The Days: Die Helden von Fukushima und ihr Kampf gegen die Katastrophe

The Days, die neue Netflix-Miniserie, erzählt in unterschiedlichen Perspektiven von der Erdbeben, Tsunami- und Reaktorkatastrophe vom 11. März 2011.

„Ich war an jenem Tag dort. Ich habe gesehen, was passiert ist. Ich hörte die Geräusche, roch die Gerüche und spürte den Schrecken. Nur wer dort war, kann die Geschichte erzählen. Die Zeit, die mir bleibt, kann ich nutzen, um künftigen Generationen von der Katastrophe zu erzählen.“ So schildert Masao Yoshida, Betriebsleiter des Atomkraftwerks Fukushima in The Yoshida Testimony seine furchtbaren Erlebnisse mit dem GAU.

Yoshidas Aussagen sind die wichtigste Quelle für die Macher*innen von The Days, der neuen Netflix-Miniserie, die von der Erdbeben-, Tsunami- und Reaktorkatastrophe vom 11. März 2011 erzählt. In acht Episoden werden die Geschehnisse in Fukushima über einen Zeitraum von sieben Tagen aus verschiedenen Perspektiven gezeigt.

Masao Yoshida starb rund zwei Jahre nach dem Unglück am 9. Juli 2013 im Alter von 58 Jahren an Speiseröhrenkrebs. Sehr wahrscheinlich lässt sich die Erkrankung auf die Strahlenbelastung zurückführen, der Yoshida und viele andere verstorbene Kraftwerk-Mitarbeiter*innen in den Tagen und Wochen nach dem Reaktorunfall ausgesetzt waren.

Was passierte in Fukushima?

Am 11. März 2011 ereignete sich in Fukushima, Japan, eine verheerende Dreifach-Katastrophe. Ein starkes Erdbeben der Stärke 9,0 auf der Richterskala löste einen Tsunami aus. Der Tsunami überflutete das Kraftwerk Fukushima Daiichi. Durch die Flutwelle wurden die Stromversorgungssysteme des Atomkraftwerks beschädigt, was zu einem Ausfall der Kühlsysteme führte. In der Folge kam es zu Kernschmelzen in drei der sechs Reaktoren des Kraftwerks. Radioaktive Stoffe wurden freigesetzt und es bildete sich eine radioaktive Wolke über der Region.

Die Katastrophe von Fukushima wird als einer der schwersten nuklearen Unfälle in der Geschichte eingestuft und hatte weitreichende Auswirkungen. Tausende Menschen wurden evakuiert, um der Strahlenbelastung zu entgehen. Die radioaktive Kontamination verschmutzte die umliegende Umgebung, einschließlich des Bodens, des Wassers und der Lebensmittel.

Die Katastrophe von Fukushima führte zu einer verstärkten Debatte über die Sicherheit von Kernkraftwerken und zu einer Überprüfung der Kernenergiepolitik in vielen Ländern weltweit. Während Deutschland nur drei Monate nach dem Reaktorunglück den Ausstieg aus der Atomenergie beschloss, verabschiedete Japan am 31. Mai 2023 ein neues Gesetz, welches die Verlängerung der Laufzeiten bestehender Atomreaktoren auf unbegrenzte Zeit ermöglicht – trotz starken Widerspruchs aus der eigenen Bevölkerung.

Was erzählt The Days?

Im Mittelpunkt stehen Masao Yoshida (Koji Yakusho), Betriebsleiter des AKW’s und seine Mitarbeiter im Kontrollraum, die unter Einsatz ihres Lebens versuchen, die Folgen der Katastrophe einzudämmen. Ein anderer Handlungsstrang zeigt Premierminister Azuma (Fumiyo Kohinata), der unter hohem Druck schnell weitreichende Entscheidungen fällen muss – und sich dabei manchmal auf die falschen Berater verlässt. Vom Betreiber-Unternehmen TEPCO wird sogar fleißig Desinformation betrieben. Azuma ist übrigens ein fiktiver Name, der des seinerzeit amtierenden Premierministers, Naoto Kann, wird nicht genannt.

Die Überforderung aller Beteiligten ist ein zentrales Element der Serie. Die Regisseure Masaki Nishirua und Hideo Nakata (er inszenierte u.a. die Ring-Horrorfilmreihe) vertrauen darauf, dass dieses Drama für sich spricht und keine eingeflochtenen Liebesgeschichten oder ähnliches braucht.

Die Menschen vor Ort geben ihr Bestes, haben es aber mit der Regierung und TEPCO zu tun, die keine Panik schüren wollen. Entscheidungen darüber, wann die nahe gelegene Stadt evakuiert werden soll, wie die Reaktoren ohne Generator gekühlt werden können, und die Frage, welche Folgen die freigesetzte Strahlung haben wird, sorgen für mehr als genug Drama. Die Bilder vom Tsunami, der das AKW überrollt als sei es ein Pappkarton, wirken erschreckend authentisch. Die Darstellung der überarbeiteten und überforderten AKW-Mitarbeiter und Politiker ebenso.

Koji Yakusho brilliert in der Rolle des später zum „Helden von Fukushima“ gekürten Masao Yoshida, der vom fröhlichen, jovialen Atomkraftbefürworter zu einem kämpferischen Schadensbegrenzer wird. Ein Held, aber kein Superheld, sondern ein Mensch mit Ängsten, Zweifeln und Fehlern.

Eine deutsche Synchronisation liegt nicht vor, neben dem japanischen Original gibt es jedoch auch eine englische Fassung und deutsche Untertitel.

Wie nah an der Realität ist The Days?

Beklemmend nah. Die Regisseure und Autoren halten sich eng an die durch Quellen und Augenzeugen gestützten Fakten. Durch die faktenbasierten Drehbücher ist The Days nicht bloß ein gut inszenierter Katastrophenfilm, sondern bietet Aufklärung wie eine kritische Dokumentation. Die Serie stützt sich dabei auf drei Hauptquellen:

1. The Yoshida Testimony

2. On the Brink: The inside Story of Fukushima Daiichi – für sein Buch interviewte der Journalist Ryusho Kadota 90 Menschen, die freiwillig als Katastrophenhelfer in Fukushhima tätig waren.

3. Fukushima Nuclear Accident Analysis Report, die offizielle Aufarbeitung der Geschehnisse durch die später verstaatlichte Betreiberfirma TEPCO.

The Days ist seit dem 1. Juni 2023 auf Netflix verfügbar.

Netflixwoche Redaktion

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