„Unser Film wird keine Beziehung retten“: Nilam Farooq im Interview zu Du Sie Er & Wir

Die Grundidee der neuen Komödie Du Sie Er & Wir ist so simpel wie explosiv: Zwei befreundete Paare beschließen, vier Wochen lang untereinander die Partner*in zu tauschen. Die einzige Bedingung: kein Sex. Beim gemeinsamen Wochenende in einer Strandhütte an der Ostsee sprechen Janina (Nilam Farooq), Maria (Paula Kalenberg), Nils (Jonas Nay) und Ben (Louis Nitsche) über ihre Erfahrungen. Schnell wird den vieren klar, dass das Experiment alles umgeworfen hat.

In der aktuellen Podcast-Episode sprechen Hadnet und Matthias mit Janina-Darstellerin Nilam Farooq über ihre Rolle und den Dreh. Die Schauspielerin war sechs Jahre lang als Kommissarin Olivia Fareedi bei SOKO Leipzig sowie im Horrorfilm Heilstätten und in der gesellschaftskritischen Komödie Contra zu sehen. Wir veröffentlichen hier die ausführliche Version des Gesprächs.

Darin erzählt Nilam Farooq, warum sie mit ihren drei Schauspiel-Kolleg*innen so viel über die Themen des Films gesprochen hat, welche ihre Lieblingszene ist und warum sie froh war, als der Dreh nach sechs Wochen vorbei war.

Hadnet: Der Film Du Sie Er & Wir spielt vor allem in einem Haus. Da drin sind im Grunde nur eure vier Charaktere. Wie war das für euch als Cast?

Nilam Farooq: Dass es ein Kammerspiel ist, war für mich ein Grund, diese Rolle anzunehmen. Sowas kannst du nicht oft machen. Wir haben bei Sankt Peter-Ording gedreht, in Tetenbüll. Das ist ein 80-Mann-Dorf, wenn überhaupt. Das war im November, und wer schon mal da oben im November war, weiß: Wenn die Sonne nicht scheint, herrscht eine sehr triste Stimmung. Ich kam da an und dachte mir als Stadtmädchen schon: Mal gucken, wie das hier die nächsten sechs Wochen wird. Und dann landest du am Ende am Set in diesem Haus und merkst, dass die Energien der Rollen auf dich übergehen und auf alle Kollegen, weil es einfach kein Entkommen gibt. Es war eine sehr intensive Arbeit. Die lustigen Momente waren sehr lustig, und die schwierigen Momente waren dann aber auch sehr schwierig. Es war eine interessante Erfahrung.

Hadnet: Wie habt ihr Schauspieler*innen Themen wie Monogamie diskutiert?

Nilam Farooq: Das war wirklich ein großes Thema. Wir haben viel am Buch mitgearbeitet. Einmal ich, Nilam, mit meiner persönlichen Einstellung. Und einmal die Einstellung von Janina, der Rolle, die ich spiele. Natürlich sind Jonas, Paula, Louis und ich bei bestimmten Themen einander geraten. Beispielsweise, inwiefern sind wir klassisch, was Monogamie angeht, oder auch offener? Da war auf jeden Fall viel Gesprächsbedarf, und das nehmen die Rollen dann auch an. Wenn ich mit euch beiden jetzt darüber reden würde, würden wir wahrscheinlich hier und da was anderes ankratzen. Genauso war das im Grunde am Set. Aber im Endeffekt kannst du dich hinter der Rolle verstecken. Ich bin ja nicht Janina. Von daher hat es dann immer ganz gut gepasst.

Matthias: Du spielst eine sehr ehrgeizige Frau, die in der Redaktion eines Trend-Gesellschaftsmagazins arbeitet. Dort zieht ein Kollege karrieretechnisch an dir vorbei, was dich sehr frustriert. Inwieweit spielt diese Frustration für Janina eine Rolle? Also dieses Gefühl, dass, wenn es auf der Arbeit nicht so richtig weiter geht, es wenigstens in der Beziehung weitergehen sollte. Weil: Irgendein Projekt braucht man ja...

