„Wie bitte?“ – Warum Dialoge in Filmen oft so schwer zu verstehen sind

Hä? Wie bitte? Was hat er gesagt? Schwer verständliche Dialoge, aber krachend laute Explosionen und Musik, das irritiert. Und lässt uns immer wieder zur Fernbedienung greifen. Wer in angenehmer Zimmerlautstärke hören möchte, ist oft dabei, die Dialoge lauter zu stellen und bei den Actionszenen wieder herunterzuregeln. Wieso ist das so?

„Es gibt eine Reihe von Ursachen“, sagt Mark Mangini, Oscar-prämierter Sounddesigner von Filmen wie Mad Max: Fury Road und Blade Runner 2049 gegenüber. „Es ist wirklich eine Ansammlung von Problemen, die sich in den letzten zehn Jahren verschärft haben. Das ist die Zeitspanne, in der wir feststellen, dass Dialoge immer schwerer zu verstehen sind.“

Hier sind die fünf wichtigsten Ursachen – und was du tun kannst, um beim nächsten Action-Film-Abend nicht ständig den Ton rauf- und herunterregeln zu müssen.

Ursache 1: Schauspieler, die nuscheln und Regisseure, die es realistisch lieben

Kiefer Sutherland ist für sein Flüster-Grummel-Gemurmel berühmt-berüchtigt, sie ist sogar eine Art Markenzeichen. Aber auch andere Darsteller*innen nehmen es nicht so genau mit der Aussprache.

Professor Ingo Kock war bis 2019 viele Jahre Dekan des Studiengangs Sound an der Filmuniversität Potsdam-Babelsberg. Er sagte in einem Gespräch mit der Frankfurter Neuen Presse: „Der Standard war früher ein anderer. Heute wird wesentlich lässiger gesprochen, es kommen häufiger Akzente und Alltagssprache vor.“ Das führt dazu, dass es manchen Zuschauer*innen heutzutage schwerer fällt, den Dialogen zu folgen.

Aber nicht nur bei den „Sendern“, auch bei uns „Empfängern“ hapert es manchmal: Ab einem Alter von 30 Jahren lässt heutzutage die Hörfähigkeit bereits spürbar nach. „Ein 60-Jähriger hat bei 8000 Hertz schon 40 Dezibel Verlust. Das heißt er versteht im normalen Sprachbereich zwar noch alles, aber die Höhen sind weg“, erläutert Kock.

Und dann gibt es noch die Regisseur*innen, die es bewusst in Kauf nehmen, dass die Dialoge nicht so klar verständlich sind, wie sie sein könnten. Bekannt hierfür ist Christopher Nolan (Batman Begins, The Dark Knight, The Dark Knight Rises, Tenet, Interstellar). Nolan reizt in seinen Filmen oft die Grenzen des Sounddesigns aus – um den Preis, dass das Publikum in manchen Szenen nicht versteht, was seine Figuren sagen.

Thomas Curley, der als Tonmeister bei Whiplash einen Oscar gewann (gemeinsam mit Craig Mann), kennt diese Filmemacher-Mentalität. Gegenüber slashfilm.com erklärt er: „Im wirklichen Leben hat nicht alles einen klaren, filmischen Klang, und ich glaube, einige Regisseure versuchen, das zu kopieren.“ Sein Kollege Donald Sylvester, der für seine Arbeit als Sound-Editor bei Ford vs. Ferrari einen Oscar erhielt, ergänzt: „Ich glaube, Christopher Nolan trägt das wie ein Ehrenabzeichen. Ich glaube nicht, dass es ihn kümmert. Er will, dass die Leute ihm schlechte Publicity geben, denn dann kann er allen seine Methoden erklären.“

Ursache 2: Probleme beim Dreh

Aufwändige Produktionen leben von opulenten Bildern, mit viel Action und Bewegung. Für die Ton-Crew ist es dabei oft schwer, ihre Aufnahmegeräte ideal zu positionieren. Das Bild ist vielen Regisseuren wichtiger als der Ton und Mikrofone können nicht in jeder Szene an den Schauspieler*innen direkt angebracht werden, da man sie dann sehen würde. Aber je höher die Entfernung zwischen Mikrofon und Akteuren, desto mehr unerwünschte Geräusche werden mit aufgenommen. Und die sind in der Nachbearbeitung schwer wieder zu eliminieren.

„Das Budget spielt eine große Rolle, und es gibt Drehorte, an denen man besser nicht drehen sollte. Da müsste dann nachsynchronisiert werden. Das kostet zusätzliches Geld und wird nicht immer gemacht“, benennt Ingo Kock eines der Probleme.

Ursache 3: Der Wechsel von analoger Technik zur digitalen

In modernen Filmen werden meist wesentlich mehr Musik und Effekte eingesetzt als in Filmen, die vor 1990 gedreht wurden. Damals konzentrierte man sich eher auf die Dialogverständlichkeit – auch weil die technischen Möglichkeiten nicht so viele Effekte zuließen.

