Warum haben Makler in Deutschland einen schlechten Ruf? Ein Luxus-Makler über Selling Sunset

Die sechste Staffel von Selling Sunset ist online. Wir haben uns die Serie mit einem Luxusimmobilien-Makler angeschaut und ihn gefragt: Wie läuft das Immobiliengeschäft im Premiumsegment in Deutschland ab?

Der Porsche ist vollgetankt, die Zähne sind gebleacht und die Gucci-Handtasche sitzt: Auch in der sechsten Staffel Selling Sunset verkaufen die Maklerinnen der Oppenheim Group wieder Top-Immobilien in Los Angeles. Zum Start der neuen Folgen haben wir uns die Serie mit Michael Pabst angeschaut, einem Luxusimmobilien-Makler aus Frankfurt am Main. Ein Gespräch über Provisionen, Neid und die Unterschiede zwischen dem Immobiliengeschäft in den USA und Deutschland.

Netflixwoche: Muss man eigentlich auch eine Bewerbungsmappe mit Schufa-Auskunft und Einkommensnachweis einreichen, wenn man eine Luxusimmobilie mieten will?

Michael Pabst: Klar, für ein Penthouse im gehobenen Bereich zahlt man schnell 10.000 bis 20.000 Euro Miete pro Monat. Da wird schon ein Einkommensnachweis und eine Schufa-Auskunft verlangt. Auch, weil sich im Luxussegment manchmal zwielichtige Gestalten herumtreiben.

Zwielichtige Gestalten?

Wir hatten schon Kunden, die uns fingierte Gehaltsabrechnungen geschickt haben. Oder als Arbeitgeber ein Unternehmen angegeben haben, bei dem sie überhaupt nicht angestellt waren. Oft gibt es auch Leute, die vielleicht noch die Kaution und zwei Mieten überwiesen und dann plötzlich nichts mehr zahlen. Bis man die wieder aus der Wohnung herausgeklagt hat, kann mit dem Objekt alles Mögliche passieren. Es kann dann zu Beschädigungen der Immobilie kommen oder in einem Fall, der mir bekannt ist, wurde die Wohnung zu einem illegalen Hotel umgenutzt. Als Makler bekommt man aber schnell einen Blick dafür, ob jemand nicht ganz koscher ist.

Wie wird man eigentlich Luxusimmobilienmakler? Weiß man das schon in der Grundschule?

Nach der Fachoberschule, mit 18, habe ich zuerst für eine Versicherungsgesellschaft gearbeitet. Im Bereich Altersvorsorge. Und da habe ich festgestellt, dass in Deutschland viele Menschen im Alter ein Problem bekommen, weil die Rente nicht reicht. Deswegen habe ich mich schon sehr früh gefragt: Was kann ich tun, damit es bei mir anders läuft? Auch, weil ich aus einfachen Verhältnissen komme und kein Erbe auf mich wartet.

Ihre Antwort darauf war: „Ich werde Makler!“

Genau. Ich habe dann dreieinhalb Jahre für einen Investor gearbeitet, der wie ein Mentor für mich war und mir alles gezeigt hat. Das war mein Einstieg in die Branche. Angefangen habe ich mit Gewerbeimmobilien und Mehrfamilienhäusern. Doch zwischendurch hatten wir immer wieder Luxusimmobilien auf dem Tisch liegen, die der Investor privat kaufen wollte, Villen oder richtig krass sanierte Altbauwohnungen zum Beispiel. Dafür habe ich ein gewisses Faible entwickelt und als sich dann die Chance ergeben hat, zu einem renommierten Makler-Unternehmen im Luxussegment zu wechseln, habe ich sie ergriffen.

In Selling Sunset ist der Konkurrenzdruck unter den Immobilienmakler*innen hoch. Ist das in Deutschland auch so?

Die meisten Leute, die sich dafür entscheiden, Immobilienmakler zu werden und das dann auch durchhalten, sind ein besonderer Typ Mensch. Sie sind ehrgeizig und wirtschaftlich motiviert. Da ist es nicht auszuschließen, dass diese Leute auch in einen Wettbewerb miteinander gehen. Wobei man schon sagen muss, dass in Deutschland das Konkurrenzdenken sogar noch stärker ausgeprägt ist als in den USA.

