„Im Westen nichts Neues ist sowohl zeitgemäß als auch zeitlos“: Das sagen die Kritiker*innen

Der junge Schulabbrecher Paul Bäumer zieht voller Heimatstolz in den Ersten Weltkrieg und verheimlicht sogar sein Alter, damit er an die Front darf. Doch die rohe Gewalt, die den 17-Jährigen in den Schützengräben erwartet, trifft ihn mit voller Wucht. Statt heldenhafte Siege zu feiern, finden er und seine Kameraden sich im Kampf ums nackte Überleben wieder.

Edward Berger traut sich nach den amerikanischen und britischen Verfilmungen (1930 und 1979) als erster deutscher Regisseur an eine neue Inszenierung von Erich Maria Remarques Klassiker Im Westen nichts Neues von 1929. In den Hauptrollen spielen neben Newcomer Felix Kammerer als Soldat Paul Bäumer deutsche Stars wie Albrecht Schuch (Bad Banks, Gladbeck) und Daniel Brühl (Inglourious Basterds, The Alienist).

Seit dem 29. September ist Im Westen nichts Neues im Kino zu sehen, nun startet das zweieinhalbstündige Epos auf Netflix.

„Realistisch und erschreckend aktuell“ – Die Kritiken zum Film

Die Deutsche Film- und Medienbewertung FBW adelt Bergers Neuverfilmung mit dem Prädikat „besonders wertvoll“. Ihre Einschätzung begründet die Jury mit der „eindrucksvollen Authentizität, [...] durchweg glaubhaften Charakteren und einem richtungsweisenden Einsatz dramaturgischer Elemente.“

Sie warnt aber, dass der Film durchaus krass in seiner Intensität ist, was für die Wirkung jedoch von großer Bedeutung ist. So macht „der Film mit jeder Sekunde begreifbarer [...], dass Soldaten keine Heroen mit einer Mission sind, keine Kriegsikonen, sondern einfache Bausteine einer kalten Kriegsmaschinerie.“

Kein Relikt der Vergangenheit

Nahezu alle Rezensionen verweisen auf die traurige Aktualität des Stoffs aufgrund der aktuellen Schlagzeilen. Laut Deutsche Welle sendet die neue Adaption von Im Westen nichts Neues ein „starkes Statement gegen den Krieg“ und vermittelte damit genau die Botschaft, die Remarque rüberbringen wollte. „Jede der 147 Minuten geht tief“, findet die Süddeutsche, der Deutschlandfunk lobt die Schauspielleistung als „sehr überzeugend“ und der Stern sagt, der Film gehe „an die Grenze dessen, was man ertragen kann.“

Nachdem Remarque selbst als junger Soldat kurze Zeit an der Front gekämpft hat, wird seine Niederschrift über die eigenen Erfahrungen und die seiner Kameraden zum Bestseller (und wenig später verboten). Regisseur Edward Berger ergänzt in seiner Version einen Handlungsstrang über die Friedensverhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich. Der NDR schreibt dazu: „Die reale Rahmenhandlung nimmt den Fokus von der emotionalen Fronterfahrung, bremst die Nähe zum Kriegsgeschehen aus. Für Berger ist das allerdings ein erzählerischer Gewinn: ‚Diese Verhandlung im Zug wurde hinterher von Nationalisten benutzt, um Matthias Erzberger und generell der Politik die Schuld in die Schuhe zu schieben, dass sie versagt haben und den Krieg verloren haben‘, so Berger. ‚Gegen den Willen des Militärs, die einfach sagten, wir hätten ihn auch gewonnen, was natürlich überhaupt nicht stimmte. Das hat am Ende zum Zweiten Weltkrieg geführt und darauf wollte ich ein Schlaglicht werfen.‘“

And the Oscar goes to…

Die internationale Presse lobt derweil besonders die visuellen und akustischen Effekte. „Volker Bertelmann, der für die Filmmusik verantwortlich war, beschleunigt den Pulsschlag – nicht unbedingt eine unwirksame Art, Remarques klare Prosa zu übersetzen“, so die New York Times.

„Bemerkenswertes Filmemachen“ sagt The Guardian über den Film und gibt ihm 5 von 5 Sternen. „Momente von beeindruckender Schönheit – Sonnenlicht, das von skelettierten Winterbäumen [...] zerschnitten wird – sind fast ebenso schockierend und beunruhigend wie die Szenen des Leidens.“

The Observer und die LA Times sind sich einig, dass die große Stärke des Films in den Details liegt, wo sich der wahre Horror zeigt. Zum Beispiel die Anfangsszenen, wenn Paul Bäumer die Klamotten eines bereits getöteten Kameraden bekommt oder wenn „Füchse, die in ihrem Bau schlafen, [...] bei einem entfernten Knall den Kopf hochstrecken“.

Die Film- und Serien-Rezensionsplattform Rotten Tomatoes gibt dem Antikriegsdrama stolze 94% und sagt, der Film „ist sowohl zeitgemäß als auch zeitlos und behält die Kraft seines klassischen Ausgangsmaterials bei, indem es die Sinnlosigkeit des Krieges in den Mittelpunkt stellt.“

Mit seiner Premiere beim Filmfestival in Toronto wurde Im Westen nichts Neues für die Kategorie „Bester Internationaler Film“ bei den Oscars 2023 ins Rennen geschickt. Die Chancen auf eine offizielle Nominierung stehen gut – Ende Januar wissen wir mehr.

Netflixwoche Redaktion

Drücke ESC, um die Suche zu schließen.