In einer der zahllosen Kampfszenen aus Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues sagt der Ich-Erzähler über einen Angriff der Franzosen: „Ich sehe einen von ihnen in einen spanischen Reiter stürzen, das Gesicht hoch erhoben. Der Körper sackt zusammen, die Hände bleiben hängen, als wollte er beten. Dann fällt der Körper ganz weg, und nur noch die abgeschossenen Hände mit den Armstümpfen hängen im Draht.“
Der Krieg ist schmutzig, grausam und menschenfeindlich. Mit dem Ersten Weltkrieg, den Remarque selbst als Soldat erleben musste und über den er in seinem Roman schreibt, bekam die Schrecklichkeit aber eine bis dahin nicht gekannte Dimension. Durch lautlose Gasangriffe. Durch zielsichere Waffen. Durch einen Stellungskrieg, in dem sich die Front oft über Wochen kaum bewegte. Durch abertausende Tonnen von Artilleriegeschossen, die auf die Soldaten herabregneten.
Kurzum: Wie soll man das verfilmen, ohne den Zuseher*innen Unaussprechliches zuzumuten – und dennoch die historische Tiefe von Remarques Buch abbilden? Diese Frage hat sich auch Regisseur Edward Berger (Deutschland 83) gestellt, bevor er das Buch für Netflix zu einem Spielfilm gemacht hat.
„Es war mir wichtig, eine deutsche Perspektive einzunehmen. Unser Bild vom Krieg ist geprägt von Trauer und Scham, Leid und Tod, Zerstörung und Schuld. Ich habe es als eine große und faszinierende Herausforderung empfunden, unsere Geschichte, unseren Hintergrund und unsere Einstellung zum Krieg zur treibenden Kraft hinter dem Film zu machen“, hat Berger Netflix Queue erzählt. „Ich wollte einen Film machen, bei dem man das Gefühl hat, dass man in Deutschland aufgewachsen sein muss, um ihn machen zu können.“
Obwohl das 1929 erschienene Buch noch immer an vielen Schulen gelesen wird, gibt es bisher keine deutsche Verfilmung der Geschichte. Im Westen nichts Neues wurde bisher zweimal verfilmt: Die erste in den USA im Jahr 1930 entstandene Version wurde mit Oscars in den Kategorien „Bester Film“ sowie „Beste Regie“ geehrt. Und 1979 erschien eine amerikanisch-britische TV-Fassung.
Wie kann man die Grausamkeit des Krieges in Bilder fassen?
Das Ergebnis ist ab 29. September bundesweit in ausgewählten Kinos und am 28. Oktober weltweit auf Netflix zu sehen. Die Filmbewertungsstelle FBW lobt den Film für seine „eindrucksvolle Authentizität, außerordentlich gelungenen Szenen und durchweg glaubhaften Charaktere“ und hat ihm das Prädikat „besonders wertvoll“ verliehen.
„Erst allmählich werden wir wieder zu Menschen“, sagt der Soldat Paul Bäumer im Buch, nachdem er und seine engsten Kameraden nach einem extrem blutigen Gefecht etwas zur Ruhe gekommen sind. Ein Satz, der wie viele andere im Buch eine grausige Aktualität hat, jetzt, wo wieder Krieg herrscht in Europa.
„Remarques Roman ist fast 100 Jahre alt, aber er könnte genauso gut heute geschrieben worden sein“, meint Berger. „Seine Sprache, die Gewalt, die Körperlichkeit, der Witz – all das wirkt so modern, dass es auch von einem Autor unserer Generation hätte geschrieben werden können.“
Netflixwoche Redaktion