Die Digitalisierung ist heute Fluch und Segen zugleich: Es gibt keine Limits mehr in der Anzahl der Audiospuren. Eigentlich eine prima Sache. Der Haken: Die Tonmischung dieser vielen Tonspuren voller Dialog, Musik, Nebengeräusche und Soundeffekts ist auch für erfahrene Sound-Editoren äußerst anspruchsvoll. Beim analogen Film war der Ton deshalb klarer. Heute müssen Dialoge mit einer vielschichtigen Geräuschkulisse darum „kämpfen“, wahrgenommen zu werden.

Ursache 4: Lautsprecher in Endgeräten nicht gut genug

Im Wohnzimmer kommen wesentlich kleinere Lautsprecher zum Einsatz als im Kino. Der Film wird also anders wahrgenommen als im Kinosaal, für den er eigentlich gemischt wurde, und das geht oft zu Lasten der Verständlichkeit. Denn: Damit es im Film bei Explosionen richtig knallt und bei Hubschrauber-Angriffen die Luft vibriert, muss der Rest des Films leiser gemischt werden, damit die lauten Stellen nicht übersteuern. Daher werden Dialoge meist leiser gemischt, damit Musik und Geräusch an den entsprechend lauteren Stellen die gewünschten Effekte erzielen. Das funktioniert im Kino, aber eben meist nicht zuhause, da dort die kleineren und leistungsschwächeren Lautsprecher ein anderes Klangverhalten aufweisen.

Ursache 5: Komprimierter Ton beim Streaming

Um den Ton beim Streaming übertragen zu können, wird er in seiner Qualität reduziert. Man nennt dies Kompression. Die Tonspur ist somit weniger datenintensiv und benötigt weniger Bandbreite, die Filme und Serien laden schneller. Das kann aber auch zu Lasten der Dialogqualität gehen. Beim Streaming ist eine Komprimierung aber unvermeidbar und nicht alle Streaminganbieter haben die gleichen Qualitätsstandards bei Tonkomprimierungsverfahren.

Tonmeister Craig Mann hierzu gegenüber Slashfilm: „Netflix hat hervorragende Spezifikationen in Bezug auf die Dialognorm und den Gesamtpegel. Filme brauchen einen bestimmten Pegel, um die Qualitätskontrolle zu bestehen, und dieser Pegel basiert für Netflix im Wesentlichen auf der Dialogqualität.“

Wie können wir zuhause für einen besseren Ton sorgen?

Für einen besseren Sound am eigenen Fernseher gibt es mehrere Varianten – teilweise sind sie mit Mehrkosten verbunden.

TV-Einstellungen: Das Einstellungsmenü am TV hat zahlreiche Optionen, mit denen der Klang verändert werden kann. Viele Fernseher bieten auch Modi wie „Musik“, „Sprache“ oder „Kino“ an. Was sich dahinter verbirgt, ist von Modell zu Modell unterschiedlich. Hier heißt es ausprobieren, welche Einstellung dem eigenen Hörempfinden und der Akustik des Raumes am besten entspricht.

Für perfekten Sound reichen die kleinen Lautsprecher in den immer flacher werdenden Fernsehern jedoch nicht aus. Klang braucht Volumen. Um Surround-Sound wie im Kino zu erzeugen, führt kein Weg an zusätzlichen Lautsprechern vorbei.

Diese Systeme sind eine sinnvolle Erweiterung und bringen deutlich klarere Akustik. Das Problem mit den unterschiedlich lauten Dialog- und Actionpassagen können sie aber natürlich nicht gänzlich lösen.

Soundbars und Subwoofer: Soundbars sind meist längliche, riegelförmige Lautsprecher, die per HDMI- oder Bluetooth mit dem TV verbunden werden. Oft ist auch ein zusätzlicher Subwoofer im Paket, also eine kleine Box, die den Bass erzeugt. Eine Soundbar ist ein guter Mittelweg zwischen einer teuren Heimkino-Anlage und den unzureichenden Lautsprechern im Fernseher und hilft hörbar, Ton und Verständlichkeit zu verbessern.

Wem das nicht reicht, dem sei ein Heimkino mit 5.1-Lautsprechersystem und AV-Receiver empfohlen. Nur so lässt sich ein 5.1-Dolby-Surroundsound etablieren. „5.1“ steht für fünf unterschiedlich ausgerichtete Lautsprecher und einen Subwoofer, der für die Bässe zuständig ist. Die AV-Receiver bieten eine Vielzahl an Einstellungen, sodass jeder Lautsprecher an den Raum angepasst werden kann.

Reicht das nicht, bleibt nur noch die sarkastische Flucht in die Kunst: Mumblecore-Filme, kleine Independent-Produktionen mit Mini-Budgets, zeichnen sich dadurch aus, dass sie neben improvisierten Dialogen und Laienschauspielern für die schlechte Tonqualität bekannt-berüchtigt sind. Die Dialoge sind oft nur als „mumbel“ (Genuschel) wahrnehmbar. Einfach mal reinhören.

Netflixwoche Redaktion

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