Echt?

Ja, das ist ein Riesenunterschied. Angenommen ich will mir in Los Angeles eine Villa für 50 Millionen kaufen. Dann suche ich mir zunächst einen Makler, der mich als Kunden repräsentiert und sein Netzwerk für mich aktiviert, um mir verschiedene Immobilien zu zeigen, die wiederum von unterschiedlichen Objekt-Maklern betreut werden. So kann ich mir als Kunde im Prinzip fast alles anschauen, was es auf dem Markt gibt.

In Deutschland ist das nicht so?

Nein. Wenn ich hier eine Villa im Luxussegment kaufen will, dann kann ich mich an eine renommierte Makler-Firma wenden. Aber die Makler-Firma kann mir nur ihre eigenen Objekte anbieten ​​– und nicht die der Nachbarfirma, die vielleicht genauso renommiert ist. In den USA läuft das gesamte Geschäft durch die höhere Kooperation der Makler viel serviceorientierter ab. Der Kunde sieht den Mehrwert des Maklers. Wenn das in Deutschland auch so wäre, dann würde der Makler-Beruf auch ein ganz anderes Ansehen genießen.

Das Beste ist gerade gut genug: Die Maklerinnen aus Selling Sunset am Pool.

Die Branche hat in Deutschland also einen schlechten Ruf, weil das Geschäft so kleinteilig abläuft?

Ja, richtig. Im Prinzip ist jeder nur in seinem eigenen Vorgarten unterwegs. Außerdem ist in Deutschland die Hürde sehr klein, um Makler zu werden. Man muss nachweisen, dass man in geordneten Verhältnissen lebt, keine Vorstrafen hat oder im Schuldnerregister steht und eine einwöchige Schulung für einen Sachkundenachweis machen — und schon kann man sich Makler nennen.

Das klingt wirklich nach einer niedrigen Einstiegsschwelle.

Eben. Das müssen wir in Deutschland viel strenger zertifizieren. Gemessen an dem Geld, um das es etwa bei einem Hauskauf geht und an der Verantwortung, die der Makler dabei übernimmt, ist das zu wenig. Deswegen kommen auch immer wieder Leute in die Branche, die sich nicht auskennen und denken, sie könnten hier schnell das große Geld machen. Die Kunden machen mit solchen Maklern dann oft schlechte Erfahrungen und das prägt die Wahrnehmung der gesamten Branche.

„Im Immobiliengeschäft dreht sich alles um Beziehungen“, sagt eine Maklerin in Selling Sunset. Wie baut man sich als Newcomer in der Branche ein Netzwerk auf?

Das erste Jahr ist das schwerste. Hier zeichnet sich einerseits ab, ob man was reißen wird. Doch andererseits kenne ich keinen Makler, der direkt super erfolgreich war. Man arbeitet viel umsonst und übernimmt Aufträge, die vielleicht nicht jeder haben will. Man hat viele Herausforderungen und nichts klappt so richtig. Aber mit der Zeit lernt man, die Probleme zu lösen.

Für die Maklerinnen in Selling Sunset gibt es nur einen Weg: ganz nach oben.

In Selling Sunset erzählen die Maklerinnen und Makler oft von den Promis, für die sie arbeiten. So was hört man in Deutschland selten, oder?

Ja, das gibt es so gut wie nie. Die meisten Kunden in Deutschland legen Wert auf Understatement und Diskretion.

Das Klischee stimmt also, dass man in Deutschland nicht über Geld redet?

Absolut. In den USA ist es völlig in Ordnung, wenn jemand sagt: „Ich bin 100 Millionen schwer.“ In Deutschland geht das nicht. Stichwort: Neidgesellschaft. Wenn ich als Makler herumerzählen würde, für welche Promis ich arbeite, würde ich schnell als indiskret gelten und das Vertrauen meiner Kunden verlieren.

Die Provisionen bei Selling Sunset gehen oft in die Hunderttausende. Wird man als Luxusimmobilienmakler schnell reich?