Nilam Farooq: Damit du das so durchziehst, wie sie das macht, musst du schon eine gewisse Bereitschaft haben, über Leichen zu gehen. Du musst diesen ganz großen Need haben, erfolgreich zu sein. Sie versucht – und das ist auch so ein gesellschaftliches Ding –, in allen Bereichen das Optimum rauszuholen. Nur nach außen scheint sie sowohl die glänzende, tolle Beziehung zu haben als auch jobmäßig in der Hierarchie ganz oben zu stehen. Das finde ich schon faszinierend, wie man da so weit gehen kann.

Matthias: Es ist ein guter Kniff von den Macher*innen dieses Films, dass jede der vier Figuren etwas Dunkles hat. Es gibt nicht die eine Figur, den einen strahlenden Held oder die eine strahlende Heldin. Das war von Anfang an so angelegt, das habt ihr nicht erarbeitet, sondern das war die Idee, oder?

Nilam Farooq: Das war tatsächlich die Idee. Jeder hat noch diese zweite oder dritte Schicht. Einfach, damit der Zuschauer jeweils in einem von uns vieren jemanden findet, an den er andocken kann. Was ja beim Filmemachen nicht ganz unwichtig ist: dass man da sympathisiert und relaten kann.

Hadnet: Sollte man sich euren Film angucken, wenn man in einer guten Beziehung steckt, oder eher, wenn man in einer schlechten steckt?

Nilam Farooq: Also ganz realistisch: Unser Film wird keine Beziehung retten. Da muss man mal kurz die Magie wegnehmen. Wenn du eine gute Beziehung hast, guckst du ihn als Unterhaltung und findest das entweder spannend oder die vier Figuren bescheuert. Wenn du keine Beziehung hast, dann auch. Und wenn du eine schwierige Beziehung hast, wäre es doch interessant, was danach passiert: ob Leute so ein Experiment ernsthaft in Erwägung ziehen. Aber in erster Linie soll der Film unterhalten, und wenn danach darüber gesprochen wird, dann ist das Ziel schon erreicht.

Matthias: Offensichtlich habt ihr Schauspieler*innen euch auch sehr gut unterhalten. Man sollte sich den Abspann unbedingt anschauen, weil da Outtakes drin sind. War das eine Art Katalysator, dass man bei manchen Szenen vor lachen nicht mehr weiterspielen konnte?

Nilam Farooq: Ja, lachen ist immer ein Katalysator. Es gibt natürlich die Teile, wo du lachst, weil du gerade deinen Text einfach nicht über die Lippen bekommst oder weil du die Szenen selbst so witzig findest. Es gibt eine Szene bei den Outtakes, die, glaube ich, 18 Mal gedreht werden musste, weil es so witzig war. Es hilft total – und ist auch ein guter Indikator dafür, dass die Leute hoffentlich lachen werden.

Hadnet: Was ist deine Lieblingsszene?

Nilam Farooq: Es gibt eine Stelle im Film, ein Experiment, bei dem man seinem Partner vier Minuten lang einfach nur in die Augen gucken soll. Das ist sowohl im fertigen Film als auch beim Drehen meine Lieblingsszene gewesen. Wenn man das mal ausprobiert, wie intensiv das ist, nicht wegzugucken und jemanden wirklich anzugucken – Was da alles passiert! Das finde ich ein spannendes Experiment, was ich so auch mal in mein Privatleben mitnehmen würde.

Matthias: Wie bist du denn aus diesen Dreharbeiten wieder rausgekommen?

Nilam Farooq: Es war wirklich eine intensive Zeit. Ich war froh, als es vorbei war. Jeden Tag gibst du bei so einem Film etwas von deiner persönlichen Einstellung preis, nicht nur gegenüber den Kollegen, sondern auch gegenüber dem kompletten Team. Dann freust du dich, wenn du dich wieder zurückziehen kannst und nicht vor der Kamera dein Innerstes auspacken musst. Du bist einfach sehr glücklich, dass das alles gut über die Bühne gelaufen ist und freust dich auf normale Menschen.

Netflixwoche Redaktion

Drücke ESC, um die Suche zu schließen.