugeln tatsächlich aus Viktor Emanuels Waffe? Das konnte die Pariser Staatsanwaltschaft nie final beweisen und ließ den Vorwurf des Totschlags schließlich 1991 fallen. Übrig blieb eine sechsmonatige Bewährungsstrafe wegen des missbräuchlichen Tragens einer Waffe.

In Italien kommt der verhinderte Kronprinz erneut ins Gefängnis

Doch es sollte nicht der letzte Clinch mit der Justiz in Viktor Emanuels Leben bleiben. Nach seiner Rückkehr nach Italien kommt er 2006 erneut in Haft. Laut der Polizei soll der damals 69-Jährige in schmutzige Spielbank-Geschäfte verwickelt gewesen sein. Dazu kommen Ermittlungen wegen Betrugs, Glücksspiels und der Ausbeutung von Prostituierten. Die Fahnder hätten seinen Vater „abgeholt wie einen Banditen“, beschwert sich Viktor Emanuels Sohn Emanuele Filiberto.

Der verhinderte Kronprinz räumt nach seiner Festnahme jedoch einen Teil der Vorwürfe ein. Er wird unter Hausarrest gestellt, der schließlich von einem Revisionsgericht aufgehoben und die Strafe auf ein Ausreiseverbot abgemildert wird. Viktor Emanuel kommentierte das Urteil süffisant: Sein Leben sei doch sehr merkwürdig. Er habe 56 Jahre lang auf seine Wiedereinreise nach Italien gewartet und nun dürfe er nicht mehr ausreisen.

Viktor Emanuel mit Ehefrau und Sohn

Doch auch auf den Jahrzehnte zurückliegenden Tod des Studenten Dirk Geerd Hamer sollte die kurzzeitige Haft Viktor Emanuels ein neues Licht werfen. Jahre später taucht ein Video auf, das den Adligen im Gefängnis zeigen soll. Dort räumt er ein, den Studenten verletzt zu haben. „Ich habe geschossen und traf ihn ins Bein.“ Das Gericht in Paris habe er „angeschmiert. Sechs Monate, das war ja wie eine Amnestie.“ Zu erneuten Ermittlungen führt das allerdings nicht.

Nun steht das juristische Drama um den Tod des jungen Dirk Geerd Hamer im Zentrum der neuen Netflix-Doku über Viktor Emanuel. Der Film dringt jedoch noch deutlich tiefer vor in dieses ungewöhnliche Leben: von der angespannten Beziehung des Prinzen zu seinen Eltern, über die Liebesgeschichte mit Ehefrau Marina Doria bis zu seiner Zeit im Iran.

Außerdem geht es um Viktor Emanuels Mitgliedschaft bei den Freimaurern, die ihm offenbar bei seinen juristischen Problemen mehrfach sehr nützlich war. Oder wie es in der Dokumentation heißt: „Es war, als würde das System in Paris jegliche Mechanismen der Demokratie deaktivieren.“

Netflixwoche Redaktion

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