Kinder der Neunziger werden sich an diese Szene erinnern: Eine hünenhafte Frau mit Gehrock und strengem Dutt packt ein kleines Mädchen an seinen zwei Zöpfen, wirbelt es über ihren Kopf und schleudert es in die Ferne. Dabei verfehlt das Kind knapp die Spitzen des gusseisernen Zauns, der den Schulhof eingrenzt. Gestatten: Fräulein Knüppelkuh.
Die sadistische Schulleiterin ist die Antagonistin in Roald Dahls Kinderbuch Matilda, der Geschichte einer übernatürlich begabten Schülerin, die sich die Schikanen ihrer Eltern und der Direktorin nicht länger bieten lässt. Die Abenteuer von Matilda haben Leute weltweit so begeistert, dass aus dem Buch nicht nur ein Film, sondern auch ein Musical entstanden ist. Und jetzt kehrt der Bücherwurm mit den Superkräften zurück – dieses Mal als Musical-Film.
In der Netflix-Adaption Roald Dahl’s Matilda – Das Musical schlüpft die 13-jährige Schauspielerin Alisha Weir in die Rolle von Matilda Wurmwald. Lashana Lynch (Woman King, James Bond 007: Keine Zeit zu sterben) übernimmt den Part der fürsorglichen Fräulein Honig, der einzigen erwachsenen Verbündeten des Mädchens. Emma Thompson (Harry Potter, Tatsächlich … Liebe) spielt Direktorin Agatha Knüppelkuh.
Im ersten Buchentwurf war Matilda noch ein hinterhältiges Balg
Roald Dahl's Matilda – Das Musical ist die neueste in einer Reihe verschiedener Adaptationen der Romanvorlage von 1988. Roald Dahls Tochter zufolge hatte der britische Autor sehr persönliche Gründe, die Geschichte zu Papier zu bringen. „Ich glaube, er hat wirklich Angst davor gehabt, dass Bücher verschwinden würden. Darüber wollte er schreiben“, erzählt Lucy Dahl in einem Interview mit dem US-Radiosender NPR.
Wäre Dahl bei dem ersten Entwurf seiner Geschichte geblieben, hätte Matildas Schicksal ganz anders ausgesehen. In der ersten Version ist das Mädchen statt des liebenswürdigen Wunderkinds ein hinterhältiges Balg, das mit seinen Kräften Pferderennen manipuliert und zum Schluss den Tod findet. Am Ende hat Dahl mit seiner Romanheldin, die Bücher liebt und sich Ungerechtigkeiten nicht gefallen lässt, einen Nerv getroffen.
Das Buch verkaufte sich in den ersten sechs Monaten nach Veröffentlichung mehr als eine halbe Millionen Mal und brach somit Rekorde. Inzwischen ist Matilda das meistverkaufte Werk Roald Dahls, der unter anderem auch Charlie und die Schokoladenfabrik und Der fantastische Mr. Fox geschrieben hat.
Danny DeVito: Genauso herzlich wie seine Rolle fies war
Obwohl das Buch sofort gut ankam, konnte die Verfilmung von 1996 zunächst keinen kommerziellen Erfolg verbuchen. An der Kinokasse hat der Film sogar Verluste gemacht, obwohl er heute ein Zuschauerliebling ist. Matilda wurde damals mit Mara Wilson besetzt, die zuvor bei Mrs. Doubtfire mit Robin Williams mitgespielt hatte. Regie führte Danny DeVito, der im Film Matildas Vater Harry Wurmwald spielt. DeVitos Frau Rhea Perlman wurde als Mutter Zinnia Wurmwald gecastet.
DeVito und Perlman haben die achtjährige Mara oft zu sich eingeladen, wenn ihre Mutter bei der Chemotherapie und ihr Vater arbeiten war. Leider verstarb Maras Mutter Suzie Wilson während der Dreharbeiten an Brustkrebs. Und obwohl Mara jahrelang dachte, dass ihre Mutter den Film nie gesehen hätte, erfuhr sie später, dass DeVito ihr kurz vor deren Tod einen ersten Schnitt gezeigt hatte. DeVito war es auch, der das ganze Set zum Tanzen brachte, als Mara vor einer Szene zu nervös war.
Von Londoner West End zum Broadway zu TikTok
Nachdem Matildas Geschichte durch den Film ein globales Publikum gefunden hatte, ist die Romanheldin 2010 wieder nach Großbritannien zurückgekehrt, und zwar als Musical. Autor des Scripts war Dennis Kelly, die Songs wurden von Tim Minchin komponiert und Matthew Warchus übernahm die Regie. Das Trio ist auch bei der Netflix-Adaption des Musicals dabei.
Nach einem Probelauf in Stratford feierte das Musical 2011 seine Premiere im Londoner West End und zwei Jahre später am New Yorker Broadway. In London läuft die Show bis heute.
Einer der Hits des Musicals – Revolting Children – ist durch die Verfilmung sogar viral gegangen. Da der Film in den USA und Großbritannien schon veröffentlicht wurde, sind Szenen daraus bereits auf Social Media zu finden.
Wer also viel durch TikTok und Instagram scrollt, hat vielleicht schon Meesha Garbett aka Red Beret Girl mit ihrem roten Barett über den Bildschirm wirbeln gesehen. Die 14-Jährige spielt Hortensia, eine von Matildas Mitschülerinnen, die in der groß angelegten Choreographie zum Song alle Blicke auf sich zieht. Auf Twitter hat ein User die Szene geteilt und mit einem Song von Missy Elliott unterlegt – den der Hip-Hop-Star dann retweeted hat.
Dass Matildas Geschichte nicht nur viel gelesen, sondern auch auf so vielfältige Art erzählt wird, damit hätte Roald Dahl bestimmt nicht gerechnet. Alisha Weir, die Matilda im Musical-Film spielt, findet: Alle können von den Erlebnissen des Mädchens lernen. Egal, wo im Leben Du landest, es sei wichtig, für sich selbst einzustehen und das Richtige zu tun, sagt sie. „Matilda ist ein Vorbild für jedes Alter.“
Netflixwoche Redaktion