Midnight Mass – Das Herzensprojekt des Horror-Regisseurs Mike Flanagan

Wovor haben Horror-Regisseur*innen eigentlich Angst? Das neue Herzensprojekt von Mike Flanagan gibt auf diese Frage eine Antwort. Denn seine neue Horrorfilmserie jagt ihm laut eigener Aussage selbst ordentlich Angst ein.

Nach Spuk in Hill House und Spuk in Bly Manor veröffentlicht der renommierte Horrorfilmregisseur mit Midnight Mass jetzt sein neuestes Werk. Es geht um Paul (Hamish Linklater), der seit Kurzem als Priester auf einer kleinen, isolierten Insel namens Crockett Island arbeitet und lebt. In der katholischen Gemeinde kennt jeder jeden. Und wie so oft an abgeschiedenen Orten wie diesem gilt auch hier: Wer die Möglichkeit hat, zieht weg. 

So ist auch der ehemalige Messdiener Riley Flynn (Zach Gilford) weggegangen. Nachdem er auf das Festland zieht, verursacht er betrunken einen Autounfall, bei dem eine junge Frau ums Leben kommt. Seither wird der Atheist jede Nacht von fürchterlichen Schuldgefühlen heimgesucht. Nach einigen Jahren im Gefängnis kehrt er schließlich nach Crockett Island und zu seiner Familie zurück. Priester Paul findet an diesem „schwarzen Schaf“ besonderes Gefallen und nimmt sich seiner an.

Horror vom Herzen

In einem emotionalen Tweet schreibt Mike Flanagan, die Serie wäre sein bisheriges Lieblingsprojekt. Er gibt außerdem zu, dass ihn die Handlung „zutiefst ängstigen“ würden. Das liegt unter Anderem daran, dass der 43-Jährige einen stark persönlichen Bezug zu den Inhalten der Serie hat: Denn er ist selbst in einer katholischen Gemeinde aufgewachsen und war lange als Messdiener aktiv. Ähnlich wie die Figur Riley Flynn hat auch er den Alkoholismus überwinden können. Seit drei Jahren ist er trocken.

Der US-amerikanische Regisseur, Drehbuchautor und Serienschöpfer ist in den vergangenen Jahren zu einem veritablen Auteur im Horror-Genre avanciert. Seine Geschichten gruseln und erschrecken – wie im Genre üblich – mit Jump-Scares. Gleichzeitig bauen Zuschauende schnell eine emotionale Bindung zu den Figuren auf. Nicht zuletzt, weil unter der Geschichte stets ein emotionaler Kern verborgen ist.

Im Interview mit dem US-Onlinemagazin The Mary Sue verrät Mike Flanagan: „Ich habe immer eine Reihenfolge, es gibt eine Priorität für mich. Mir ist es am wichtigsten, eine spezifische Sache zu charakterisieren und sie emotional authentisch zu machen. Ich habe das Gefühl, wenn ich das nicht hinkriege, wird auch der Rest nicht funktionieren. Deshalb stecke ich meine ganze Energie da rein.“

Hat Flanagan das emotionale Feld also festgelegt, kann der Horror darauf gedeihen. In Midnight Mass belebt der neu angekommene Geistliche zunächst die verschlafene Gemeinde, doch schließlich bricht eine Katastrophe über Crockett Island herein.

Immer wieder geschehen übernatürliche Dinge, die wir aus der Bibel kennen: Ein gewaltiger Sturm fegt über die kleine Insel hinweg. Aus heiterem Himmel sterben dutzende Tiere. Kranke werden auf unerklärliche Weise gesund und sogar der Tod scheint seine Endgültigkeit verloren zu haben. 

Das persönliche Best-of in Serienform

Warum sich der Regisseur dieses biblischen Themas annimmt, erzählt er dem US-Magazin Vanity Fair: „Es ist unmöglich, die Bibel als Buch von der Horrorliteratur zu trennen. In ihr kommen alle wichtigen Bausteine vor. Wie selbstverständlich tauchen rechts und links immer wieder offenkundig übernatürliche und entsetzliche Ereignisse auf.“

Midnight Mass spielt allerdings im Hier und Jetzt. Es geht um Fanatismus, Extremismus und die Macht von Demagog*innen, Menschen zu verführen – eindrücklich dargestellt in der Figur des charismatischen Priesters Paul.

Die Serie ist der Höhepunkt von Mike Flanagans bisherigem Schaffen. In seiner Studienzeit probiert er sich an Melodramen aus. Seinen ersten richtigen Horrorfilm Absentia (2011) finanziert er per Crowdfunding. Darauf folgen Genre-Perlen wie Hush (2016) oder Ouja: Origi of Evil (2016) und die Stephen-King-Adaptionen Das Spiel (2017) sowie Doctor Sleeps Erwachen (2019), das Sequel zu Shining (1980).

Die DNA von Mike Flanagan

Besonders in Doctor Sleeps Erwachen, der zwischen Spuk in Hill House und Spuk in Bly Manor entstanden ist, lassen sich Lieblingsthemen und -motive von Mike Flanagan erkennen, die auch in Midnight Mass immer wieder auftauchen: Auch der erwachsene Danny Torrance (Ewan McGregor) wird von seiner traumatischen Vergangenheit heimgesucht und zum Alkoholiker.

Wie schon bei Flanagans großen Serienvorgängern Spuk in Hill House und Spuk in Bly Manor, steht bei Midnight Mass wieder einmal die dysfunktionale Familie im Fokus. Dieses Mal allerdings nicht versinnbildlicht im verfluchten Haus und den darin Lebenden (und Toten), sondern in Form der kleinen verschworenen Gemeinde, auf Crockett Island.

Netflixwoche Redaktion

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