Mad World(s): Mehr irre Dokus für Fans von Tiger King

Morgen ist es soweit: Joe Exotic & Co. kehren für eine zweite Staffel von Tiger King zurück. Und gerade als alle drinbleiben mussten, zeigten die ersten sieben Folgen dieses Lockdown-Hits die verrückte Welt da draußen. Die Erwartungen sind entsprechend. Zur Überbrückung der Wartezeit haben wir weitere Netflix-Dokus über eine scheinbar aus den Fugen geratene Welt zusammengestellt.

Es ist eine Welt, in der sich Verbrechen und Fremdscham, Schrecken und Faszination die Hand reichen. Eine Welt voller aberwitziger Plot-Twists, die jeder Writers’ Room aus Gründen der Glaubwürdigkeit sofort gestrichen hätte. Eine Welt, in der sich zwischen einem durchgeknallten Privatzoo-Direktor und einem ehemaligen US-Präsidenten erstaunliche Parallelen auftun. Wobei Trump und der selbsterklärte Tigerkönig noch nicht einmal die exotischsten Figuren sind … Hier ist unsere Watchlist mit weiteren irren Dokus für Fans von Tiger King.

Die legendäre Kokain-Insel (2018)

Die legendäre Kokain-Insel erzählt die wahre Geschichte des Bauunternehmers Rodney Hyden, der sich in der Hoffnung auf eine schnelle finanzielle Sanierung in Drogengeschäfte stürzt bzw. stürzen möchte – denn selbstredend geht das alles nicht gut. Regisseur Theo Love verzichtet dabei auf die Tiefe einer seriellen Aufarbeitung und beschränkt sich auf klassische 90 Filmminuten. Dabei stecken in Die legendäre Kokain-Insel genug schräge Figuren für mindestens eine halbe Staffel: der Kleindealer Dee, der Großdealer Carlos, der Großkonsument Andy. Gemeinsam mit ihnen will Hyden der Legende eines in Puerto Rico auf seine Ausgrabung wartenden Kokain-Schatzes auf den Grund gehen, im wahrsten Sinne des Wortes. Erfahrung im Drogengeschäft hat er nicht, dafür jede Menge Tatendrang, weshalb er sich in einer Nacht- und Nebelaktion nach Puerto Rico begibt. Was wohl der berüchtigte Schmuggel-Pilot Barry Seal zu dieser amateurhaften Unternehmung gesagt hätte?

Don’t Fuck With Cats (2019)

Zumindest im Internet ist es ein ungeschriebenes, allgemein akzeptiertes Gesetz: Lass die Katzen in Ruhe. Der Kanadier Luke Magnotta allerdings hat sich auf denkbar grausige Art und Weise darüber hinweggesetzt. Er hat sich dabei gefilmt, wie er kleine Kätzchen umbringt, und das ganze auch noch via YouTube geteilt. Die dreiteilige Dokumentation Don’t Fuck With Cats folgt den Privatermittlungen einer Facebook-Gruppe, die bald versteht: Das war erst der Anfang von Magnottas Grausamkeiten. Nur kurze Zeit später geht der Täter nämlich von Tieren auf Menschen über. Das lässt den Titel dieser Mini-Serie rückblickend noch ein wenig zu harmlos erscheinen. Und noch ein weiterer Wermutstropfen: Don’t Fuck With Cats hat Magnotta genau den Ruhm beschert, nach dem er mit seinen Taten gestrebt hat – wie so vielen anderen narzisstischen Killertypen, die ihre Doku bekommen haben. Schwierige Gewissensfrage, fesselnd aber ist Don‘t Fuck With Cats allemal.

