Ricky Gervais – wer sich für Comedy interessiert, kommt um diesen Namen nicht herum. Ob in seiner englischen Heimat, den USA oder Europa: Ricky Gervais ist inzwischen weltweit einer der Erfolgreichsten seiner Zunft. Der 60-Jährige ist Autor, Stand-up-Comedian, Schauspieler, Regisseur, Produzent, Synchronsprecher und Podcaster. Dabei kam er nur über Umwege zur Comedy.
Wie nun auf dem „Netflix is a Joke“-Festival verkündet, wird Ricky Gervais' zweites Netflix-Comedy-Special, SuperNature, am 24. Mai auf Netflix starten. In SuperNature erzählt Gervais von unangenehmen Arztbesuchen, seiner verzogenen Katze und warum er das Übernatürliche gar nicht so besonders toll findet. Aus Vorfreude auf das neue Special werfen wir hier einen Blick in seine außergewöhnliche Vita und sammeln seine wichtigsten Werke in einer Best-of-Gervais-Watchlist.
Von der Philosophie über den Pop zur Comedy
Ricky Dene Gervais wurde in Reading geboren. Mit einem Philosophieabschluss in der Tasche versuchte er sich in den Achtzigern erstmal als Popstar. Zusammen mit einem Uni-Kumpel gründete er die schwer von David Bowie beeinflusste Synth-Pop Band Seona Dancing, die es immerhin auf ein paar Singles und Fernsehauftritte brachte. Der große Durchbruch blieb allerdings aus. Abgesehen von einer kurzen Episode als Manager der Britpop-Stars Suede endete für Gervais damit auch der Ausflug ins Musikbusiness. Er feierte ein paar kleine Erfolge als Radio-DJ und formierte in den Neunzigern schließlich ein Autorenduo mit seinem guten Freund Stephen Merchant. Der erste Schritt zu seinem Erfolg war gemacht. Aber der erste Hit ließ immer noch gute zehn Jahre auf sich warten.
Für die BBC schrieben Gervais und Merchant Anfang der Nullerjahre eine Serie, die inzwischen in zahlreichen Ländern adaptiert wurde und den Weg bereitet hat für eine neue Form von Comedy, die Mockumentary. Bedeutet: Alles ist frei erfunden, aber so nah an der Realität, dass es weh tut. The Office ist die Mutter aller Mockumentarys. war u.a. das Vorbild für Stromberg, in den USA wurde es unter dem Originalnamen neu aufgelegt. Im britischen Original kämpft ein Papiergroßhandel mit Büroschließungen, während der von Gervais verkörperte, unerträglich peinliche Filialchef David Brent neue Standards für Fremdscham setzt.
Große Erfolge mit kleinen Geschichten
Vergleichbar mit der Karriere ihres Urhebers zündete auch die Serie erst mit etwas Verspätung. Inzwischen aber genießt sie Kultstatus. Einen Typen wie Brent kennen wir eben alle, und ihm dabei zuzusehen, wie er anderen Menschen auf die Nerven geht, macht die Eskapaden der eigenen Vorgesetzten deutlich erträglicher. Auch sonst interessieren Gervais immer wieder die kleinen Geschichten der ganz normalen, oft an den Rand gedrängten Menschen. In Extras (2005), seiner zweiten Serienentwicklung für die BBC, geht es zum Beispiel um einen ewigen Statisten, der sich vergeblich abmüht, endlich eine Rolle mit Text zu ergattern. Auch seiner Vorliebe für Mockumentarys ist Gervais über die Jahre treu geblieben: Life’s Too Short (2011) erzählt von den Herausforderungen im Leben eines kleinwüchsigen Schauspielers, in Derek (2012) begleiten wir einen gutherzigen, aber naiven Altenpfleger.
Gervais übernimmt in seinen Produktionen auch meist selbst eine Rolle. Abseits seiner eigenen Projekte ist das eher eine Seltenheit. So lehnte er Rollen in Blockbustern wie The Da Vinci Code – Sakrileg, Ocean's Thirteen, Mission Impossible oder Fluch der Karibik ab. Er zieht es vor, sein eigenes Ding zu machen. Und schreibt stattdessen Filme wie Cemetery Junction und Special Correspondents – oder leiht im Animationsfilm Familie Willoughby einer Katze seine Stimme.
Gervais’ Karriere wird ertragreicher, je länger sie andauert. Inzwischen ist er 60 und erfolgreicher denn je. Die von ihm entwickelte Serie After Life, die 2019 Premiere feierte und deren finale Staffel aktuell läuft, ist mit über 80 Millionen Zuschauer*innen die erfolgreichste britische Serie überhaupt.
Bühnenstar, Hollywood-Schreck und kreativer Alleskönner
Parallel zieht es Gervais immer wieder auf die Bühne. Fünf Programme gibt es von ihm als Stand-up-Comedian. 2022 folgt nun die Ausstrahlung seines sechsten: SuperNature, mit Highlights aus dem Programm, das er seit zwei Jahren live spielt.
Außerdem hostete Gervais zwischen 2010 und 2020 fünf mal die Verleihung der Golden Globes. Die waren zwar nie so wichtig wie die Oscars, zwischenzeitlich aber definitiv unterhaltsamer – zumindest für Unbeteiligte. In seinen Moderationen teilte Gervais nämlich so gnadenlos aus, dass es den anwesenden Hollywood-Granden erkennbar schwer fiel, gute Miene zum bösen, aber letztlich nur schonungslos ehrlichen Spiel des Briten zu machen. Wer kriegt diesmal eins auf den Deckel? Los Angeles war in Angst und Schrecken. Gervais aber konnte es sich leisten, denn neben seinem Exotenstatus hat er auch die Liebe von Kritik und Publikum auf seiner Seite. In seinen Regalen stehen unzählige Trophäen: Globes, Emmys, BAFTAs und der BritishComedy Award.
