Kaiserin Elisabeth ist ein Mythos. Kaum eine andere Monarchin verfügt über ein ähnlich üppiges Repertoire an Filmen, Serien, Büchern und sogar Theaterstücken, die ihren Namen tragen. Oder zumindest ihren Spitznamen.
Die Netflix-Serie Die Kaiserin unternimmt den Versuch, einen ihrer prägnantesten Charakter-Aspekte einzufangen: Elisabeths unkonventionellen Freiheitsdrang. Doch wer war eigentlich die Frau, die noch 124 Jahre nach ihrem Tod die Fantasie von Millionen von Menschen beflügelt?
Kindheit und Geschwister
Elisabeth war ein Weihnachtsbaby, sie wurde am 24. Dezember 1837 in München geboren. Dort und auf dem Landsitz ihrer Familie am Starnberger See wuchs sie als Prinzessin auf. Ihr Vater wurde dem Bild, das die Sissi-Filme von ihm vermitteln, in der Realität nicht gerecht. An seinen Kindern zeigte er kaum Interesse. Die Erziehung des Nachwuchs überließ er Elisabeths Mutter, Ludovika.
Elisabeth wurde gemeinsam mit ihrer drei Jahre älteren Schwester Helene erzogen. Durch ihre englische Gouvernante lernten die Mädchen Englisch – und benutzten die Sprache bis an ihr Lebensende als gemeinsame Geheimsprache. Später bekamen die beiden kleinen Mädchen unterschiedliche Gouvernanten, weil die sanfte Elisabeth sich von der dominanten Helene so leicht unterbuttern ließ.
Zog Franz Sissi wirklich ihrer Schwester vor?
Ein Element, das keine Sissi-Adaption auslässt: Eine Szene, in der sich Franz Joseph überraschend mit Elisabeth verlobt und nicht, wie vorher vereinbart, mit ihrer Schwester Helene. Tatsächlich war die Mutter des Kaisers, Prinzessin Sophie Friederike von Bayern, auf der Suche nach einer geeigneten Ehefrau für ihren Sohn. Zwei Verlobungs-Anläufe mit vielversprechenden Kandidatinnen aus Preußen und Sachsen waren bereits gescheitert, als der damals 23-jährige Monarch nach Ischl reiste, um seinen Geburtstag zu feiern.
Dort lernte er seine Cousinen Sissi und Helene kennen. Sissi war 15, Helene 19 Jahre alt. Eine Vereinbarung, nach der Franz Helene zur Braut nehmen sollte, hat es laut aktueller Quellenlage aber wohl nicht gegeben. Zwei Tage nachdem sie sich kennengelernt hatten, folgte der Heiratsantrag – überbracht von Franz' Mutter an Ludovika. Einen Tag später erhielt er ihre Zustimmung.
Ehe, Mutter, Kaiserin
„Ich hab den Kaiser so lieb! Wenn er nur kein Kaiser wäre!“, soll Sissi angeblich gesagt haben, als sie von seinen Verlobungsabsichten erfuhr. Die beiden heirateten ein Jahr, nachdem sie sich kennengelernt hatten. Sissi war mit 16 Jahren immer noch ein Teenager.
Vom strikten Hofzeremoniell fühlte sich die junge Kaiserin schnell eingeschnürt. Trotzdem glückte schnell, was von einer jungen Ehefrau im 19. Jahrhundert erwartet wurde: Mit gerade einmal 17 Jahren gebar Elisabeth ihr erstes Kind, ein kleines Mädchen, das tragischerweise nie das Erwachsenenalter erreichte. Mit nur zwei Jahren starb sie an einer Durchfallerkrankung. Es folgten drei weitere Kinder, darunter Kronprinz Rudolph, der sich später das Leben nahm. Nur zur jüngsten Tochter, Marie Valerie, konnte Elisabeth eine echte Beziehung aufbauen. Die Rolle der Mutter fiel ihr bei den anderen Kindern schwer. Sissi und Franz entfremdeten sich mit den Jahren voneinander.
Und was ist mit der bösen Stiefmutter?
Sophie Friederike von Bayern war nicht nur die Mutter von Franz Joseph, sondern auch die Tante von Elisabeth. Das Verhältnis der beiden war tatsächlich angespannt. Sophie hatte ihren Mann darin bestärkt, zugunsten ihres gemeinsamen Sohnes als Kaiser zurückzutreten, um die krisengebeutelte österreichische Monarchie zu stärken. Ihre Vorstellung davon, welche Rolle Pflichterfüllung und Aufopferung für eine Kaiserin spielen sollten, unterschied sich klar von der der jungen Elisabeth.
Doch nicht immer waren sich die beiden Frauen uneins: Sophie unterstützte Elisabeth beispielsweise in ihrem Wunsch, sich selbst um ihre Kinder zu kümmern. In Sophies Korrespondenz mit anderen Familienmitgliedern fiel kein böses Wort über die junge Kaiserin.
Wer war sie nun, die echte Elisabeth?
Die Frau Elisabeth und die Kunstfigur Sissi sind heute schwer auseinanderzudividieren. Auch, weil sich die vielen Darstellungen ihres Lebens so drastisch voneinander unterscheiden. In der Realität war Elisabeth eine Frau, die viel zu jung den unverhältnismäßig strikten Vorgaben einer übermenschlichen Rolle ausgeliefert wurde, die viele Schicksalsschläge plagten und die vermutlich an Depressionen litt. Und die bis heute die Fantasie von Millionen von Menschen beflügelt.
Netflixwoche Redaktion