Voyeur (2017)

Auch in Voyeur dreht sich alles um die Aufdeckung unfassbarer Vorgänge – und das gleich in doppelter Hinsicht. Im Mittelpunkt des Dokumentarfilms von Myles Kane und Josh Koury steht nämlich nicht nur ein gewisser Gerald Foos, der in den 1960er Jahren ein Motel erwirbt und so ausbaut, dass er über Jahrzehnte die Sexabenteuer seiner Gäst*innen beobachten kann. Voyeur handelt zugleich von Starreporter Gay Talese, der sich mit Foos anfreundet und ihm über Jahre die schier unglaubliche Geschichte erst entlockt. Hier öffnet sich eine faszinierende Meta-Ebene. Denn nicht alles, was Talese in seinem Buch zu dem Fall offengelegt hat, scheint der Wahrheit zu entsprechen. In dieser Geschichte wirken also zwei höchst unzuverlässige Erzähler zusammen, um ihren jeweiligen Egos einen Boost zu verleihen – und die Zuschauenden in eine verwirrende, extrem verstörende, aber dennoch faszinierende Welt zu ziehen.

Wild Wild Country (2018)

Wie tief die Spaltung der Gesellschaft in USA vorangeschritten ist, macht kaum eine Dokumentarserie so deutlich wie Wild Wild Country. Die thematisiert in sechs Teilen den Konflikt zwischen einer Siedlung der Bhagwan-Sekte im ländlichen Oregon und der benachbarten Gemeinde Anfang der 1980er Jahre. Beide Seiten äußern sich ausgiebig zu den initialen Meinungsverschiedenheiten – und natürlich zu den sich aberwitzig zuspitzenden Auseinandersetzungen und politischen Ränkespielen, die schließlich zur Aufgabe der Kommune und der Ausweisung von Bhagwan Shree Rajneesh aus den USA führten. Das Ergebnis ist weniger reine Freakshow als allgemeingültiges Dokument altbekannter gesellschaftlicher Konflikte, wie sie auch bei uns zu finden sind: zwischen Jung und Alt, Stadt und Land, Moderne und Tradition, gesellschaftlicher Utopie und menschlicher Fehlbarkeit.

Unter dem Tellerrand (2018)

Ihr wollt absurd? Ihr bekommt absurd! Es sei denn, ihr hängt dem sogenannten Flat Earth-Mythos an, wonach die Erde eine Scheibe sei. Für seinen Dokumentarfilm Unter dem Tellerrand folgt Regisseur Daniel J. Clark einigen Protagonist*innen der vor allem in den USA über Podcasts, YouTube-Kanäle und Veranstaltungen bestens vernetzten Szene und zeigt deren Bemühen, die schrägen Thesen mittels experimenteller Versuche nachzuweisen. Das ist so schräg, wie es klingt, aber gleichzeitig sehr aufschlussreich. Denn auch wenn die Flachweltler in Unter dem Tellerrand eher harmlos, manchmal sogar fast sympathisch anmuten, wirft die Doku doch ein Licht auf alles, was zwischen Pizzagate, QAnon, Deep State und diversen Corona-Verschwörungsmythen mittlerweile querdenkt.

Fyre – The Greatest Party That Never Happened (2019)

Auch die Geschichte von Fyre endet – so viel sei verraten – für einen der Protagonisten im Gefängnis. 2017 rief der Unternehmer Billy McFarland ein neues Musikfestival ins Leben. Es basierte auf zwei seiner vorangegangenen Geschäftsmodelle: einer exklusiven Kreditkarte für neureiche Angeber und der Vermittlung von Prominenten für die dazugehörigen Partys. Mit Unterstützung von Rap-Star Ja Rule plant er ein exklusives Festival für die Jeunesse Dorée auf einer Privatinsel in der Karibik, dem zahlreiche Models und Influencerinnen zu weiterem Ruhm verhelfen sollen. Aber schon bei den Vorbereitungen kündigt sich eine Katastrophe nicht nur für die Besuchenden, sondern auch für die involvierten Arbeitskräfte an. Aus Megafestival wird Megafail – und ein Betrugsfall, der nun auch Dokumentarfilmgeschichte geschrieben hat.


Netflixwoche Redaktion

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