Neben all dem fand der Tausendsassa immer noch Zeit, um eine Episode für Die Simpsons oder eine Kinderbuchreihe namens Flanimals zu schreiben. Aktuell sinniert der Vegetarier und Atheist außerdem mit dem Neurowissenschaftler und Philosophen Sam Harris im gemeinsamen Podcast Absolutely Mental über das Leben.
Gervais’ Filmografie ist inzwischen so abwechslungsreich wie sein Werdegang. Für alle, die es besonders sarkastisch, aber immer auch herzlich mögen, hier eine Auswahl seiner besten Werke.
Derek (2012 – 2014)
In dieser Mockumentary begleiten wir den einfach gestrickten, aber gutherzigen Pfleger Derek durch seinen Berufsalltag. Die Serie illustriert humorvoll, aber mit kritischer Haltung, wie wichtige Berufsgruppen marginalisiert und benachteiligt werden. Gervais’ halbe Familie arbeitet im Pflegebereich. Verständlich, dass ihm das Thema und der mangelnde Respekt vor der Branche schon immer ein Anliegen war. Er schrieb nicht nur das Drehbuch, sondern führte auch Regie und übernahm die Hauptrolle.
The Office (US) (2005-2013)
So wie in Gervais’ Vorlage dreht sich auch in der US-Version des Erfolgsformats alles um den Alltag im Papiergroßhandel rund um den katastrophalen Chef Michael Scott, gespielt von Steve Carrell. Alle neun Staffeln von The Office sind auf Netflix verfügbar.
David Brent – Life on the Road (2016)
Wer den originalen The Office-Chef lieber mag, wird hier fündig. David Brent – Life on the Road ist quasi ein Spin-Off mit Twist. Fünfzehn Jahre nach seiner Bürotätigkeit tingelt Ex-Boss Brent als leidlich erfolgreicher Rockmusiker durch die Lande und lässt auch hier keine Peinlichkeit aus.
Cemetery Junction (2010)
In der Coming-of-Age Dramedy Cemetery Junction schlagen sich drei Freunde aus der Arbeiterklasse mit den Tücken des Daseins herum, irgendwo zwischen Trinkgelagen und Prügeleien. Die drei leben in einem tristen Vorort von Gervais’ Geburtsstadt Reading. Als Versicherungsvertreter, Bahn- oder Fabrikarbeiter träumen sie von Größerem, doch das Ausbrechen aus dem Alltag gestaltet sich schwierig. Auch bei Cemetery Junction schrieb Gervais zusammen mit seinem besten Freund Stephen Merchant das Drehbuch. Beide spielen auch eine Nebenrolle, neben Stars wie Ralph Fiennes oder Felicity Jones.
Special Correspondents (2016)
Special Correspondents ist eine Satire über einen New Yorker Radiojournalisten und seinen Techniker, die für die Story ihres Lebens ihre eigene Entführung in Südamerika vortäuschen wollen. Autor, Regisseur und Hauptdarsteller: Ricky Gervais. Um sich herum hat er ein feines Ensemble gruppiert, darunter Eric Bana, Vera Farmiga, Kelly Macdonald, Kevin Pollak, America Ferrera und Benjamin Bratt.
Humanity (2018)
In Humanity, seinem vierten Stand-up-Programm, liefert der Virtuose der Provokation erneut einen meisterlichen Rundumschlag. Die Promi-Elite kriegt genauso ihr Fett weg wie überempfindliche Normalbürger*innen. Nebenbei wird über Gott, Hunde und die Vergänglichkeit sinniert. Hier kommt nicht selten der studierte Philosoph in Gervais durch. Aufgezeichnet wurde die Show übrigens im Londoner Apollo Theatre, einem geschichtsträchtigen Tempel der anspruchsvollen Unterhaltung.
After Life (2019 – 2022)
In der von Ricky Gervais kreierten und geschriebenen Dramedy-Serie After Life verzweifelt Lokalreporter Tony (Gervais) am Tod seiner geliebten Frau Lisa. Zur Seite stehen ihm dabei seine so speziellen wie liebenswürdigen Kolleg*innen bei der Tambury Gazette. Zwischen Fatalismus und Hoffnungsschimmern quält sich der traumatisierte Tony durch den Alltag, bis ihm langsam klar wird, dass der Sinn des Lebens wahrscheinlich gar nicht darin liegt, immer nur glücklich zu sein.
Nachdem Tony in Staffel eins langsam aus seinen Depressionen zurück ins Leben findet und in Staffel zwei die Zeitung rettet, geht es in der finalen dritten Staffel auf einen Road-Trip mit Schwager und Chefredakteur Matt. Trotz des existentialistischen Themas ist After Life eine der besten Feelgood-Serien, die es aktuell gibt.
SuperNature (ab 24. Mai 2022)
Ricky Gervais reflektiert in diesem Stand-up-Special über die Regeln der Comedy und die Nonchalance von Katzen. Außerdem geht es übernatürlichen Phänomenen an den Kragen.
Netflixwoche Redaktion