Schnell nicht. Aber man kann auf jeden Fall überdurchschnittlich viel verdienen. Es gibt Makler in Deutschland, die Einkommensmillionäre sind. Aber gemessen am Gesamtpool der Makler ist das wirklich nur ein Promille. Die meisten erfolgreichen Makler verdienen ungefähr so viel wie ein Arzt. Das ist auch schon krass. Aber dahinter stecken oft mehrere Jahre, in denen man wenig bis nichts verdient hat. Und jetzt gerade ist eh Saure-Gurken-Zeit.

Warum das denn?

Durch den Krieg herrscht Ressourcenknappheit und gleichzeitig sind die Zinsen sehr hoch. Dadurch werden viel weniger Objekte verkauft und damit sinkt auch der Umsatz  für die Makler. Aber vielleicht ist das auch mal nötig gewesen, nach den zehn verrückten letzten Jahren.

Aber gleichzeitig gehen doch die Mietpreise durch die Decke. In Großstädten wie Berlin gibt es Massenbesichtigungen für 2-Zimmer-Wohnungen.

Ich möchte jetzt nicht zu politisch werden. Aber ich finde das traurig. Daran sieht man, dass die Bau- und Wohnungspolitik in Deutschland in den letzten 20 Jahren völlig versagt hat. Ich würde zwar nicht so weit gehen, zu sagen, dass es ein Grundrecht auf Wohnen gibt. Aber trotzdem sollte es doch selbstverständlich sein, dass ich in einer Stadt eine Wohnung in meiner Einkommensklasse finde. Und dabei habe ich in meinem Job eigentlich sehr wenig mit bezahlbarem Wohnraum zu tun. Doch auch wer Immobilien im Premiumsegment verkauft, trägt als Branchenbeteiligter eine gewisse Mitverantwortung für die ganze Situation.

La Dolce Vita in Selling Sunset.

Eine Maklerin in Selling Sunset schwört auf Abendbesichtigungen. Sie sagt: „Nachts verkauft es sich besser. Durch die Beleuchtung sieht alles noch viel sexyer aus als am Tag.“ Was ist Ihr Geheimtipp?

Wenn das Haus einen schön beleuchteten Garten hat, dann mache ich auch eine Nachtbesichtigung. Gerade im Luxussegment muss man mit den Emotionen der Kunden arbeiten — und damit meine ich nicht, dass man manipulativ unterwegs ist. Man tut dem Kunden auch einen Gefallen, wenn man ihm das Objekt bei der Besichtigung so präsentiert, wie es später auch aussehen wird. Gerade die sinnliche Wahrnehmung spielt dabei eine entscheidende Rolle. Jemand, der eine Villa für acht Millionen Euro kauft, der wird dort auch im Alltag für eine angenehme Beduftung sorgen. Es wird frische Blumen geben oder eine perfekte Klimatisierung. Aber als verantwortungsvoller Makler empfehle ich meinen Kunden immer, das Haus auch zu anderen Tageszeiten zu besichtigen.

Sie machen mehrere Besichtigungen?

Ja, klar. Bei der ersten Besichtigung sucht man sich das Highlight aus, sozusagen die Hook. Doch danach geht man in die Beratung. Wenn der Kunde jeden Morgen mit seiner Familie auf der Terrasse frühstücken will, aber die Sonne erst um 15 Uhr hinter den Bäumen hervorkommt, dann muss man ihm klar sagen: Das geht in dem Haus nicht. Dafür ist man doch als Makler da. Man setzt die Wünsche des Kunden in die Realität um.

Haben Sie als Makler eigentlich etwas von Selling Sunset gelernt?

Ich schaue mir die Show vor allem wegen der Immobilien an. Es ist schon krass, was in Los Angeles gebaut wird. Das fasziniert mich immer wieder. Aber habe ich was von der Serie gelernt? Ich würde es allgemeiner formulieren: Mir gefällt einfach die Art, wie in den USA aus Kundenbeziehungen auch Freundschaften entstehen, weil die Makler ein tolles Vertrauensverhältnis mit ihren Kunden aufbauen.

Zur Person

Luxusimmobilien-Makler Michael Pabst

Michael Pabst, Jahrgang 1994, ist Luxusimmobilien-Makler in Frankfurt am Main. Auf TikTok und Instagram erzählt er von seiner Arbeit, macht Roomtours und bewertet Immobilien.

Lennardt Loss, Netflixwoche

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